Rund ums Kleinkind - Forum

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Geschrieben von elamaus am 16.12.2004, 8:38 Uhr

an mariakat

Guten Morgen,
bitte nur mal den unteren Bericht lesen. Steht u.a. auch was zu finanzieller Unterstützung in anderen Ländern da. Und diese Länder meinte ich auch eigentlich(dort wollen wir irgendwann mal leben - weil familienfreundlicher!).
MFG elamaus

Alterung und Abnahme der Bevölkerung sind vor allem das Ergebnis der niedrigen Kinderzahlen der vergangenen Jahrzehnte und eines sich daraus seit den 1970er Jahren ergebenden Geburtendefizits. Es ist deshalb für wirksame Maßnahmen einer aktiven Familienpolitik zu plädieren.

Der Anteil der kinderlosen Frauen nimmt in Deutschland deutlich zu, er liegt derzeit bereits bei über 30 Prozent. Kinderwünsche in der Ehe werden in abnehmendem Maße realisiert. Es ist eine Entkoppelung von Ehe und Geburten zu verzeichnen. Viele Eltern begnügen sich mit einem Kind, doch folgt die Mehrzahl der Familien noch immer dem Zwei-Kind-Ideal. Nur jede zehnte Familie hat drei oder mehr Kinder.

Das durchschnittliche Alter der Mütter bei der Geburt des ersten Kindes ist in Ostdeutschland im vergangenen Jahrzehnt um drei Jahre auf 27,9 angestiegen, in Westdeutschland von 27,1 auf 28,7 Jahre.

Für den Rückgang der Kinderzahl pro Frau gibt es viele Erklärungen: Als gesamtgesellschaftliche Ursachen werden etwa die Relativierung traditioneller Werte und Normen, individuellere Lebensformen, die wachsende Zahl von Ehescheidungen sowie die Rücksichtslosigkeit und Kinderfeindlichkeit der Gesellschaft genannt. Bei den individuellen Motiven werden u.a. die sinkende Bereitschaft, über das eigene Leben hinauszudenken und erzieherische Verantwortung zu übernehmen wie auch die zunehmende Zentrierung der Lebensplanung auf das Arbeitsleben diskutiert. Da das individuelle Lebensrisiko im Sozial- und Wohlfahrtsstaat abgesichert ist und traditionelle familiäre Aufgaben wie Pflege im Alter von staatlichen Einrichtungen übernommen werden, besteht unter materiellen Gesichtspunkten kein Anreiz, eigene Kinder zu haben. Auf der anderen Seite ist aber empirisch belegt, dass ein Kinderwunsch bei der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung fortbesteht: Nur drei Prozent der Ehepaare geben zu Beginn ihrer Ehe an, keine Kinder haben zu wollen (Stellungnahme des Deutschen Familienverbandes).

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Eine der Hauptursachen für die niedrigen Kinderzahlen und die häufiger gewordene Kinderlosigkeit dürfte demnach die nach wie vor schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein. Die Infrastruktur für die Betreuung von Kindern ist unzureichend. Die bisherige Versorgung an ganztägigen Betreuungsangeboten für Kinder unter drei Jahren liegt bei nur zwei Prozent (Deutscher Bundestag 1998 a, S. 200). Dies ist in einer mobilen Gesellschaft, in der informelle Netzwerke wegbrechen und Familien mit Kindern in die Minderheit geraten, besonders problematisch. Entscheidend ist, eine für die Familien kostenverträgliche, geografisch gut erreichbare und verlässliche außerfamiliäre Infrastruktur für Kinder bereitzustellen, die auch individuellen Bedürfnissen gerecht wird. Ganztagsschulen werden von Eltern in zunehmendem Maß gewünscht. Eltern fühlen sich angesichts der unzureichenden öffentlichen Dienstleistung zunehmend überfordert. Dies wird durch steigende Lernanforderungen und die erschwerte Sozialisation in einer kinderarmen Gesellschaft noch verstärkt.

Derzeit ist die Anzahl der Kinder pro Paar in Europa in den Ländern am höchsten, in denen bei hoher Erwerbstätigkeit der Frauen eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegeben ist (Kohler 2000, S. 10). Dort sind die Arbeitswelt familienfreundlich gestaltet und eine institutionelle Kinderbetreuung gewährleistet.

Wenig familienfreundliche Gestaltung der Arbeitswelt

Eine Ursache für den zunehmenden Kindermangel ist in der Arbeitswelt zu suchen: Je länger Frauen zur Kindererziehung aus dem Erwerbsleben ausscheiden, desto stärker sind die Auswirkungen auf ihre berufliche Laufbahn, ihr Erwerbseinkommen und ihre Rentenhöhe. Nach drei Jahren Unterbrechung sinkt der Durchschnittslohn einer berufstätigen Frau lebenslang um 3,50 DM pro Stunde (Anhörung von Frau Prof. Dr. Notburga Ott). Die beruflichen Anforderungen steigen und sind immer weniger mit den Anforderungen an eine verantwortliche Erziehung vereinbar. Das Verständnis für die besondere Situation von Eltern nimmt mit dem Rückgang des Anteils der Personen mit Erziehungserfahrung in den Unternehmen ab. Die eingeschränkte räumliche Mobilität und Flexibilität von Erziehenden schadet ihrem beruflichen Fortkommen. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass mittlerweile über 40 Prozent der hoch qualifizierten Frauen in Deutschland kinderlos bleiben.

