1. Schuljahr - Elternforum

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Geschrieben von Bela66 am 26.03.2022, 11:19 Uhr

Immer wieder neue Verdachtsdiagnosen

Hallo,

bin Lehrerin und hatte beim Lesen einige Gedanken dazu, die ich einfach mal aufschreibe.

Ich würde jetzt eines nach dem anderen machen. Lass Dich innerlich nicht von den Problemen überrollen, sondern sortiere Dich ein wenig. Macht zuerst den geplanten Termin mit der Testung. Dann ein Gespräch mit einem Kinder- und Jugendpsychologen. Hier ruhig jetzt schon einen Termin ausmachen, die Wartezeiten sind oft lang.

Was die Frauen von der OGS sagen, ist leider nicht sehr aussagekräftig, denn hier arbeiten erfahrungsgemäß oft völlig Ungelernte. Es gibt einen so großen Mangel an Erzieherinnen, dass meist nur die Leiterin der OGS gelernte Erzieherinnen sind. Die meisten Mitarbeiterinnen haben andere Berufe oder gar keine Ausbildung. Dafür kann die OGS nichts, der Markt ist einfach komplett leergefegt mit qualifizierten Leuten.

Auch eine Ergotherapeutin kann natürlich weder eine ADHS- noch überhaupt eine Diagnose stellen, dafür ist sie nicht ausgebildet. Sie kann eine persönliche Einschätzung abgeben, aber das ist auch schon alles. Ich hatte auch schonmal einen Jungen mit (diagnostiziertem) ADHS in der Klasse, der nicht dem typischen Bild von ADHS entsprach, das Laien oft haben. Ich würde da noch nichts vorwegnehmen, sondern ADHS und LRS testen (beides tritt sehr oft zusammen auf).

Weißt Du, bei den Begebenheiten, die Du am Schluss erzählst (wo es um Aggressivität Deines Sohnes geht), muss man drei Dinge sagen: Zum einen ist es so, dass KEIN Kind zugibt, dass es andere Kinder bedroht hat. Schon Erwachsene können Fehlverhalten oft nicht oder schwer zugeben, ein Kind in diesem Alter kann dies noch überhaupt nicht, es will die unangenehmen Folgen unbewusst vermeiden und erzählt daher eine andere Version. Das ist nicht schuldhaft, es liegt am Alter und ist normal.

Zum zweiten sind es nicht die Einzelereignisse, die bedenklich sind, sondern die Häufung und ihre Gesamtheit. Wenn es mehrere solcher Schilderungen gibt, dann gibt es auch ein Problem. Wenn ein Kind immer wieder in Konflikt mit anderen Kindern gerät und hier gelegentlich (sicher nicht immer) auch mal von sich aus aggressiv ist oder jüngere Kinder gar bedroht, ist das ein Warnsignal. Ich habe beobachtet, dass dies vor allem Kinder mit nicht so gutem Selbstwertgefühl tun, aber auch Kinder, wo es zu Hause Probleme zwischen den Eltern gibt, egal welcher Art.

Das Dritte ist, dass wir Mütter unser Kind instinktiv natürlich in Schutz nehmen und anderen nicht glauben, wenn sie es anders schildern, als wir selbst es erleben. Wir hören sehr, sehr ungern Negatives über unser Kind und neigen dann dazu, das als Unwahrheit hinzustellen, oder sein Verhalten kleinzureden, es für „doch ganz normal“ zu erklären. Auch dir passiert das ja, und das ist völlig menschlich.

Das Problem ist, dass man seinem Kind damit nicht hilft. Man nimmt ihm und sich selbst damit die Chance, sein Verhalten als das zu erkennen, was es ist: nämlich ein Hilferuf. Nur wenn man bereit ist zu akzeptieren, dass an den Schilderungen der Lehrerin etwas dran ist, kann man auch konstruktiv handeln. Eben z. B. mit einem Gang zum Psychologen, aber auch mit einer Erziehungsberatung. Parallel ist es wichtig, ehrlich zu schauen, ob in der eigenen Partnerschaft alles gut ist. Manchmal ist es ein sehr dominanter Mann und Vater, der bei Jungs zu auffälligem Verhalten führt. Muss natürlich nicht so sein, ist nur ein Anstoß.

Mein Rat: Ziehe Deinen Plan durch, lasst Euch also beraten und helfen. Versuche, auch den Gedanken zu akzeptieren, dass am Verhalten Deines Sohnes etwas nicht in Ordnung ist, auch wenn nicht jede von der Lehrerin geschilderte Situation objektiv so gewesen sein muss. Es ist die Häufung, die auffällt und die eine Bedeutung hat, sieh hier nicht weg.

Konkret als Erste Hilfe empfehle ich ein allabendliches Bettkantengespräch: Besprich mit Deinem Sohn jeden Abend beim Insbettbringen, wie der Tag so war. Lasst alles Revue passieren: Zuerst war er in der Schule, später war dies, dann das, Ihr wart einkaufen, er hat gespielt usw. Dann fragst Du ihn beiläufig, was ihm heute am besten gefallen hat. Danach fragst Du, was heute besonders blöd war.

Egal, was er dann sagt, tröste es nicht reflexhaft weg, gib ihm keinen Rat, finde keine Lösung - höre nur zu. Das ist sehr wichtig. Kluge Psychologen haben beobachtet, dass Kinder oft selbst Strategien und Lösungen finden, wenn sie solche Dinge einfach nur erzählen dürfen. Das entlastet sie sehr, und der Aggressionspegel auch in der Schule sinkt dann merklich. Es hat mir auch bei meinen eigenen Kindern wahnsinnig geholfen.

Man muss aber am Ball bleiben. Die ersten Tage kommt oft wenig vom Kind bei diesen Gesprächen, es dauert eine Weile, bevor das Kind erzählt. Und dann kommt man oft aus dem Staunen nicht mehr heraus. Weil es nämlich Dinge beschäftigt oder belastet haben, von denen man das nie gedacht hätte bzw. die man selbst gar nicht auf dem Schirm hatte. Das ist sehr heilsam für Kinder.

LG

 
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