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Geschrieben von SusanneZ am 28.09.2006, 11:32 Uhr

@mamaselio/ all: Elios Selbstvertrauen

Hallo mamaselio,

wie versprochen, Donnerstag vormittag mach ich mir nochmal Gedanken zu Elios Selbstbewusstsein.

Du fragtest: „Woran erkennt man wieviel Selbstbewusstsein ein Kind hat?“:
Selbstbewusstsein spiegelt sich im Selbstwert von Elio wider. Also wie viel meint Elio selbst wert zu sein (in Abgleich mit seiner Umwelt) und wie selbstsicher wirkt er dadurch auf seine Umwelt (extern beobachtetes Selbstbewusstsein). Dieser Selbstwert ergibt sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen im Wesentlichen aus 4 Grundbedürfnissen, welche im Gleichgewicht sein sollten, insbesondere jeweils die ersten und die letzten beiden:

- Eigenständigkeit (eigenverantwortlich Dinge tun) und Freiheit (eigene Meinung äußern, Emotionen zeigen, …dürfen ohne äußeren Zwängen unterworfen zu sein)
- zwischenmenschliche Beziehungen (durch Sprache auch nonverbale Mitteilung möglich) und das Bewusstsein gewisser Abhängigkeit
- Wechsel in manchen Lebenssituationen
- Dauer bei wichtigen Lebensgrundlagen (Essen, Trinken, Liebe vor allem bei den primären Bezugspersonen = Familie  niemals mit Liebesentzug drohen).

Sprich für hohes Selbstbewusstsein, sollte Elio ein Gleichgewicht empfinden zwischen seiner Eigenständigkeit und Freiheit sowie seiner zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Bewusstsein insbes. von seinen Primärbezugspersonen abhängig zu sein. Und gleichzeitig ein Gleichgewicht zwischen Wechsel und Dauerhaftigkeit im Leben.

Das heißt also, Elio in seinem Verhalten nur so weit einschränken, dass zwischenmenschliche Beziehungen und die damit einhergehende Abhängigkeit nicht leiden. Beides sollte also gleichbedeutsam sein. Im Moment hat Elio das Problem des Beißens, wobei seine empfundene Abhängigkeit und die Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen sehr nach oben steigen, wenn er die Konsequenz für sein autonom ausgeführtes Fehlverhalten (es wird also seine Autonomie reduziert) erfährt. Es kommt also zum Ungleichgewicht – zumindest kurzfristig. Weshalb er zumindest andere Verhaltensweisen mitgeteilt bekommen sollte, um zumindest diese autonom anwenden zu können. Sodass, das Gleichgewicht nicht zerstört wird. Um auch die letzten beiden Säulen im Gleichgewicht zu lassen, darf keine Bezugsperson mit Liebesentzug arbeiten, denn die dauerhaft erfahrene Liebe zählt ebenfalls zu den wichtigen Lebensgrundlagen, die das Urvertrauen stützen.

Selbstvertrauen besteht zum einen aus einem Ganzen, wird aber von seinen Teilen bestimmt. Ich denke, was das Beißverhalten sowie die Sprache anbelangt, hat Elio weniger Selbstvertrauen/ -bewusstsein. Er weiß, dass er den gestellten Anforderungen nicht immer entspricht. Um dennoch nicht allzu viel Selbstvertrauen verloren gehen zu lassen, sollten die Bezugspersonen meiner Meinung nach zusammengefasst wie folgt handeln:
- das Beißen möglichst unterbinden, da sonst zwischenmenschliche Beziehungen (zwischen den Kindern in einer Gruppe) immer wieder brechen
- um autonomes Handeln ohne äußere Zwänge zu gewährleisten, den Disput schon vorher entschärfen  liebevoll helfend und ohne Sanktionen; möglichst so, dass das Kind es nicht als eigene mangelnde Fähigkeit wahrnimmt und es diese Fähigkeit (evtl. durch Nachahmung) selbst erlernt *klingt schwierig und macht mit Sicherheit viel Arbeit (im KiGa wohl kaum umsetzbar) ;-)*
- durch Punkt 2 werden zwischenmenschliche Beziehungen und autonomes Handeln nicht aus dem Gleichgewicht geschmissen; lässt sich dies nicht organisieren, dann liebevoll helfend andere Handlungsmöglichkeiten beibringen, zwischen denen dann wieder autonom gehandelt werden darf und die Reduktion des Selbstwertgefühls somit nur von kurzer Dauer ist; aktives Üben anderer Handlungsweisen im Spiel wären dabei vorteilhaft, da Kleinkinder (sowie auch Elio) impulsiv handeln ohne nachzudenken  ohne Handlungsroutine wird er wohl immer wieder auf das Beißen zurückgreifen
- sein Sprachfähigkeiten verbessern, wobei er dann aufs Sprechen zurückgreifen wird, da er sieht dass die anderen Kinder sich auch durch Sprechen zur Wehr setzen (Nachahmung). Sobald er im Sprechen so sicher ist, dass er das kann, erfährt er noch mal eine Aufwertung seines Selbst, da er für sich eine Verbesserung spürt

