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Geschrieben von fiammetta am 20.04.2011, 21:59 Uhr

@glückskugel

Hi,

ich denke, man kann hier - wieder einmal - nicht den plakativen Königsweg einschlagen. Wenn eine Mutter die Abtreibung für sich selbst verarbeitet hat und weiß, dass ihre Kinder damit nicht umgehen könnten, weil sie sonst glauben würden, sie wären eigentlich nicht gewollt, dann ist es natürlich besser, ihnen diese Information für deren Seelenfrieden vorzuenthalten.

Bestimmt jedoch diese Abtreibung die psychische Verfassung der Mutter, d.h. kämpft sie genau deswegen mit einer dauerhaften Depression, die natürlich auch die Kinder belastet, dann ist es mitunter besser, hier nicht ein großes Familiengeheimnis daraus zu machen, sondern den Kindern die Möglichkeit zu geben, sich mit der Mutter und ihrer Situation auseinander zu setzen.

Meine SM hat bis kurz vor ihrem Tod ein Familiengeheimnis aus der Erzeugerschaft ihrer ältesten Tochter gemacht. Jeder dachte, es sei ein amerikanischer GI, der Ende der 40er Jahre wieder in die USA zurückkehren mußte, es sei die große, aber tragische Liebe gewesen etc. Dazu eine süßliche Story, dass die böse Mutter sämtliche Fotos vernichtet hätte, blabla. Die Tochter fühlte sich immer als etwas Besonderes (Halbamerikanerin!), die anderen Kinder fühlten, dass da irgendetwas nicht stimmte, denn die Älteste hatte im Grunde den ewigen Freifahrtschein für alles. Endresultat: Über der Familie schwebte immer eine Lüge, die aber keiner aufdecken wollte, weil jeder Angst vor der eigenen Courage und der Wahrheit hatte. Nachdem ich ja nicht blöd bin und obendrein Geschichte studiert hatte, waren mir als Außenstehenden die Brüche der Story klar und ich sagte ihr sogar schon vor Jahren, dass ich glaubte, die Realität sei anders gewesen - nämlich in etwa so, wie sie tatsächlich war. Ich wurde fast zerfleischt dafür. Mein Mann erzählte seinen beiden Schwestern später von dem, das sich wirklich zugetragen hatte und war dann auch der Überbringer der schlechten Nachricht = der Böse. Beide können bis heute nicht damit umgehen, weil ihnen auch das geschichtliche Hintergrundwissen und die Empathie dazu fehlt (die sie auch nie gelernt hatten).

Was ich damit sagen will: Wenn alle unter etwas leiden, das nicht faßbar ist und über das dann alle spekulieren, dann ist die Wahrheit Jahrzehnte später weitaus schlimmer als hätte man sich bereits früher damit auseinandersetzen können. Ein Scheinwelt bricht dann zusammen und die Fundamente der eigenen Existenz werden dadurch gewaltig erschüttert. Solche Familiengeschichten haben dann oft sogar noch Auswirkungen auf die dritte Generation: meine beiden Schwägerinnen haben ein denkbar schlechtes Verhältnis zu den eigenen Töchtern - weil sie es nicht anders gelernt haben und das, das sie mit der eigenen Mutter hatten, unreflektiert weitergeben.

Nein, man sollte gerade bei derartig einschneidenden Ereignissen, so sie einen auf Dauer belasten, die Wahrheit nicht zudecken. Man sollte aber natürlich den richtigen Zeitpunkt finden und seinen Kindern immer wieder dazu verklickern, wie sehr man sie ungeachtet des Geschehenen liebt. Nur dann kann es, so meine Lehre daraus, einen Weg aus der Spirale geben, die sich sonst in Gang setzt.

LG

Fiammetta

 
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