Finanzielle Belastung von Familien

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist die finanzielle Belastung von Familien. Die Erziehungskosten pro Kind werden allein bis zum 18. Lebensjahr durchschnittlich auf 380.000 DM geschätzt, entgangene Einkommenschancen nicht eingerechnet (Fünfter Familienbericht der Bundesregierung 1994). Der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen geht sogar von 576.000 DM aus. Das Armutsrisiko nimmt mit zunehmender Kinderzahl zu. Eine Million Kinder leben heute von der Sozialhilfe (Deutscher Bundestag 1998, S. 609). Viele Familien mit Kindern sind überschuldet. Nach einer Berechnung des Deutschen Familienverbandes nimmt das nach Abzug von notwendigen Ausgaben wie Miete, Kleidung und Essen verfügbare Einkommen mit zunehmender Kinderzahl rapide ab. In einem Durchschnittsverdienerhaushalt mit 60.000 DM Jahreseinkommen beträgt es nach dieser Berechnung bei einem kinderlosen Ehepaar 14.580 DM. Einer Familie mit zwei Kindern stehen noch insgesamt 1 800 DM pro Jahr zur freien Verfügung, und bei vier Kindern fehlen bereits über 10.000 DM gemessen am Mindestregelunterhalt.

Problematisch ist auch das Maß der Anrechnung der Erziehungsleistung auf die eigene Alterssicherung. Derzeit führt die Investition in die nächste Generation tendenziell zu einer deutlichen Schlechterstellung bei der eigenen Einkommenssituation im Alter. Nach Angabe des Deutschen Familienverbandes verfügen Ehepaare ohne Kinder durchschnittlich über Rentenansprüche von 3 382 DM, Ehepaare mit drei und mehr Kindern nur über Anwartschaften von 2 490 DM pro Monat.

Reform der Familienpolitik notwendig,gleichwohl begrenzte bevölkerungspolitische Wirkung

Es sind durchgreifende Reformen in der Familienpolitik notwendig, um Paaren die Verwirklichung ihrer Kinderwünsche zu erleichtern. Die finanzielle Besserstellung von Familien mit Kindern ist ein Gebot der Verteilungsgerechtigkeit. Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf würde dazu beitragen, dass dem Arbeitsmarkt mehr Frauen zur Verfügung stünden, und es den Familien ermöglichen, ein zweites Erwerbseinkommen zu erzielen. Stetigkeit und Verlässlichkeit der staatlichen Familienpolitik sind erforderlich, um langfristig Verbesserungen zu erzielen. Dass Erfolge grundsätzlich möglich sind, zeigt ein Blick nach Skandinavien und Frankreich, wo die Anzahl der Kinder pro Frau deutlich über dem deutschen Niveau liegt. In Dänemark, Schweden und Frankreich gibt es umfangreiche finanzielle Unterstützung für Familien mit Kindern und eine gute Infrastruktur für die ganztägige Kinderbetreuung.
Die Kommission empfiehlt,

durchgreifende Reformen der Familienpolitik in Angriff zu nehmen mit dem Ziel, dass vorhandene Kinderwünsche auch realisiert werden. Dabei geht es vorrangig darum, es Eltern zu erleichtern, die Betreuung und Erziehung von Kindern mit einer Erwerbstätigkeit zu verbinden. Große Bedeutung haben die Einrichtung eines flächendeckendes Netzes von Ganztagsbetreuungsmöglichkeiten und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für personen- und haushaltsbezogene private Dienstleistungen. Der sozialstaatliche Ausgleich und die steuerliche Berücksichtigung erziehungsbedingter Aufwendungen sollten realitätsgerecht ausgestattet und transparenter gestaltet werden.

Der Trend zu niedrigen Kinderzahlen pro Familie besteht in fast allen hochentwickelten Staaten. Eindimensionale Begründungen für dieses Phänomen greifen zu kurz. Selbst langfristig dürfte der bevölkerungspolitische Erfolg familienpolitischer Maßnahmen daher nur begrenzt sein. Der Schrumpfungsprozess lässt sich allenfalls teilweise beeinflussen, da entscheidende Weichen für die künftige Bevölkerungsentwicklung bereits in der Vergangenheit gestellt wurden. Niedrige Geburtenzahlen der Vergangenheit bewirken, dass es nun und zukünftig in Deutschland weniger potenzielle Eltern gibt als in den 1980er und 1990er Jahren. Dies macht einen weiteren Rückgang der Gesamtzahl der Geburten sehr wahrscheinlich. Dies gilt auch dann, wenn es durch familienpolitische Maßnahmen und ein flächendeckendes Angebot an Kinderbetreuung zukünftig wieder etwas mehr Kinder pro Familie geben sollte. Die Geburtenzahlen früherer Generationen werden in Deutschland im 21. Jahrhundert nicht mehr erreicht werden können.

 
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