Die Geburt

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von SternchenRya  am 27.01.2022, 21:42 Uhr

Geburtsverarbeitung

Da bei mir jetzt die dritte Geburt ansteht, wird mein Bedürfnis größer, die zweite zu verarbeiten. Daher hier mein Bericht... Könnte länger werden.

Mein Sohn wurde im August 2020 geboren. Meine Tochter, mein erstes Kind, kam per Kaiserschnitt, daher hatte ich noch keine Geburtserfahrungen.
Weil ich schon 37 bin, Schwangerschaftsdiabetes und Übergewicht hatte, war ich eine Risikoschwangere und mein Kleiner wurde mehrmals als makrosom vermessen. Wir wählten also ein großes Klinikum mit Perinatalzentrum I, um auf Nummer sicher zu gehen. Geplant war ein Kaiserschnitt, weil ich seit meiner Kindheit an dissoziativen Ohnmachtsanfällen bei starken oder plötzlichen Schmerzen leide.
Während einer Untersuchung im gewählten Klinikum wurde festgestellt, dass meine Insulindosen absurd hoch waren und man nahm mich spontan auf. Dieser Aufenthalt war einfach nur super! Alle nahmen mich ernst, der Diabetologe wusste, wovon er redete, die Ernährungsberatung gab mir einen Plan an die Hand, mit dem ich wirklich leben konnte und ich verließ nach einer Woche die Klinik wieder, voller Zuversicht für die Geburt und mit dem Entschluss, es doch mit einer natürlichen Geburt zu versuchen.
Ich vertraute meinem Baby und dem Team und die Unsicherheit bezüglich meiner Anfälle war mir, durch Zusage einer guten Schmerztherapie und Betreuung, genommen. In der 38. Woche stieg dann mein Blutdruck stark an und ich fuhr zur Sicherheit wieder in die Klinik. Erneut fühlte ich mich gut aufgehoben und der Blutdruck sank. Dennoch hatte ich ein ungutes Gefühl, weiter auf Wehen zu warten - ich ging davon aus, mein Kind wäre sehr groß, außerdem war die Plazenta stark verkalkt und die Vertretung meiner Frauenärztin hatte mich darauf aufmerksam gemacht, dass es bei älteren und übergewichtigen Schwangeren kurz vor und ab dem ET viel häufiger zu Totgeburten käme. Meine Angst stieg von Tag zu Tag und ich bat um eine Einleitung, die bei erreichen der 39.SSW auch per Prostaglandin erfolgte. Bei der ersten Dosis geschah nichts. Nach der zweiten spürte ich ein leichtes ziehen und bei der dritten, am Abend, setzten die Wehen ein. Um 22 Uhr hatte ich ein CTG zur Kontrolle und zu diesem Zeitpunkt zog es schon ordentlich, was ich erwähnte. Die Hebamme meinte, mit Blick auf das CTG, das seien noch keine Wehen aber ich könne ein Buscopan Zäpfchen haben. Man schickte mich zurück auf mein Zimmer, das ich mit einer frisch gebackenen Mama und ihrem Säugling teilte. Die Wehen wurden stärker, kamen häufiger und gegen Mitternacht stand ich erneut auf der Entbindungsstation und bat um etwas gegen die Schmerzen. Die Hebamme schrieb wieder ein CTG, diesmal eine andere, und meinte dann, sehr verächtlich : "das ist doch gar nichts. Das wird noch viel schlimmer, wenn die Geburt erst richtig losgeht!" Ich bekam erneut ein Buscopan Zäpfchen. Und Angst.
Auf meinem Zimmer versuchte ich, so leise wie möglich und im Dunkeln, um Mama und Kind nicht zu stören, mit den Wehen umzugehen. Ich versuchte, tief zu atmen, veränderte meine Position im Bett (knien, hocken, Seitenlage...) so gut ich konnte und ging gefühlt 500 mal zur Toilette, einmal, weil ich Bewegungsdrang hatte und außerdem, weil das Köpfchen meines Sohnes auf seinem Weg nach unten alles, was keine Miete zahlt, aus mir herausdrückte.
Gegen 3,ich weiß nicht mehr genau, hielt ich es nicht mehr aus. Es tat so unglaublich weh! Und es hörte auch nicht auf... Alle 5 Minuten oder öfter kam eine Schmerzspitze, aber dazwischen gab es keine Entspannung,es tat einfach nur etwas weniger weh. Ich vermute, dass das ein Wehensturm war, aber ich kann es nicht wissen, denn ich war ja alleine und erstgebärend. Jedenfalls habe ich mich dann irgendwie an der Wand entlang erneut zum Kraissaal bewegt.
Dort flehte ich die Schwester /Hebamme? (wieder eine andere) an, einen Kaiserschnitt zu veranlassen, weil ich es nicht mehr aushielte. Und die sagte... "Im Moment sind keine Ärzte da, es ist ja Nacht. Die kommen erst morgens um 6 wieder."
Ich, vor Schmerz nicht mehr ganz klar im Kopf, nickte nur und wankte zurück aufs Zimmer. Dann lag ich dort auf der Seite, starrte in den Himmel und dachte die ganze Zeit " ich muss bis um 6 durchhalten. Bis die Sonne aufgeht. Bis um 6..." diese Stunden sind sehr verschwommen in meiner Erinnerung, als stünde ich unter Drogen und wäre nicht mehr ganz bei mir, obwohl ich nichts, aber auch gar nichts, nicht mal weiteres Buscopan, bekommen hatte.
Irgendwann spürte ich einen starken Druck nach unten, ging wieder ins Bad und mein Körper begann zu pressen. Mit einem kinoreifen Schwall platzte die Fruchtblase, aber ich kam nicht auf die Idee, erneut um Hilfe zu bitten und schaffte es gerade noch zurück ins Bett, weil ich plötzlich nicht mehr laufen konnte.
Mittlerweile war meine Zimmergenossin wach und klingelte für mich nach der Schwester. Als diese ins Zimmer kam, guckte sie ziemlich erschrocken und meinte etwas wie, ich sehe ja aus wie ein Gespenst.
Mit einem Rollstuhl schob sie mich auf die Entbindungsstation und in einen kleinen CTG Raum. Wehen hatte ich angeblich immernoch keine, aber oh Wunder, man sah schon das Köpfchen meines Sohnes! Jetzt wurde es hektisch und ich wurde in eine Klokabine mit Entbindungsbett verlegt. Sie versuchten, mir über den Tropf etwas zu geben (Schmerzmittel?) aber der Zugang war dicht. Daraufhin versuchen sie an allen möglichen Körperstellen, einen weiteren Zugang zu legen, aber alle meine Venen hatten sich zurückgezogen und es ging einfach nicht. War mir aber recht egal, ich spürte die Stiche ohnehin kaum, sie waren einfach nichts gegen den anderen Schmerz.
Dann versuchten sie, nochmal ein CTG zu schreiben, was aber nicht mehr gelang, also machten sie irgendetwas sehr unangenehmes am Köpfchen meines Sohnes, rollten mich hin und her, überall hatte ich irgendwelche Kabel, sodass ich mich kaum mehr bewegen konnte, obwohl ich den Drang hatte, die Rückenlage zu verlassen... Ich konnte so einfach nicht richtig pressen.
Irgendwann meinte die Ärztin, sie müsse jetzt schnell zu einer anderen Geburt, und spritzte mir einen Wehenhemmer.
Danach hatte ich ein paar schmerzfreie Minuten, aber es fühlte sich falsch an. Als sie wiederkam, bekam ich etwas, das die Wehen wieder in Gang bringen sollte, aber so richtig klappte das nicht, sie waren jetzt schwächer. Dann wurden die Herztöne meines Kleinen schwächer, eine Hebamme warf sich auf meinen Bauch und drückte und die Ärztin holte in aller Eile die Saugglocke.
Es tat höllisch weh, es war ein Gefühl, als würde ich geschlachtet. Ich schrie und heulte, sie sollten einen Kaiserschnitt machen und die Ärztin schrie zurück, es ginge jetzt um das Leben meines Babys!
Das war ein Moment, den ich mit Sicherheit nie mehr vergesse, weil ich in diesen Sekunden spürte und entschied, dass ich mir selbst egal bin, wenn es um das Leben meines Kindes geht. Sollen sie mich doch verstümmelt töten, egal, Hauptsache, mein Kind lebt. Ich ließ alles los, die Ärztin konnte die Glocke befestigen und alle zusammen brachten wie meinen Sohn auf die Welt - er kam, nachdem ich das Gefühl hatte, zu explodieren, weil einfach alles rundum einriss.
Die Nabelschnur lag zweimal um seinen Hals, aber er hat alles gut überstanden, ist heute ein glückliches, freundliches kleines Kerlchen.
(und er war 51cm groß und 3,300g schwer - also keinesfalls markrosom)

