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Geschrieben von fiammetta am 10.11.2005, 14:36 Uhr

Kindern

Hi,

gute Frage - an der kloppen sich so manche Geisteswissenschaftler*grins*. Hier also meine Gedanken dazu:

Ich bin der festen Ansicht, daß man Kindern nur dann "Kultur" vermitteln kann, wenn man selbst diese auch begriffen und verinnerlicht hat und lebt. Soll heißen, wenn die Eltern nur eine literarische Viertelbildung haben, dann hilft auch der Gruselsatz "Lies doch `mal ein gutes Buch!" nicht. Es reicht meines Erachtens nach auch nicht, die gesamte Insel-Bibliothek (o.ä.) wahllos gelesen zu, wenn der Hintergrund zu Autoren und Geschichte vollständig fehlt. Ebenso sinnlos ist es, durch` Museum zu wandern, aber nur die Kritik in der Zeitung dazu zu kennt. Etc.pp.

Ein gebildeter Mensch ist auch in der Lage dazu, zur eigenen Ignoranz zu stehen und darüber zu lachen. Man kann nicht alles wissen. Peinlich wird`s, wenn man das jedoch für sich beansprucht und dann nur innhaltlichen Stuß von sich gibt. Natürlich ist manchmal der Einäugige König - aber wie armselig ist jemand, der an einen Gebildeteren gerät und diesen dann noch belehren will...

Benimmregeln sind hervorragend, taugen allerdings nur etwas, wenn man auch in der Lage ist, "Nein" zu sagen und anderen Grenzen zu stecken. Ansonsten verkommt das beste Benehmen, das einem ja das Leben erleichtern soll, zu reinem Duckmäusertum und ist die Lizenz zum gemobbt werden. Zu gutem Benehmen gehört meines Erachtens nach auch die Fähigkeit zur Selbstironie. Ich finde es übrigens weniger wichtig zu wissen wie man einen Hummer richtig ißt als einem armen Menschen etwas vom eigenen Überfluß abzugeben.

Klassische Musik - großartig, wenn man sich damit ernsthaft befaßt, lächerlich, wenn man sie braucht, um sich als etwas Besseres darzustellen. Ich hatte `mal `ne Kursteilnehmerin, die jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, den CD-Player mit klassischer Musik einschaltete, um ihre angebliche Bildung zu beweisen. Wurde natürlich zum running gag. Meiner Meinung nach muß halt auch noch Platz für zeitgenössische U-Musik bleiben, d.h. das eine zu Gunsten des anderen verteufeln führt nur zu Ablehnung des von den Eltern bevorzugten.

Theater - es gibt Menschen, die finden alles großartig, was im Theater gegeben wird oder lehnen es mit der Begründung ab, es sei schlecht gewesen, es habe ihnen nicht gefallen, etc. Auch blödsinnig, d.h. es ist legitim etwas abzulehnen, aber dann muß ich`s auch begründen können und dafür brauche ich eben eine gewisse Theatererfahrung (geht auch mit amüsierter Distanz) und entsprechende Vorinformationen. Ich bin am Theater aufgewachsen und hatte dort auch ein Engagement - es gibt nicht lausigeres als ein blasiertes, aber leider völlig ignorantes Publikum. Kam allerdings nur selten vor.

Offenheit, Interesse und Neugier gegenüber anderen Menschen und Kulturen schüren. Mittel: Reisen, sich mit ausländischen Mitbürgern austauschen, jedem Menschen jeden Tag eine neue Chance geben (so lange er es verdient). Diskutieren und erklären ohne das Kind als "kleinen" Gesprächspartner zu behandeln.


Langer Rede kurzer Sinn: die "Zeit" als Kulturwegweiser allein zu lesen reicht nicht, v.a. dann nicht, wenn man selbst nicht bereit ist, an sich zu arbeiten, sich also kontinuierlich weiterzubilden und auch zu eigenen Defiziten zu stehen. Das merken Kinder spätestens, wenn sie in die Pubertät kommen - und dann wird die Ablehnung um so schlimmer.

LG,

Fiammetta

 
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