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Geschrieben von Tine1 am 08.10.2012, 20:25 Uhr

Tyrannenkinder

Da es vermutlich im Gewusel und der hitzigen "Diskussion" unten untergegangen ist, nochmal ein Beitrag zu Winterhoff.

Winterhoff ist ein Tyrann

Ich hab das Buch gelesen, insofern "darf" ich mich wohl darüber auslassen:

Winterhoff beschreibt anhand von Beispielen verhaltensauffälliger Kinder aus seiner psychiatrischen Praxis die Lebensrealität von Kindern im Allgemeinen, was eine völlig unzulässige Verallgemeinerung ist. Daraus folgen falsche Schlussfolgerungen.
Seine Arbeitsweise (von einzelnen, verhaltensauffälligen Kindern auf das Verhalten von Kindern im Allgemeinen zu schließen) ist nicht wissenschaftlich. Durch seine berufliche Qualifikation, die er übermäßig häufig erwähnt, gaukelt es dem Leser allerdings eine Wissenschaftlichkeit vor.
Der Titel sagt schon viel: "Warum unsere Kinder Tyrannen werden". Da geht es nichtmal um die Frage, OB (unsere) Kinder Tyrannen werden, nein, es wird erstmal vorausgesetzt, dass dem so ist. Was wiederum kein Wunder ist, wenn er "Kinder" gleichsetzt mit den verhaltensauffälligen Kindern seiner Praxis. Wobei ich es auch in diesem Kontext unmöglich fände, von "Tyrannen" zu sprechen.

Seine Ansätze gehen vom Menschen als einem von Geburt an zunächst unsozialen und triebgesteuerten Wesen aus, das es gilt, durch Erziehung gefügig und gesellschaftsfähig zu machen. Mit einem humanistischen Menschenbild, das sich doch inzwischen weitgehend etabliert haben sollte, haben seine Theorien (wenn man es überhaupt so nennen kann, denn es handelt sich eher um Anekdoten und seine persönliche Weltanschauung) nichts zu tun. Wesentliche "neuere" Erkenntnisse (aus den 70-er Jahren!!!) der Bindungsforschung und Säuglingsforschung ignoriert er schlichtweg.

Er hat keine Studien aufgeführt (geht natürlich auch nicht, weil er nur über seine subjektiven Erfahrungen berichtet), hat auch keine Quellen angegeben. So besteht man nicht einmal im Grundstudium eine Hausarbeit.

Und nicht zuletzt ist er bzw. sein Buch zutiefst reaktionär. Heute ist nicht alles gut, und vieles sogar ziemlich mies. Die gesellschaftlichen Verhältnisse der Kriegs- und Vorkriegszeit bis zu den 50-er Jahre mitsamt ihrer autoritären und überwiegend gewaltvollen Erziehung herbeizuschreiben, ist aber kein gelungener Lösungsansatz. Vertrauen, Freiheit, Empathie und Wertschätzung sind Begriffe, die man im Buch vergeblich sucht. Hier geht es um Unterordnung, Disziplin, Herrschaft der Erwachsenen über die Kinder, Gehorsam, Drill.

Hat uns das nicht alles schonmal in die Barbarei geführt?

 
6 Antworten:

Re: Tyrannenkinder

Antwort von hinoto am 09.10.2012, 8:45 Uhr

Tine1 ich glaube da könnte man noch einige andere Buchtitel und schreiber mitdazu fügen wie zb jedes kind kann schlafen lernen mit der farber methode.

Der Autor sagt mittlerweile selbst , das diese Methode nicht für jedermann ist und er sich selber von seinem werk etwas distanziert.

Glaubt doch bitte nicht immer den Büchern, hört eher auf euer Bauchgefühl.Seid streng , wo ihr streng sein müsst und gebt den Kindern klare Grenzen , so schwer es manchmal auch sein mag

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hinoto

Antwort von rala_25 am 09.10.2012, 9:22 Uhr

Sehr schön formuliert =)

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Bauchgefühl, Vorbilder, Grenzen

Antwort von Caitryn am 09.10.2012, 11:39 Uhr

Also, ich habe bisher die beiden Bücher von Winterhof gelesen als Pädagogin und Mutter. Vielem kann ich echt zustimmen. Die Aussage, die ich herausgehört habe:

- überfordert eure Kinder nicht (mit Erwachsenenthemen und deren Problemen)
- seid Vorbilder, auf die sich die Kinder verlassen können (gebt ihnen Freiraum sich zu selbstständigen Wesen zu entfalten, aber setzt Grenzen, wo sie hingehören - man nennt das Erziehung -,)
- seid verlässlich, euer Kind muss auch in einigen Situationen einfach mal hören, es muss sich auf euch verlassen, dass die Eltern Bescheid wissen
- seid klar in euren Aussagen (nicht mal so, mal so)
- und ganz wichtig: schaut auf das Kind, nicht in die Bücher und hört auf die Erzählungen anderer - Reflektion eures und eures Kinds Handlungen

Alles sollte man stets im Ganzen sehen, nicht nur einen Teilbereich. Winterhof beschreibt die Extremfälle. 1 zu 1 sollte man das Buch sicherlich nicht als Eltern lesen. Als Pädagogin in einem "Problemgebiet" ist es aber noch mal hinweisend.

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@ Caitryn

Antwort von Tine1 am 09.10.2012, 20:59 Uhr

Hallo,
einzelnen Punkten, insbesondere was die Überforderung und die Vorbilder angeht, also Punkt 1 und 2, die du aufgeführt hast, stimme ich auch zu.

