Schlafen, einschlafen, durchschlafen

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Geschrieben von Azahar_vlc am 03.03.2010, 14:06 Uhr

Ferbern oder nicht, ein paar Überlegungen

Ich will hier keine neue Diskussion darüber auslösen, was die beste Methode ist, sein Baby zum Schlafen zu bringen (abends, nachts und überhaupt).
Aber ich habe mal ein paar Überlegungen an gestellt, die vielleicht auch für andere interessant sein könnten.

Hier nochmal die zwei Methoden um die es geht:

1. Ins Bett legen, aus dem Zimmer gehen und schreien lassen, bis das Kleine so müde ist, dass es einschläft (auch Ferbern genannt, wenn man dabei in bestimmten Zeitabständen immer wieder nachschaut ob alles in Ordnung ist).

2. An seiner Seite bleiben, wenn es danach verlangt nicht alleine zu sein, es zu stillen, mit ihm zu kuscheln, es zu streicheln etc. bis es in Morpheus Arme gleitet.

Vornweg:
Mit Methode Nr. 1 konnte ich mich nie anfreunden, sie brach mir einfach das Herz.
Mit Methode Nr. 2 konnte sich meine Umgebung, sprich Freunde, Familie, Ehemann nie anfreunden, da sie meinten, ich würde die Kleine verwöhnen und zur Unselbständigkeit erziehen.

Was macht die übermüdete Mutter also? Sie folgt ihrem Herzen und versucht ihre mütterlichen Intuitionen für den Rest der Personen, die sie umgeben, verständlich zu erklären. Damit diese sie endlich in Ruhe lassen.
Und wie schon in so vielen anderen Situationen erweisen sich auch hier die Tiere als die besten Lehrmeister, da ihnen seltsamerweise von vielen Menschen eine grössere seelische Leidensfähigkeit als Babys zugeschrieben wird.

Die zu belehrenden Personen werden also auf die Wohnzimmerstühle gefesselt, damit sie dem folgenden Vortrag nicht entkommen können und losgehts.

Werfen wir zuerst einmal eine Frage in den Raum: Wie gewöhnt man ein Pferd an Sattel und Reiter?
Keine Angst, niemand braucht sich zu bemühen, ich beantworte sie selbst.

Vor zwanzig Jahren, als ich noch ein Kind war und angefangen habe zu reiten, hätte ich gesagt: Indem man ihm den Sattel einfach auf den Rücken legt und dann einen gewandten und mutigen Reiter draufsetzt, der so lange dort oben aushält, bis das Pferd zu müde ist, um weiter herumzutoben und sich zu wehren und sich in sein Schicksal ergibt. Tja, so wurde das damals sehr oft gemacht. Einbrechen nannte man das. Was viel mit „den Willen brechen“ zu tun hat.

Heutzutage ist das natürlich anders. Da wird das Pferd vorsichtig an den Sattel herangeführt und in einem mehrere Tage oder gar Wochen dauernden Prozess an die Belastung durch den Reiter gewöhnt. Normalerweise ohne es zu ängstigen und brutal zu unterwerfen.

Soweit die Tatsachen. Aber mir stellt sich hier die Frage: Warum? Warum diese Veränderung? Warum das Umdenken? Hat sich die Menschheit weiterentwickelt? Ihre primitiven, brutalen Züge abgelegt?

Nein, ich glaube nicht. Ich möchte eher behaupten, die Menschheit hat wieder zu dem zurückgefunden, was über tausende von Jahren hinweg der Normalzustand war.
Damals vor zwanzig Jahren begannen nämlich auch diverse, sogenannte Pferdeflüsterer aufzutauchen, die mit kaputten, psychisch gestörten Tieren oft reine Wunder vollbrachten. Diese Männer wurden als Magier bezeichnet. Dabei bedienten sie sich im Grunde nur eines Wissens, das schon seit ewigen Zeiten in der Menschheit vorhanden war, wenn auch seit langem verschüttet.

Die Frage, die wir uns stellen sollten, ist also nicht, warum heute wieder sanftere Methoden angewandt werden, sondern warum die brutalen Methoden überhaupt so eine Verbreitung finden konnten.

Ich denke, das liegt daran, dass wir Menschen automatisch von allem das einfach erscheint und ausserdem schnellen Erfolg verspricht, magisch angezogen werden. Und dabei leider sehr oft keinen einzigen Gedanken an die Konsequenzen unseres Handelns verschwenden, bis es zu spät ist.

Aber kommen wir nun zum Punkt, bzw. zum Baby und dem (Ein-)Schlafen.
Auch hier müssen wir etwas weiter in der Geschichte zurückgehen, um das ganze im grösseren Zusammenhang sehen zu können.

Man möchte meinen, die Kleinen schreien zu lassen bis sie endlich schlafen, wäre die einfachste und somit älteste Methode, den Kindern zum Nachtschlaf zu verhelfen. Ach was, Methode, es wäre das natürlichste auf der Welt. Das haben unsere Ur- Urahnen schon so gemacht, als sie noch in Höhlen hausten.

Auch hier muss ich sagen: Nein, das halte ich für sehr unwahrscheinlich.

