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Geschrieben von wilma68 am 06.04.2007, 9:22 Uhr

Wir haben die Qual der Wahl

Hi Martha,

hab' den Thread im Aktuell gesehen und möchte dir auch meine Erfahrung mit einer I-Gruppe im Kiga schreiben... wenn es dich interssesiert... *ggg*

Ich war auch total begeistert von dem Gedanken, dass Sönke seine eigentlich eh schon sehr gut entwickelte soziale Kompetenz weiter ausbauen könnte... er hat von ganz klein an gerne geholfen, geteilt und sich mit j e d e m beschäftigt. Es gab, so weit ich mich erinnere, max. 10-12 Menschen in seinem Leben, auf die er verzichten konnte... kurz, er wäre, fand ich, ideal in einer I-Gruppe aufgehoben... Zudem hatte er ja schon 2,5 Jahre Kiga-Erfahrung in einer Krippengruppe gemacht.

Es kam zum totalen Desaster... absolute Unterforderung durch wenig und ungeeignete Angebote sind nur eine Andeutung dessen, was da ablief... die anerkannten Kinder im ersten Kiga-Versuch waren alle deutlich entwicklungsverzögert und so wurde die gesamte Angebotspalette auf deren Niveau herunter geschraubt... eigentlich sogar noch niedriger angesetzt:

- 8(!) Wochen Windowcolours zum Thema "Findet Nemo", wobei die "bauchnabelfreien" Praktikantinnen die Bilder vorbereiteten, sodass die Kinder nur noch große Flächen ausmalen durften... jeder Kunsttherapeut schlägt da die Hände über dem Kopf zusammen...

- die Ergo wurde von einer schwerhörigen KG durchgeführt, die nur noch ein Jahr bis zur Rente hatte und die Kinder aus der Gymnastikstunde warf, wenn sie lachten, weil sie dann nicht mehr hören könnte, ob ein Kind sich verletzte...

- es wurde nie(!) in den 100m hinter dem Kiga liegenden riesigen Wald gegangen, obwohl kein körperbehindertes Kind in der Gruppe war, aber eine I-Gruppe kann ja wegen der anerkannten Kinder nicht in den Wald...

und Vieles mehr.

Obwohl ich nach wie vor der Meinung bin, dass selbst die anerkannten Kinder (irgendwie fällt es mir bei den Einschränkungen dieser Kinder fast schwer von Behinderungen zu sprechen)von diesem "Nicht"-Konzept unterfordert waren, kann ich für mich nur feststellen, dass der Grundgedanke einer Integration zwar sehr schön anmutet, die Umsetzung aber zwangläufig von der Qualität der Pädagogen abhängt. Ob die Konzepte so umgesetzt werden, wie sie auf dem Papier scheinen, ist eben im Vorfeld nicht zu erkennen. Desweiteren denke ich, dass es ein Riesenunterschied ist, ob in einer I-Gruppe oder I-Klasse körperlich behinderte Kinder sind, oder ob die Behinderungen eher geistiger Natur sind...

Die Folgen für Sönke waren gravierend: zunächst wurde i h m eine Entwicklungsstörung unterstellt und es sollten an ihm verschiedene "Konzepte" getestet werden... hierzu sollte ich unterschreiben, dass ich die Vorgehensweise der Erzieherinnen anerkenne und nicht hinterfrage (!!!) oder mein Kind eben aus dem Kiga nähme. Letzteres habe ich dann entsetzt getan... Auch die Mutter seines Freundes nahm ihren Sohn sofort aus diesem Kiga (sie ist selber Erzieherin!!!)... Verzweifelt ob Sönkes Veränderung - er nässte nachts ein, wollte nicht mehr alleine und im Dunkeln schlafen - wandte ich mich an das Gesundheitsamt und an eine vom Kultusministerium beauftragte Dame, die sich um hochbegabte Kinder im Vorschulalter kümmerte. Erster Ansatz war dann, dass Sönke in einen anderen Kiga gehen sollte, damit er verschiedene Traumata wieder lösen könnte... Verschlimmbessern trifft ungefähr die weitere Entwicklung, weil dieser Kiga nun die Chance sah, den freien und äußerst lukrativen I-Platz besetzen zu können, wodurch der Amtsarzt vom Gesundheitsamt sich mit den Damen in die Wolle bekam... Sein Rat: da Sönke auch bei meinen Eltern bleiben konnte, sollte er unbedingt aus dem Kiga genommen werden... ein Jahr später und wieder stabilisiert, machte Sönke dann auch den IQ-Test bei diesem Kinderpsychiater und galt somit auch offizell als hochbegabt, denn lesen, schreiben und rechnen konnte er ja schon weitestgehend, als er in die I-Gruppe kam... Das geschah in der Woche, als er starb...

Ich bin mir aber sicher, dass die Zeit in den I-Gruppen für ihn der absolute Horror war. Sein letztes Jahr war er so glücklich...

Ach... inzwischen weiß ich, warum er Angst vor Dunkelheit und Einsamkeit hatte: als er sich weigerte zum x-ten Male Windowcolours zu machen, ist er aus der Gruppe gerannt, eingefnagen und in eine mit Chemikalien gefüllte fensterlose Besenkammer gesperrt worden... das haben mir zwei andere Erzieherinnen des Kiga kurz vor Sönkes Tod erzählt...

Also, Martha, mein Fazit: wenn dein Kind auch nur ansatzweise gut entwickelt ist, könnte es sein, das es in der I-Klasse nicht so gut aufgehoben ist...

LG, W

 
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