Dennoch wird hier, wenn man den Gesamtkontext betrachtet, ein bestimmtes Menschenbild vermittelt mit den dementsprechenden Handlungsvorschlägen, denen ich nicht zustimme, mehr noch, die ich vehement und mit aller Entschiedenheit ablehne.

Gerade als Pädagogin (ich bin Sozialarbeiterin) entsetzt mich eine solche Einstellung dem Menschen gegenüber. Gerade in der Arbeit mit verhaltensauffälligen Kinder und Jugendlichen kommt man (meiner Erfahrung nach) mit den klassischen autoritären verhaltenspädagogischen Maßnahmen auf Dauer keinen Schritt weiter. Nach jedem großen Krach, nach jedem "time-out", nach jedem Entzug von Handy, Laptop und allem anderen, woraus der Jugendliche leider das kleine bißchen Selbstwertgefühl zieht, das er überhaupt hat, kommt natürlich die ganz sanfte "Kuschelphase" aus Angst, auch noch den Rest von sich selbst zu verlieren. Im weiteren Verlauf folgt aber ein weiterer Aufbau der Aggressionen gegen sich selbst und jeden, der ihm/ihr irgendwie nahe kommt.

Dauerhafte Erfolge werden nur da erzielt, wo intensiv mit kontinuierlicher und verlässlicher Bindung die Probleme der Jugendlichen herausgearbeitet und die Gefühle hinter der Wut und der Aggression erkannt, verstanden und bearbeitet werden.

Abgesehen davon, eignet es sich aufgrund den im ersten Beitrag aufgeführten Gründen kaum als Fachbuch.

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Re: kann Caitryn nur zustimmen!

Antwort von alsame am 09.10.2012, 21:57 Uhr

Ich habe auch beide Bücher gelesen und muss sagen das auch diese Punkte bei mir vorrangig hängen geblieben sind. Meine Erfahrungen ist, egal ob Winterhoff oder Co., Elternzeitschriften etc. man sollte diese Erziehungsratgeber nicht als Bibel oder Religion ansehen. Vielmehr sich die Punkte raus picken die man für sich als richtig erachtet.
Und sind wir doch mal ehrlich die Leute die wirklich Erziehungstipps nötig haben, lesen keine dieser Ratgeber.

alsame

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Von "Fachliteratur" war auch nie die Rede

Antwort von ElliMcBeer am 10.10.2012, 20:29 Uhr

Ich finde die Bücher durchaus gelungen, und man kann sie definitiv NICHT mit Ferber o.ä. vergleichen. Winterhoff berichtet lediglich von seinen Erfahrungen und versucht daraus zu resultieren. Auch im zweiten Buch gibt er keine Leitfäden sondern gibt lediglich Ideen an, wie es möglich sein könnte.

Buch 1 finde ich besser. Es gliedert sich in
- wir geben immer nach
- wir merken schon gar nicht mehr, dass das Kind ein eigenes Leben hjat sondern betrachten es als Köperteil
und
- wir erklären Kindern alles (was mitunter 1,5 Jährige nicht verstehen KÖNNEN).

Wir haben in der Nachbarschaft eine Frau wohnen (die ich sehr mag!) und bei ihr haut das Buch so dermassen hin! Das Kind will sich auf der Straße anziehen? Klar, dann wird es auf der Straße angezogen. Das Kind braucht keinen Fahrradhelm zu tragen, denn dann schreit es so ...das Kind darf Mamas Jacke bemalen - einen Tag später aber nicht mehr, denn auf einmal hat Mama ihre "gute Jacke" an - das soll das 2jährige Kind doch bitte verstehen ....uswuswusw....und in solchen Fällen passt Winterhoff einfach perfekt und dadurch, dass ich beim Lesen auch diese Frau vor Augen hatte, fand ich das Buch einfach gut!

Fakt ist doch wirklich:
Heutzutage versuchen wirklich viele Eltern immer und alles zu erklären. Aber es gibt einfach Dinge, die muss ein Kind einfach akzeptieren und dann darf es mal seinen Willen nicht durchsetzen. Wie bei dem Beispiel "Fahrradhelm" .

Wie viele Fälle kenne ich, wo Eltern sich in jedem Gespräch mit Erwachsenen andauernd problemlos von ihren Kindern unterbrechen lassen. Eltern und Kinder sind Partner und nicht mehr in einer gesunden Eltern/Kind Verbindung. Ich bin nunmal die Ältere und habe andere Erfahrungen und habe auch Rechte. Und unsere Kinder dürfen und müssen durchaus lernen, dass man mal warten muss. Beispiel "ausreden lassen"

....

Ich bleibe dabei, das Buch hat durchaus Qualitäten und kann durchaus hilfreich sein, sein eigenes Verhältnis zum, Kind zu reflektieren.

Ob man es als Ratgeberbuch zu verstehen hat ist jedem selbst überlassen....


Ach und irgendjemand regte sich ja schon darüber auf, wie ein Psychiater Kinder Tyrannen nennen könne: Das Buch heißt "Warum unsere Kinder zu Tyrannen WERDEN" - er bezieht sich damit auf die großen Kinder - also Erwachsene.
Ich habe keine Lust darauf, später lauter frische Erwachsene zu erleben, die ichbezogen sind, keine Grenzen kennen, sich nicht anpassen können ....und die jungen Erwachsenen werden nichts dafür können, denn sie sind so "erzogen" worden.

Also kein schwarz / weiss - ich fand das Buch durchaus gelungen, als RATgeber hat es mir nichts gebracht, aber durchaus als Schulterklopfer.

Nichts für ungut!
LG Elli

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