Warum?
Weil bis vor kurzem , sprich 20. Jahrhundert, die überwältigende Mehrheit der Weltbevölkerung gar nicht vor dem Problem stand, abends in einem separaten Zimmer ein schreiendes Kind in einem separaten Bettchen liegen zu haben. Das ist eindeutig ein Problem der Industrialisierung, das unsere „Wohlstandsgesellschaft“ noch verschärft hat.
Man braucht nur einen Blick auf Gesellschaften / Bevölkerungsteile zu werfen, die in einfacheren / ärmeren Verhältnissen leben. Die Babys verbringen den Tag meist Körper an Körper mit ihrer Mutter oder Geschwistern und in der Nacht teilt sich die Familie ein Zimmer / Zelt / Pfahlhaus, wenn nicht sogar ein Bett. Keines der Kleinen kommt in die Verlegenheit wie am Spiess danach schreien zu müssen, nicht alleine gelassen zu werden.

Damit will ich nicht propagieren, wir sollten unsere Gesellschaft, so wie sie heute besteht, auflösen und zu diesen Zuständen zurückkehren. Natürlich nicht.
Es sollte uns aber zum Nachdenken anregen, wenn wir darüber entscheiden, was das beste für unsere Kinder ist.

Herr Ferber (Kinderarzt und bekannt für oben beschriebene „Einschlafhilfe“ Nr. 1) hat seine Methode, wie von ihm selbst immer wieder hervorgehoben, nicht für die Allgemeinheit, sondern für spezielle Härtefälle, entwickelt. Dass sie trotzdem zu einem gefundenen Fressen für unsere Gesellschaft wurde, ist nicht verwunderlich, wenn wir die magischen Anziehungskraft der Formel „einfach anzuwenden“ und „schneller Erfolg“ berücksichtigen.

Bleibt als letztes also nur noch die Frage, um die sich die Diskussion eigentlich dreht: Ist das Ferbern schädlich für mein Kind? Oder füge ich ihm dadurch, dass ich es nicht alleine schreien lasse, vielleicht sogar noch mehr Schaden zu, weil ich es verwöhne und zu einem unselbstständigen Menschen erziehe?

Tja, leider gibt es da keine wissenschaftlichen Untersuchungen. Aber auch wenn es manchen gewagt erscheinen mag, Tiere und Menschen zu vergleichen, so denke ich doch, dass man durchaus Parallelen ziehen kann.

Wird ein Pferd eingebrochen, kann man es zwar rasend schnell an Sattel und Zaumzeug gewöhnen, aber viele Tiere verlieren dabei auch jegliches Vertrauen. Das äussert sich später z.B. in übertriebener Ängstlichkeit und daraus folgender Angriffslustigkeit (Bedürfnis sich zu verteidigen).
Ich kann mich noch sehr genau an all die Pferde in den verschiedenen Reitschulen mit ihren (oft gefährlichen) Macken erinnern. Auch ich wurde getreten und gebissen. Natürlich können diese psychischen Störungen / Fehlverhalten vielerlei Ursachen haben, aber die damalige Methode die Tiere einzureiten, war und ist sicherlich eine davon.

Ich habe seit zwanzig Jahren mit Pferden zu tun und die Situation hat sich inzwischen extrem gebessert. In den meisten (pferdefreundlichen) Ställen, die ich kenne, gibt es kein einziges Tier, das ein angriffslustiges Verhalten gegenüber Menschen zeigen würde. Es sei denn es wurde von draussen eingekauft und hat keine schöne Vergangenheit.

Angemerkt sei noch: Ich behaupte mit diesen Ausführungen nicht, dass alle Pferde, die eingebrochen wurden, eine seelische Störung davongetragen haben. Ein Grossteil hat das ganze früher oder später weggesteckt. Genau so wie viele Kinder die "geferbert" werden, das ganze ohne sichtbare spätere Probleme verarbeiten.

Zu leugnen ist jedoch nicht, dass das „Einbrechen“ von Kind (denn etwas anderes ist es meines Erachtens nicht, wenn man ein Baby so lange schreien lässt, bis es aufgibt, man bricht seinen Willen) oder Tier bei beiden zu Problemen führen kann.

Als Eltern sollte man sich also überlegen, ob man dieses Risiko in Anbetracht der über Jahrtausende hinweg verlaufenen Entwicklung des Menschen und seinen daraus resultierenden Bedürfnissen, eingehen will.

So viel dazu. Ich habe meine Entscheidung schon vor langem getroffen und habe meine Meinung dieses einzige Mal kundgetan, weil ich das Gefühl hatte, das alles müsste mal gesagt werden. Habe mich aber in der Vergangenheit und werde mich auch in Zukunft sicherlich an keiner Diskussion zum Thema beteiligen.
Natürlich würde ich mich freuen, jemand mit auf meine Seite ziehen zu können, weil ich einfach das Gefühl habe, dass es die richtige ist. Aber jeder weiss selbst am besten, was gut für ihn und seine Kinder ist.
Deshalb Leute, informiert euch umfassend und trefft eure eigenen Entscheidnungen. Mehr könnt ihr nicht tun. Wenn ihr zu dem steht, was ihr macht, wird alles gut, egal auf welche Weise ihr es anpackt.

Also nix für ungut.
LG
Azahar

 
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