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Geschrieben von Silvia3 am 09.03.2023, 9:54 Uhr

Nord-Stream-Ermittlungen, Spur führt in die Ukraine

Dazu war heute morgen ein guter Kommentar im "Tagesanbruch" von t-online, den ich nicht verlinkt bekomme, deshalb hier der Text.

"Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

kennen Sie das Spiel Stille Post? Dabei wird eine Nachricht von Ohr zu Ohr weitergeflüstert – und am Ende kommt ein Ergebnis heraus, das mit der ursprünglichen Botschaft nicht mehr viel zu tun hat. Je komplexer die Botschaft, desto wahrscheinlicher ist ein Missverständnis. Denn neben unserem Gehör beeinflussen unter anderem unsere Einstellung, unsere Erfahrung und unsere Wünsche, was wir verstehen und weitergeben.

Ganz ähnlich läuft es in heißen Nachrichtenlagen, in Zeiten also, in denen wichtige Neuigkeiten in sehr kurzer Zeit übermittelt werden. Da kann sogar bei etablierten Medien einiges schiefgehen, von den Interpretationen in den sozialen Medien oder am Stammtisch, wo viele komplett frei drehen, ganz abgesehen.


Gut beobachten konnte man so einen Fall am Dienstagabend. Da berichteten sowohl die US-amerikanische "New York Times" als auch in einer gemeinsamen Recherche ARD, SWR und die "Zeit" über neue Vermutungen, wer Ende September 2022 die Nord-Stream-Pipelines sabotiert hat.

Zur Erinnerung: Damals wurden von Unbekannten drei der vier Stränge der Nord-Stream-Pipelines von Russland nach Deutschland durch Sprengungen auf dem Grund der Ostsee beschädigt. Ein hochkomplexer und aufwendiger Anschlag, der bis heute viele Fragen aufwirft und Spekulationen auch über die Beteiligung staatlicher Akteure nährt.

Nach Monaten, in denen die Behörden mehrerer Länder ermittelten, aber keine Erkenntnisse veröffentlichten, folgten am Dienstag also endlich Neuigkeiten. Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf Aussagen US-amerikanischer Offizieller, Geheimdienstinformationen deuteten darauf hin, dass eine pro-ukrainische Gruppe die Anschläge verübt haben könnte.

Bemerkenswert ist, dass die "New York Times" sowohl in Überschrift als auch in der Meldung sehr vorsichtig blieb. Die Zeitung scheint nicht selbst über die entsprechenden Geheimdienstinformationen zu verfügen, sondern beruft sich lediglich auf Aussagen von Menschen, die diese eingesehen und überprüft haben sollen und anonym bleiben wollen. Auch zum Auftraggeber des Anschlags und zur Nationalität der Täter legt sich die "New York Times" nicht fest.

Ähnlich bei den deutschen Medien: Sie berichten, dass es Geheimdienstberichte "gegeben haben soll", die auf eine pro-ukrainische Gruppe hindeuten. Das Boot, das beim Anschlag genutzt worden sein soll, sei von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet worden, die sich "offenbar" im Besitz von zwei Ukrainern befinde. Aber: Ermittlern zufolge sollen die Anschläge von fünf Männern und einer Frau durchgeführt worden sein, deren Nationalität sowie Auftraggeber seien unklar.

"Nachrichtendienstliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass eine pro-ukrainische Gruppe Pipelines sabotiert hat, sagen US-Beamte" – so lässt sich die – lange, aber korrekte – Überschrift der "New York Times" übersetzen.

Problematisch ist, was bei einigen deutschen Nachrichtenportalen daraus gemacht wurde. "Pro-ukrainische Gruppe sprengte Ostsee-Pipelines" titelt die "Bild"-Zeitung den entsprechenden Text zur Meldung online bis heute, mit der sehr viel kleineren Dachzeile "'New York Times' über Nord Stream". Ebenso ging die "Berliner Zeitung" vor: "New York Times: Pro-ukrainische Gruppe hat Nord Stream zerstört" heißt es da.