Aber diese Geburt... Niemals vorher habe ich mich so alleine gefühlt und auch nie so überwältigt. Was letztlich zählt, ist, dass niemand bleibende Schäden erlitten hat. Und obwohl es eine Nacht des Horrors war, fühlt es sich nicht an wie ein Trauma; ich habe keine besonderen Ängste vor der nächsten Geburt, aber ich weiß genau, was ich diesmal anders mache.
Zunächst einmal wird es ein anderes Krankenhaus, denn eine gute Gynäkologie gleicht eine miese Geburtsstation leider nicht aus. Und zweitens werde ich meinen Mann von Anfang an in meiner Nähe behalten! Dass er wegen Corona nicht mit in den Kraissaal kann ist eine Sache, aber er kann dafür sorgen, dass meine Bedürfnisse ernster genommen werden, wenn ich nicht mehr klar im Kopf bin. Außerdem weiß ich jetzt mehr, zum Beispiel, dass ein CTG eben nicht das Maß aller Dinge ist. Und... Sollte ich wieder alleine zu den Presswehen kommen, dann gebären ich mein Kind dort, wo ich gerade bin, zur Not auch auf dem Klo! Wie einen Sack hin und her werfen und fesseln lasse ich mich nie mehr.
Nun ja. Wait and see...

 
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