Stillen

Stillen - Tipps, Erfahrungen und Austausch für stillende Mütter

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Geschrieben von sileick am 26.03.2015, 21:22 Uhr

Schulkinder stillen

Hierzulande lebt man in vielerlei Hinsicht auf Distanz. Insofern ist der Trend, Kinder schnell auf Distanz zu bringen, wohl eine gesellschaftliche Entwicklung, die sich hier herausgebildet hat: Kinderwagen, Kinderstühle (in denen Kinder sitzen sollen, die noch nicht sitzen können), Stubenwagen, Wippe, möglichst früh eigenes Bett, eigenes Zimmer, frühes Abstillen, frühe Trennung in Kitas (statt aufwachsen in der großen Familie, wo es eben nicht fremd ist und die Hauptbezugsperson selbstverständlich immer wieder kommt und dazugehört), bei der Geburt frühes Wegnehmen der Babys, bevor sie ihre Stunde auf und an Mama bzw. mit dem Vater zusammen hatten, frühes Vermeiden von Hautkontakt durch schnelles Anziehen gleich nach der Geburt; alles Dinge, die Störungen verursachen können und es auch reihenweise tun.

Insofern leben wir in einer Gesellschaft, die tendenziell wenig hält vom Erleben inniger Nähe. Auch eine Mutter, die viel und intensiv öffentlich mit ihrem Kind kuschelt, kann in die Situation geraten, dass ihr vorgeworfen wird, sie erdrücke ihr Kind mit IHREM Nähebedürfnis bzw. binde es zu sehr an sich. Es muss gar kein Stillen sein, um das hervorzurufen.

Über die Frage, was wir machen, wenn unser Kind sozial Probleme bekommt, weil es noch stillt, habe ich viel nachgedacht. Auch mit meinem Mann. Wir stehen voll dahinter. Mein Kind und ich genießen diese Zeiten. Es ist gut für uns, so, wie es ist. Aber im KiGa kamen auch sehr schnell grobe Sprüche, was natürlich in der Eingewöhnung gerade ganz schön heftiger Tobak für so ein kleines Mausilein ist. Ich habe seinerzeit mit meiner Tochter darüber gesprochen und sie gefragt, was sie davon hält, dass solche Sprüche kommen. Auf die Frage hin, wie sich das für sie anfühlte, meinte sie "Nicht gut!". Ich habe ihr erklärt, dass die anderen Kinder alle nicht so lange stillen dürfen/durften oder wollten, und dass man das hierzulande so selten erlebt, dass viele das komisch finden. Vielleicht sind auch manche Kinder traurig, weil sie es eben nicht mehr konnten. In jedem Fall ist das der Grund für die Sprüche.

Wir sind übereingekommen, dass eben im KiGa und wenn andere KiGa-Kinder dabei sind, nicht gestillt wird. Und so ist das jetzt auch.

Wenn man andere Wege geht als viele andere in der Gesellschaft, kommt man an solche Knoten, an denen man sich fragen muss, ob die Vorteile des eigenen Weges die Nachteile der gesellschaftlichen Sanktionierungen noch aufwiegen oder es einem aus anderen Gründen so wichtig ist, es dennoch so zu tun. Wenn es dabei um Kinder geht, ist es nur fair, sie auch zu fragen. Mein Kind hat dazu eine klare Meinung: Sie liebt das Stillen und möchte noch nicht damit aufhören. Sie bedauert, dass andere Kinder das nicht so lange haben können. Sie will aber auch nicht außen vor sein und immer sanktioniert werden, also stillt sie zu anderen Gelegenheiten. Sie steht aber auch dazu, also erzählt, dass sie noch stillt. Das finde ich am wichtigsten. Dass sie dazu stehen kann und gerade bleiben kann. Und da ist es dann auch egal, ob wegen eines Schnullers oder einer Windel. Wichtig ist, man kann (auch als Kind) dazu stehen und ggf. den Leuten paroli bieten, die unken.