Du wolltest auch wissen wie sich Selbstvertrauen äußert:
- selbstempfundener Wert in Bezug auf Charakter, Fähigkeiten und Selbstempfinden
- Spiegelt sich im Wahrnehmen eines Rechtes, dessen Einforderung und Erstreiten wider
- Resultiert aus Vergleich zwischen Anforderungen und den vermeintlich subjektiven Fähigkeiten  hohes Selbstvertrauen, wenn man denkt die Anforderungen gut meistern zu können
- Grad des Selbstvertrauens abhängig von bestimmten Befähigungen für bestimmte Tätigkeiten
- sein eigenes Können sollte man nicht über-, aber auch nicht unterschätzt

Im ersten Punkt zeigt sich halt, dass er merkt, dass er mit seiner Sprachfähigkeit hinter den anderen zurückfällt und greift dann „dummerweise“ auf das Beißen zurück, womit er durch die erfahrenen Konsequenzen auch einen Mangel im Charakter und seinem Selbstempfinden wahrnimmt. Ich denke wichtig wäre zum einen mein oben beschriebenes Vorgehen und zum anderen dass er zu Hause viel selbst machen darf und dies auch entsprechend mit Worten gewürdigt wird. Dies tut ihr ja = super ;-) Dies beeinflusst dann auch Punkt 3, wobei eine sehr gute Basis besteht: er lässt dich problemlos gehen ohne zu weinen (so wie ich es verstanden habe) und ist sich somit sicher, dass er ohne dich zurechtkommt. Er hält sich somit für fähig, sich in der Gruppe durchzusetzen. Deine liebevolle Zuwendung zu ihm in den ersten 3 Jahren hat sich also hierbei schon voll ausgezahlt, er ist sicher gebunden 

Das von dir beschriebene „ich will, dass das so und so gemacht wird“ kannst du meiner Meinung nach problemlos mitmachen, solange es umsetzbar ist. Ansonsten musst du ihm ein begründetes Tauschangebot machen bzw. ihm erklären, was das für Nachteile auch für ihn bringt. Willst du bspw. auf der Schnellkochplatte kochen, weil ihr noch was unternehmen wollt, und er will eine andere Platte, dann ist der logische Nachteil der, dass nur wenig oder auch gar keine Zeit mehr für die tolle Unternehmung bleibt… Ansonsten kenne ich das Verhalten auch von Kindern und habe es auch schon im Forum gelesen. Somit denke ich, dass es eine Phase ist. Wie gesagt, ich denke man kann soweit mitmachen, solange es nicht das familiäre miteinander negativ beeinträchtigt. Begründbare Grenzen sind schon richtig und mit liebevoller (er soll keine absolute Ohnmacht erleben) Überzeugung durchzusetzen. Wenn mein Kind bspw. im Geschäft 3 verschiedene Wurstsorten haben möchte, wobei ich weiß, dass es mengenmäßig zu viel ist und es sonst schlecht wird… dann würde ich das auch so begründen und anbieten, dass die Wurst das nächste Mal gekauft wird. Das wäre etwas wo ich nicht nachgeben täte.

Dass er sich gegenüber anderen Kindern zur Wehr setzt ist auch ein Zeichen, dass er generell Selbstbewusstsein hat. Ansonsten würde er sich wahrscheinlich hilflos weinend verkriechen oder völlig verängstigt sein. Nur scheint er wirklich noch sehr impulsiv zu handeln und auch noch nicht aus innerer Überzeugung nachgeben können (was aber denke ich normal ist ;-)). Insofern scheint meine Aussage, dass ein sehr selbstbewusstes Kind es nicht für nötig hält sich aggressiv zu wehren, nicht zu stimmen. (Recht wahrnehmen und einfordern/ durchsetzen) Dass es nun gerade mit den Zähnen getan wird, liegt denke ich primär in der noch unterlegen erlebten Sprachbefähigung, wobei dann noch mal ne Portion Aggression nachgeladen wird.