Kein Konjunktiv, kein "soll" oder "könnte zerstört haben". Bei beiden Medien klingt es plötzlich so, als sei die "New York Times" sich völlig sicher, als liefere sie unumstößliche Beweise, dass eine pro-ukrainische Gruppe die Pipeline sprengte. Das klickt besser und dürfte die Werbekunden der Medien erfreuen – ist aber falsch und fahrlässig. Stille Post lässt grüßen.

Gerade in Deutschland birgt die Sabotage der Pipeline und die Frage nach den Tätern viel politischen und gesellschaftlichen Sprengstoff. Sollten pro-ukrainische Kräfte in die Anschläge verwickelt sein, sollten sich Beweise für einen Auftrag aus Kiewer Regierungskreisen finden, stünde die Unterstützung Deutschlands, des oft kritisierten und doch wichtigsten Verbündeten der Ukraine in der EU, schnell auf der Kippe. An einer solchen Entwicklung könnten viele ein Interesse haben, allen voran Russland.

Angebracht ist da die Warnung des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius, dass es sich um einen Versuch handeln könne, ukrainischen Gruppen den Angriff "in die Schuhe zu schieben", um es so aussehen zu lassen, als stecke die Ukraine hinter den Sprengstoffanschlägen. "Die Wahrscheinlichkeit für das eine wie für das andere ist gleichermaßen hoch", sagte Pistorius im Deutschlandfunk.

Die Gemengelage ist also komplex, die Faktenlage noch sehr dünn. Die Geheimdienste, auf die sich entsprechende Berichte stützen, sind im Übrigen keine neutralen Akteure und liegen oft auch falsch. Man denke nur an die Fehleinschätzung deutscher Geheimdienste zu Beginn des Ukraine-Krieges, Russland werde die Ukraine rasch überrollen. Oder an den Krieg der USA gegen den Irak ab 2003, der allein auf der geheimdienstlich gestützten Lüge beruhte, das Land verfüge über Massenvernichtungswaffen.

Der Generalbundesanwalt, der die Ermittlungen zur Pipeline-Sabotage in Deutschland leitet, bestätigte bislang nur, dass im Januar das Schiff untersucht worden sei, das im Verdacht steht, die in der Ostsee explodierten Sprengsätze transportiert zu haben. Die Auswertung der sichergestellten Spuren dauere noch an. Die Frage nach der Identität der Täter, dem Tatmotiv sowie die Frage nach einer staatlichen Steuerung könnten derzeit nicht beantwortet werden.

Es kann also noch Wochen oder gar Monate dauern, bis wir Gewissheit haben. Die Gerüchteküche wird in dieser Zeit brodeln, die Phase der Unsicherheit wird anhalten. Deshalb meine Bitte für diese Zeit: Atmen Sie durch, lesen Sie über die Überschrift hinaus und informieren Sie sich. Legen Sie sich nicht vorschnell auf eine Interpretation fest. Machen Sie nicht mit bei der gefährlichen Stillen Post."




Zutrauen würde ich es allen Parteien. Ich gehe aber davon aus, dass die Russen relativ wenig Interesse daran haben, die Pipeline zu sprengen, denn sie hoffen sicher darauf, dass dort irgendwann mal wieder Gas durchfließen wird.
Den Ukrainern war sie immer ein Dorn im Auge, den Amerikanern auch.

Wie dem auch sei. Es ist Krieg und wenn die Ukrainer damit die Russen schädigen oder zumindest ärgern konnten, dann nur zu.
Der Bau dieser Pipeline war eine krasse Fehlentscheidung auf deutscher Seite und hätte dazu beigetragen, unsere Abhängigkeit von Russland noch weiter zu erhöhen. Dass die Russen keine zuverlässigen Geschäftspartner sind, haben wir gesehen. Denn sonst wären die Gasspeicher zu Beginn des Krieges ja nicht leer gewesen.

 
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