ADHS - ADS

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Geschrieben von Dezemberbaby2012 am 15.02.2020, 15:11 Uhr

ich halte es nicht mehr aus

Liebe Somane,

fühl dich erstmal ganz doll gedrückt, wenn du magst!

Das hört sich wirklich sehr belastend im Moment für dich an. Finde ich auch total verständlich, dass du dich da im Moment ein bisschen überfordert fühlst. Auch wenn es dir sicher schwer fällt, musst du jetzt dringend an dich denken. Für mich klingt es so, als ob da eventuell ein beginnender Burnout bei dir vorliegt (mein Mann hatte letztes Jahr einen und daher bin ich da ein bisschen sensibilisiert). Ich würde dir dringend raten, so bald wie möglich einen Psychiater aufzusuchen (wegen Abklärung und eventuell auch Medis) und dich parallel prophylaktisch schonmal um einen Therapieplatz bei einem guten Psychotherapeuten (Berufsbezeichnung bei uns in D „Psychologischer Psychotherapeut“, möglichst mit Erfahrung in Verhaltenstherapie) zu „bewerben“. Die haben bei uns so unendlich lange Wartezeiten, dass es schonmal 6-12 Monate dauern kann, also lass dich notfalls auf eine Warteliste setzen. Absagen kannst du dann immer noch, wenn du merkst, dass du doch keinen Bedarf mehr hast.

Dass du dich mit den Tabletten deines Mannes „aufputscht“ finde ich verständlich, aber kontraproduktiv. Für mich hört sich das eher nach einer beginnenden Depression (im Rahmen eines Burnouts) an und dann wären Antidepressiva eigentlich die bessere Wahl. Die würden dich im besten Falles insgesamt beruhigen, dass du dich nicht so gestresst fühlst, die traurigen, hilflosen Gedanken sich aufhellen und du auch erholsamer schlafen kannst (falls das ein Problem bei dir ist).

Vielleicht kannst du sogar eine Kur/Reha oder einen begrenzten stationären Aufenthalt in einem auf Burnout spezialisierten Krankenhaus machen? Meine Schwester (belastender Beruf) hat so eine Anti-Burnout-Kur schon zweimal gemacht und sie konnte dabei sehr gut ihre Batterien aufladen und Stressresistenz verstärken. U.u. kannst du den Kleinen auch mitnehmen, ich weiss nicht, wie da in der Schweiz die Gesetzeslage ist. Vielleicht könnt ihr auch beide zeitgleich therapiert werden? Oder du lässt es alles über den Kleinen laufen (z.B. stationäre Therapie wegen ADHS) und gehst nur als Begleitung mit und versuchst in der Zeit selbst etwas herunterzukommen.

Noch ein wichtiger Gedanke: Du hörst dich so an, als ob die liebevollen Gefühle für deinen Mann verschwunden sind und denkst an Trennung. Bei einer Depression/Burnout verschwinden oft die Gefühle. Man ist einfach nicht mehr fähig Liebe zu spüren. Das ging mir auch einmal so. Eventuell sind die Gefühle für deinen Mann nicht wirklich weg, sondern nur gerade temporär verschwunden. Eine Trennung wäre dann vorschnell, idealerweise könntest du das im Rahmen einer Therapie klären, was da noch an Liebe ist, was du brauchst, um wieder glücklicher und zufriedener zu werden. Vielleicht sieht eine Trennung jetzt wie eine einfache, schnelle Lösung aus, aber angesichts deiner drei Kinder und der Schuldgefühle, die du jetzt schon andeutest, würde es sich eventuell anbieten, diese Entscheidung im Gespräch mit einem unbeteiligten Dritten (Psychotherapeut o.ä.) zu diskutieren.