Wenn er fragt „darf ich…“ kommt es auch drauf an, was das für Dinge sind. Respektiert er bspw. einfach eine Regel (wäre super, Stichtwort: Gleichgewicht zwischenmenschliche Beziehungen/ Abhängigkeit und Autonomie), weiß er dass du das nicht besonders magst (empathische Fähigkeit) oder ist er unsicher, ob er es kann (= wenig Selbstvertrauen)? Vorsicht hingegen muss nicht unbedingt etwas mit wenig Selbstvertrauen zu tun haben. Denn Selbstvertrauen spiegelt sich auch darin wider wie gut Elio sich seiner Fähigkeiten bewusst ist – sie also nicht unter-, aber auch nicht überschätzt. Dinge, die er also weniger gut kann, sollte man nicht loben, aber auch nicht nieder machen. Sondern ihm helfen, seine Stärken zu erkennen und seine Schwächen zu akzeptieren oder helfend auszubügel insofern das (genetisch bedingt) möglich ist.

Also, ich denke, es besteht kein Grund zur Sorge und du machst das allermeiste instinktiv richtig, was sich auch schon ausgezahlt hat. Mach weiter so, das grundlegende Selbstwertgefühl ist etwa mit 4 Jahren abgeschlossen. Also habt ihr noch ein bissel Zeit ;-)

Woher die sonstigen früheren Aggressionen herkamen, kann man nicht ganz so einfach mehr fest machen. Ob es lediglich der fehlende Papa war (Loslösung scheint ja aber über die Oma oder sonst wen gelungen; vielleicht fehlte das männliche Vorbild) oder die Betütelung, sprich mangelnde Selbstbefähigung (die ja indirekt zum Ausdruck bringt, dass man es ihm nicht zutraut), war, ist durch die Veränderung der Gesamtsituation nicht mehr festzumachen. Aber letztlich auch egal, wenn jetzt alles bestens ist und man Versäumtes noch aufholen kann.

Ich hoffe ich habe deine Fragen beantwortet, zumindestens habe ich es so gut wie es ging versucht. Ist allerdings bissel lang geworden. Hoffe somit, du bist bis zum Ende gekommen und hast dennoch etwas verstanden.

@ all: Vielleicht mögen die anderen ja auch noch ihre Meinung kundtun, dann hast du ein breit gefächertes Bild mit verschiedenen Erklärungsansätzen.

Lieben Gruß

 
2 Antworten:

Re: @mamaselio/ all: Elios Selbstvertrauen

Antwort von mamaselio am 28.09.2006, 17:14 Uhr

Liebe Susanne,

herzlichen Dank fuer dein langes, komplexes Posting.
Ich habe es ausgedruckt und werde es noch ein paarmal lesen.

Nach allem was ich du schreibst, muesste es um Elios Selbstbewusstein, das ja gerade erst waechst, recht gut bestellt sein.

Die Erzieher machen ihre Sache eignetlich genauso wie von dir vorgeschlagen. Es sind ja nur 7 Kinder und zwei Erzieher, da koennen Sie wirklich auch praeventiv eingreifen und das machen sie auch...aber manchmal geht auch bei 7 Kindern etwas schief.
Die Tatsache, dass seit Beginn des Kiga vor knapp 4 Wochen eigentlich kaum etwas passiert ist, zeigt dass die beiden Frauen ihre Sache gut machen.
Haette Elio statt gebissen vielleicht geschubst oder getreten waere alles halb so wild gewesen.

Leider hat sich Elio das Beissen ausgesucht...

Ich selber habe mit Elio seit wir hier sind so gut wie gar keine Probleme im Umgang mit anderen Kindern gehabt. Er hasst volle Spielplaetze, aber die kann man ja umgehen.

Wir werden ab naechsten Do zum Schwimm- kurs gehen, bin gespannt wie es da laeuft.

