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Geschrieben von muff am 06.05.2014, 22:32 Uhr

Kinderkuren (Kinderverschickung) in den 70iger Jahren

Hallo, alle zusammen, Ich werde dieses Jahr 50 Jahre alt und habe seit dem zarten Alter von 2 Jahren schwerstes Asthma. Im Alter von 16 Jahren war ich 27 mal in unserer Kinderklinik und mehrere male in der normalen Klinik und ich war mit 16 Jahren zum 13 ten Mal in einer Kur, elf mal in einer Kinderkur, zweimal in Davos. Schon lange versuche ich die schrecklichen Geschehen, die Schikanen, die Befehle, die Strafen zu verarbeiten. um etwas Gutes vorweg zu sagen, es gab gute Kurheime, mit humanen Schwestern oder Betreuern und es gab den Horror und der herrschte in den meisten Erholungsheimen. Ein gutes Heim war das Lenzheim auf Amrum, wohin ich im Alter von sechs Jahren geschickt wurde, Ich habe kaum Erinnerungen, es war wie damals üblich streng, aber ich habe absolut keine negativen Erinnerungen und ich lernte die Nordsee und die Bahnfahrt zu lieben, ein Leben lang.
Meine erste Kur im Alter von 3 Jahren hatte ich im ehemaligen Kohlermannheim in Bad Dürrheim verbracht, hier kann ich mich nur Bruchstückhaft erinnern, aber die Strenge hinterlässt heute noch ne Gänsehaut. Die Kinderkuren nach Amrum waren der reinste Horror und haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt, so sehr dass ich damit bis ans Ende meines Lebens leben muss. Ich war weitere 2 Mal in Bad Dürrheim, Luisenheim, zweimal auf ST. Peter Ording, hier blockiert mein Gedächtnis zum Teil total, weil es einfach schlimm war, 2mal in Ruhpolding,einmal waren hier meine zwei jüngeren Brüder dabei, der Jüngste schlug irgendwann nur noch den Kopf immer wieder an die Wand, dass er ins Krankenhaus musste.Zweimal in Wyk auf Föhr, wobei ich hier sagen muss, beim zweiten Mal das war 1976 hat man die Zeichen der Zeit bemerkt, es war immer noch streng, aber es gab einzelne Besserungen, etwa durften wir Älteren während der Mittagspause endlich lesen. Ein Jahr später auf Spiekeroog gab es zwar immer noch Peinlichkeiten, also alle mussten nackt zum Wiegen, messen antreten etc,aber vieles andere war nun leichter, humaner und die Kur hat sogar ziemlich Spaß gemacht.Ich war fast überall zweimal, weil die Ärzte dachten, das wäre sinnvoller.Mein Asthma hat die ganzen Kuraufenthalte jedoch nicht interessiert und tobte weiter in meinem Körper, so dass ich außer den Schikanen von den Kuren zusätzlich noch den Schikanen der Schwestern im Krankenhaus ausgesetzt war. Endlich kam mein Lungenarzt, der viele Jahre um mich bemüht war auf die Idee mich nach Davos zu schicken. Trotz Geschrei meinerseits, nicht schon wieder in eine Kur zu wollen, mein Horror war so groß, dass ich einen Asthmaanfall bekam, brachte mich meine Mutter Anfang 1980 nach Davos. auch hier herrschten die Schwestern, aber ich hatte das große Glück auf die Jugendstation zu kommen und hier begegnete mir zum erstenmal ein Engel in Schwesternuniform. Eine ältere, dickliche, rustikale Schwester Emelie, von Herzen und Überzeugung Ordensschwester, die bei jedem Schimpfen, dass ein Lächeln beinhaltete, mit den Augen zwinkerte. Ein halbes Jahr blieb ich und wollte nie wieder weg. Im nächsten Jahr wieder für 6 Monate, diesmal bei einer strengen Schwester, aber ich war älter, hatte viel Erfahrung, habe mich eingeschleimt, ihr Blumen gebracht.Davos hat mir geholfen für mein ganzes weiteres Leben, mein Asthma wird nie weggehen, aber ich kann schon sehr sehr lange damit leben und die Erinnerungen an Davos sind Glück in meinem Herzen. Was die anderen Heime angeht, all diese Gemeinheiten und Schikanen zu beschreiben, würde ein Buch lang dauern. Ich habe ein Trauma und kann damit umgehen. auch ich suche in der Vergangenheit, möchte die Stätten des Horrors betreten, das fände ich gut für mich und nachdem all unsere Kinder jetzt groß sind, werde ich es tun, die Heime die es irgendwie noch gibt werde ich betreten, mit der Gewissheit, dass alle oder fast alle, die mich als Kind so erbärmlich behandelt haben, jetzt tot sind oder es bald sind. Ich erzähle meinem Mann alles immer wieder, jede neue Erinnerung, er wird es nie ganz verstehen, weil er es nie erlebt hat an sich selbst, aber hört mir zu und wird mich begleiten. Es gibt wohl Sachen, für die eine Therapie nötig ist, aber hier halte ich persönlich nichts von einer Therapie, außer der Therapeut war selbst in einem Heim, wie soll man das alles sonst verstehen.Wer aber eine Therapie als hilfreich empfindet, der soll hier nicht rausgeredet werden, es zu probieren. Gehen Sie, finden Sie Ihren Weg in die Vergangenheit, ich hoffe, das Heim gibt es noch. Ich habe damals gelernt alles zu essen, der Würgereflex zu bewältigen, stundenlang bewegungslos wachzuliegen, obwohl meine Lunge nach Wasser schrie, stundenlang als Strafe auf einem Fleck zu stehen, stundenlang den Drang zur Toilette zu unterdrücken, ich habe es gelernt. Ich wünsche Ihnen alles Gute, suchen Sie nach Ihrem Trauma, die Verursacher sind nicht mehr da.

 
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