Vielleicht würde euch auch zunächst eine Paarberatung/Paartherapie ein kleines Stück weiterbringen? Die sind ja meistens wesentlich schneller und einfacher zu bekommen als eine Psychotherapie. Nur um überhaupt schon einmal aktiv zu werden, um sich klar zu werden, wo ihr steht, auch um deinem Mann das Problem bewusst zu machen. Auf jeden Fall solltest du meiner Meinung nach schnell und intensiv das Gespräch mit deinem Mann suchen (falls du das noch nicht getan hast.) Vorher stichpunktartig aufschreiben, was dich im Moment belastet, welchen Anteil er daran hat (also welches Verhalten von ihm konkret für dich schwierig ist), und was du dir von ihm wünschen würdest. Hör auch ihm zu. Ist er einsichtig? Wie sieht er die Gesamtsituation? Ist er gewillt, weitere Schritte und Anstrengungen zu unternehmen, um die Probleme zu beseitigen/zu verringern (z.B. dich mehr unterstützen, Verhaltenstherapie machen, Medis neu einstellen lassen, Kur/Reha/stationärer Aufenthalt?) Dann klarmachen, wie ernst es dir ist. Dass du bereits an Trennung denkst, weil du einfach keinen anderen Ausweg mehr für dich siehst.

WAS DU MEINER MEINUNG NACH JETZT AUF KEINEN FALL TUN SOLLTEST:
So weitermachen wie bisher. Hoffen, dass sich die Probleme von selbst auflösen. Denken, du darfst dich nicht um dich selbst kümmern, weil zu Hause dann alles völlig zusammenbricht. Und es dann womöglich nur noch schlimmer wird. Denken, du darfst deine Kinder jetzt nicht „im Stich“ lassen, musst weiter für sie funktionieren. Oder dass du dich womöglich mit Stimulanzien, Alkohol etc. selbst behandeln kannst.
All das sind typische Burnout-Gedanken. Die das Problem langfristig nur verschlimmern. Wenn du erstmal ganz ausfällst, ist deinen Kindern nicht geholfen. Du kannst nur stark für sie sein, wenn du selbst stark bist. Kümmer dich um deine eigene seelische Gesundheit! JETZT!

Und langfristig würde ich mich definitiv aus dem Betrieb deines Mannes zurückziehen. Zu viele Kämpfe an zu vielen Fronten. Und an allen ist dein Mann irgendwie auch dein „Gegner“, das kann eine Beziehung ja gar nicht überleben. Kannst du vielleicht woanders arbeiten und dir so etwas eigenes aufbauen? Schon alleine, um auch mal rauszukommen, etwas anderes zu sehen?

Als Soforthilfe fiele mir noch ein: Gibt es bei euch die Möglichkeit, einen Pflegegrad für ADHSler zu beantragen? Vielleicht könnt ihr mit dem Pflegegeld eine Haushaltshilfe o.ä. zu deiner Entlastung finanzieren? Oder eine Erziehungshilfe o. Kinderbetreuung o. Hausaufgabenbetreuung. Als freiverkäufliches Medikament könntest du es mit hochdosiertem Johanniskraut aus der Apotheke versuchen (nicht aus der Drogerie, die sind anders aufbereitet und wirkungsärmer trotz gleicher Dosierung). Vielleicht noch Magnesium dazu (entspannt die Muskeln). Für die Seele und den Geist kann ich Achtsamkeit empfehlen. Sprichst du gut englisch? Es gibt ein tolles amerikanisches Buch von Jon Kabat-Zinn („The Mindful Way through Depression“) dazu. Auch ohne Depression sehr lesenswert und als Hörbuch liest es sich abends im Bett quasi von selbst. Vielleicht gibt es das auch als Übersetzung, das weiss ich jetzt nicht genau. Das Prinzip der Achtsamkeit finde ich persönlich jedenfalls sehr hilfreich. Das alleine wird allerdings in deiner Situation wahrscheinlich nicht reichen. Ich denke, da muss man an mehreren „Stellschrauben“ drehen, also mehrere Sachen verändern. Ich kann nur empfehlen, nicht mehr abzuwarten, denn je tiefer man in einen Burnout hineingerät, desto schwerer wird es, wieder herauszufinden. Ich wünsche dir ganz viel Kraft dazu!

Liebe Grüße

Dezemberbaby

 
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