Ich finde diese Haltung gesund. Wenn ich merken würde, dass es sie sehr belastet, würde ich das Gespräch in Richtung abstillen (mindestens tagsüber ganz) mit ihr suchen. Zum Abstillen Zwingen würde ich sie nicht.

Übrigens finde ich wirklich, dass wir den Begriff LZS ändern sollten. Sprache macht Wirklichkeit, und so lange man es so formuliert, als sei das was, was ungewöhnlich/abnormal (lang) ist, dann ändert sich auch die Vorstellung dazu schlecht. Für mich ist es kein Langzeitstillen, sondern unverkürztes Stillen. :-)

Dazu noch eine grundsätzliche Überlegung: Wir haben gelernt, im Rahmen von bedürfnisorientierter Erziehung (auch den Begriff finde ich nicht allzu gelungen, aber es ist ein Schlagwort, mit dessen Hilfe die meisten gleich das passende Bild haben), den Kindern ihre Entwicklungszeit zu lassen: sich drehen, sitzen, krabbeln, laufen, malen, puzzlen etc. In Bezug darauf ist man hierzulande zum Glück doch schon wieder viel weiter gekommen; man gängelt die Kinder nicht mehr, das alles früher zu tun als sie bereit sind, es sei denn, sie fangen wirklich sehr spät damit an. Kein Kind braucht (mit Hilfe von was auch immer) beigebracht zu bekommen, wie es laufen kann. Es lernt das, wenn das Programm, passend zur körperlichen Entwicklung, "an" geht.

Aber was das selbstbestimmte essen, ausscheiden, schlafen und eben auch stillen anbetrifft, tun wir uns hierzulande immer noch schwer. Hier wird weiterhin landläufig postuliert, wie wichtig es doch sei (Schlagwort Selbstständigkeit), das zu bestimmten Zeiten unbedingt "einzuführen" (z.B. essen, durchschlafen, allein schlafen) bzw. abzugewöhnen (stillen, Windeln). Ich finde, an dieser Stelle können wir, wie auch mit den anderen Entwicklungsfragen, unseren Kindern die Führung überlassen und ihrem Zeitplan folgen. Wenn der dann mit unseren persönlichen, bzw. auch gesellschaftlich bedingten Grenzen (Vollzeitarbeit und das Schlafthema, stillen bis zum Umfallen, was mancher irgendwann zu viel wird etc.) in Konflikt kommt, sind Kompromisse nötig, wie in jeder guten Beziehung.

Was ich problematisch finde, ist das Postulieren von Problemen, die sich daraus ergeben, dass Eltern ihre Kinder eben nicht in der oben genannten Weise lenken. Z.B. Angst davor, dass das Kind nie durchschläft oder man die Reifung des Kindes stört, indem man es nicht in die entsprechende Richtung lenkt. Angst davor, dass das Kind psychische Probleme bekommt, wenn... Das Schreckgespenst der ewigen engen Bindung statt Löslösung (Das Kind wird nie im eigenen Bett schlafen, nie aufhören zu stillen, nie selbstständig werden...), das man, mit einer anderen Sicht auf die Sache auch im umgekehrten Sinne verstehen könnte: Das Kind bekommt ganz viel Sicherheit und Basis, eine gute Verwurzelung in der familiären Bindung, Selbstvertrauen, das Gefühl, liebenswert und gut zu sein, was ihm auf dem Lebensweg sicher viel Fundament mitgibt. Der Rat: "Don't overdo!" ist hier meiner Meinung nach auch müßig, denn wie immer ist gut, was gut für die Familie ist. Da muss immer individuell geschaut werden.

Meiner Meinung nach muss immer wieder die Angstmache entlarvt und die Stärkung gefördert werden, damit Familien mit ihren Kindern in unserer Gesellschaft mit z.T. schwieriger Vorbildfunktion (aufgrund von programmatischen Vorstellungen der Vergangenheit) so wachsen können, wie es für sie richtig ist.

LG Sileick

 
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