Zwei verschiedene Baustellen...

So, wie ich es empfinde, gibt es zwei verschiedene Baustellen:

Einerseits: Sprachliche Sauberkeit in Diskussionen. Z.B. "Erdogan verspricht die Einführung der Todesstrafe" - das ist eben sprachlich nicht sauber, und als Zeitungsschlagzeile erst recht nicht. Weil es plakativ ist und den Sachverhalt so vereinfacht, dass er faktisch schon wieder falsch ist. Sowas nennt man Demagogie - und ich finde es, egal von wem, potentiell unappetitlich.

Zweitens: Die Situation in der Türkei. Ich finde die Situation, soweit ich sie hier aus dem Ausland mitbekomme, erschreckend. Und ich würde derzeit wirklich nicht in der Türkei Urlaub machen wollen, von vielem anderen ganz abgesehen. Weil die Türkei nach meinem persönlichen Verständnis ein Unrechtsstaat ist. Andererseits: Wie geht man adäquat mit der Situation um, wenn ein "Diktator" mehrheitlich demokratisch gewählt ist, wenn die Mehrheit der Bevölkerung solche "Reinungsaktionen" fordert und die Wiedereinführung der Todesstrafe, Massenentlassungen von Juristen, Enteignungen für unliebsame Bürger, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für viele Menschen, aber eben auch für Regimekritiker, die faktische Abschaffung einer Pressefreiheit etc.? Ich kann mich - meinem Verständnis nach - nicht hinstellen, und der Mehrheit der Bevölkerung in der Türkei sagen, wie ich Rechtsstaat, Freiheit, Freizügigkeit, Menschen- und Frauenrechte definiere. Ich finde die Situation Scheiße. Aber ich sehe keine Handhabe. Wobei ich insoweit sehr wohl bei dem österreichischen Bundeskanzler bin, dass ein Beitritt dieser Türkei in die letztlich ja auch Wertegemeinschaft der EU eine Katastrophe wäre. (Wobei die derzeitigen Werte der EU eigentlich auch eine Katastrophe sind, für mein Empfinden, aber das ist wieder eine andere Baustelle.)