Er ist wirklich gut in die Gruppe integriert und hat wirklich nie geweint, wenn ich weg gegangen bin (ich waere sonst geblieben, befuertworte die sanfte Abloesung). Ich war selbst sehr erstaunt, dass es so einfach war. Er geht gern hin und geht dann aber auch gern mit mir nach Hause, er ist voellig fertig um 13:30 wenn ich ihn abhole.

Mit dem gebissen Maedel kommt er uebrigens wunderbar klar. Sie suchen einander-leider streiten sie aber auch. Sie ist wie gesagt sehr dominant und Elio kann seinen Unwillen noch nicht so in Worte fassen wie das Maedchen.
Bei Elio wird es sicher auch noch eine Weile dauern. Er spricht nun nach 4 Wo schon ganz anstaendig deutsch, aber faellt mit mir immer wieder ins italienische.

Ansonsten werde ich Elios Selbststaendigkeit weiter foerdern und ihn noch mehr im Haus helfen lassen, aber er darf wirklich schon viel (wenn er "spuelt" steht die Kueche unter Wasser).
A propos, wusstest du, dass es in Thailand keine Spuelmaschinen gibt? Hier haben alle besser situierten eine Maid, die im Haus wohnt. Meine Maid kommt drei mal die Woche, aber die dreckigen Teller lasse ich nicht im Spuelbecken...wir haben wirklich ueberall nach einer Spuelmaschine geschaut, aber es gibt keine!

Zurueck zu Elio. Wenn er fragt, ob er etwas darf, dann weil er sich nicht sicher ist, ob ich es moechte (das macht er aber nicht immer).
Wenn ich dann NEIN sage, weil es wirklich nicht geht dann akzeptiert er es fast immer. Aber es gibt auch Momente da streiten wir. Gestern z. Bsp. Wir waren im payground und er wollte anschliessend nicht aufraeumen. Er fand ich solle das machen. Puuuuhhhhh das ging ewig...Ich habe dann gesagt, entweder wir machen es zusammen oder ich lese was. Habe dann verschiedene Sachen vorgeschlagen, wie wir spielerisch aufraeumen koennen. Er hat nicht gewollt....da fing ich an zu lesen (war recht sauer), er sass neben mir und lutschte am Daumen, betonte er habe keine Lust die Baelle wegzuraeumen. Ich habe weitergelesen und gesagt, dass das so nicht i.O. ist und ich so lange meinen Kram mache, bis er bereit ist aufzuraeumen. Da kam er angekutschelt und fragte mit weinerlicher Stimme, ob er denn noch mein Maueschen sei, Mamas Elio..Da habe ich ihn gedrueckt und gesagt, natuerlich...troztdem muessen wir das hier gemeinsam in Ordnung bringen.

Wir haben das dann irgendwann hingekriegt, aber es hat wirklich gedauert....

Ein zaeher Bursche.

Danke fuer deine Gedanken und die grosse Muehe, die du dir machst. Bin froh, dass du wieder schreibst.

Ich halte dich auf dem Laufenden.

LG
Christiane

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Spülmaschine und KiGa

Antwort von SusanneZ am 29.09.2006, 14:26 Uhr

Keine Spülmaschinen in Thailand ... nein, wusste ich bisher nicht. Ist die Nanny etwa billiger?? :-) Aber ich kenne das, man sucht was simples und Bekanntes und findet es nicht. Wir wollten in Belgien einfach nur nen Schlafzimmerschrank. Überall Küchen zu finden, aber andere Möbel (vor allem Schlafzimmer) kaum. Letztlich haben wir uns nen Schlafzimmerschrank in Deutschland gekauft, weil die Maße hier nur schwer zu finden waren oder sehr teuer.

Ich wäre an deiner Stelle auch erstaunt gewesen, dass Elio dich sogar in komplett neuer Umgebung einfach gehen lässt. Aber es ist auch schön, es hier zu lesen, dass er sich so geborgen fühlt. Mit 7 Kindern ist es auch eine familiärere Situation, was sich sicher günstig ausgewirkt hat und auswirkt. Dass Elio und das Mädel sich suchen und auch hin und wieder streiten, das finde ich normal. Beide haben wohl ein gewisses etwas und sind temperamentvolle Wesen :-)).

Also, freut mich, dass ihr ansonsten ein harmonisches Familienleben habt und auf deine Zwischenberichte.

Lieben Gruß

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