Rund um die Erziehung

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Geschrieben von solelo am 03.10.2007, 22:37 Uhr

@Cosma

Hallo Cosma,

mir ist aufgefallen, dass gerade das mit den Servietten eine Chance für dich wäre, ein Vorbild zu sein in Sachen "nicht so pienzig sein" :-) Du hattest ja auch eine Serviette, wahrscheinlich war die nicht verschmutzt. Stelle dir vor, du hättest gesagt: "Ach, nimm doch meine, ich nehme deine. Mir macht so ein kleiner Fleck nix aus". Dann hättest du auch nicht aufstehen müssen. Oder du hättest jemanden fragen können, der noch eine saubere Serviette hat, ob er zu tauschen bereit wäre. Man könnte ihm so zeigen, dass es für andere nichts wirklich schlimmes ist, eine unsaubere Serviette zu haben und dass man sich nicht so aufregen muss. Und dass man einfache Lösungen erfinden kann. Ansonsten beim nächsten Mal: "Na klar". Es gibt noch mehr Möglichkeiten: Wenn du sie wirklich nicht verschwenden ist (wenn das der Grund ist), dann könntest du sie theoretisch auch aufheben und dir beim nächsten Mal geben, ihm eine Neue geben. Du könntest damit wieder Vorbild sein, dass es echt nicht schlimm ist. Und: Kannst du dir vorstellen, dass er mit 15 immer noch keine mini-Flecken auf der Serviette toleriert? Das ist so absurd, dass du dir doch gar keine Gedanken machen brauchst, dass du ihn da irgendwie verziehen könntest.

Beim Reisverschluss: "Oh MANN, das ist ja echt ärgerlich, so ein Dreck aber auch." Nach einer Weile kannst du fragen, ob er Hilfe braucht. Empfinde einfach mit. Seit 4 Jahren würde er gerne endlich den Reisverschluss zu machen können, alleine – wie frustrierend muss das sein? Schimpfe mit "Wer erfindet den so was!?", sei blödsinnig, um die Lage zu entspannen: "Wieso empfindet keiner Jacken, die sich selbst zu machen per Knopf!?" und gib ihm Wörter und Tonlagen, die du angebrachter findest (das wird nicht gleich "funktionieren", aber es ist eine Art, wie du entspannter mit der Sache *umgehen* kannst). Auch hier kannst du also ein Vorbild sein in Sachen, wie man sich "umgänglicher" verhalten kann, wie man Luft raus lassen kann, ohne gleich ein Riesen Drama zu machen. Beim nächsten Jackenkauf achte wenn's geht darauf, dass er sie zu machen kann, beim Kaufen einfach gleich den Test machen. Ich würde eventuell sogar jetzt schon deswegen eine leichter zu handhabende Jacke für ihn kaufen, wenn es z.B. daran liegt, dass der Verschluss einfach schlecht verarbeitet ist (ist ja oft so).

Beim Eis – wenn es euer Budget und dein Gesundheitsgefühl erlaubt, dann halt noch eins. Das bedeutet vielleicht auch noch eins für die anderen Kinder, aber gut. Ich würde es machen. Aber wenn es mein Budget nicht erlauben würde, dann halt nicht. Dann kannst du sagen, das geht leider nicht, aber auch hier kannst du mitempfinden! Warst du schon Mal auf nem Geburtstag und die Torte war super lecker und du wolltest noch ein Stück.. und noch eins.. und noch ein halbes? (oder ähnliches Erlebnis) Tja, da hattest du das Glück, dass es kostenlos war – und auch angebracht, war ja schließlich eine Party, oder vielleicht sogar deine Party, dein Kuchen.

Oft leisten sich Erwachsene auch so den größten Luxus, den sie ihren Kindern nie erlauben würden, nur aus Angst, sie könnten ihre Kinder verziehen. Ich jedenfalls, wenn ich Lust auf noch ein Eis habe, dann kaufe ich mir halt noch eins. Ich kaufe auch einfach eine ganze Packung, wenn ich will und ich esse so viel ich will, denn ich bin frei. Es ist für ein Kind schwer zu verstehen, dass es nicht frei sein soll. Unsere Kultur widerspricht sehr häufig der menschlichen Natur, denn die Natur sorgt eigentlich für extremen Überfluss: Ein Apfelbaum erzeugt extrem viele Samen, und selbst wenn alle davon satt werden, einige Samen gekeimt sind, vermodern immer noch sehr viele Äpfel, die "ungenutzt" sind (gut, die essen dann die Würmer, es geht eigentlich nichts verloren. Aber für den Menschen bedeutet das eigentlich Überfluss und zwar auch in der Wüste).

Wenn du also schon dem Wunsch nicht nachkommen kannst, kannst du wenigstens mitfühlen: "Du hättest wirklich gerne noch ein Eis. Das kann ich verstehen. Das kann hart sein, das kenne ich " und du kannst ihm helfen, mit der Situation klar zu kommen, bei Kindern klappt das oft mit Humor: "Ha, stell dir vor, es gäbe Eis-Bäume – das wäre toll! Dann könnte man sich das einfach pflücken..." und so weiter. Man könnte dann spinnen, was passiert, wenn die Sonne scheint und alles schmilzt und die Leute dann auf der Soße ausrutschen oder kleben bleiben... Das ist eine schöne Ablenkung und dein Sohn weiß, dass du wenigstens mit ihm mitfühlst und nicht erwartest, dass er seinen wertvollen Gefühlen nicht freien Lauf lässt oder dass er seinen Wunsch einfach so aufgibt.

Das geht dann aber natürlich nur, wenn er sich beruhigt hat und solange er sich eben nicht beruhigt, beruhigt er sich halt nicht. Er hat ein Recht darauf, seine Gefühle zu äußern, auch wenn das für uns manchmal zermürbend ist. Manche Kinder brauchen dann Nähe, manche wollen in Ruhe gelassen werden. Das kannst du sicher gut beurteilen, wie es bei deinem Sohn ist. Es ist OK, wenn er sauer und traurig ist – so sind eben natürliche Grenzen, man kann sich ruhig darüber ärgern. Wie du schon sagtest "es ist nur eine Phase, es ist nur eine Phase.... eine Phase...", denn natürlich wird er sich nicht für immer so unbedarft ausdrücken. Die Phase kann allerdings lang sein :-)

Wenn du die Grenzen extra setzt dagegen – du kennst glaube ich meine Stellung zum Thema – ist es was anderes, dann ist es nicht OK, denn zum normalen traurig und sauer sein kommt noch das Gefühl hinzu, fremdbestimmt zu werden von jemandem, mit dem man sich ein gleichwertiges und gleichberechtigtes Miteinander wünscht, das Vertrauen wird nach und nach gebrochen und das Kind kann es als "gemein" empfinden. Das Gefühl, fremdbestimmt zu werden, stellt sich eventuell erst später ein, wenn man bestimmte Vorgänge durchschaut.

Liebe Grüße
Johanna
www.unerzogen.de

 
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