Rund-ums-Baby-Forum

Rund-ums-Baby-Forum

Fotogalerie

Redaktion

 

Geschrieben von oma am 20.03.2024, 15:44 Uhr

Doch, ich würde es dem Jugendamt melden...

Ich erzähl mal die Geschichte des Dauerpflegekindes von Sohn und Schwiegertochter:

Sie haben 2 eigene, gesunde Kinder. Jetzt 21 und fast 20 Jahre alt. Aus Dankbarkeit für diese wunderbaren Kinder hat sich Schwiegertochter vor 12 Jahren als Bereitschafts- und Kurzzeitpflegemutter ausbilden lassen neben ihrer beruflichen Tätigkeit als Disponenten.

Der erste Anruf kam sehr schnell: Ein 5 Wochen altes Mädchen von alkoholkranken Eltern, deren andere 7 Kinder bereits alle von FAS betroffen sind und alle in Pflegefamilien leben.
Zu verdanken, dass dieses Kind auch und vor allem schnell aus der Familie genommen wurde ist es einem aufmerksamen Standesbeamten, als die betrunkenen Eltern das Neugeborene angemeldet haben. Wir sind heute noch dankbar, dass er sich nicht "herausgehalten" und das Jugendamt informiert hat. Die Eltern hatten wohl mehrfach das Bundesland gewechselt, so dass sie dem hiesigen Jugendamt nicht bekannt waren.

Meine ST (Schwiegertochter) ist sofort ins Krankenhaus gefahren und war mehrere Tage lang tagsüber bei dem vernachlässigten Baby, bis sie es mit nach Hause nehmen konnte.
Ziemlich schnell war klar, dass die Kleine ihre Familie gefunden hat, denn auch das Jugendamt gab Monate später zu, dass sie erst gar nicht nach Dauerpflegeeltern gesucht haben, weil sie schon gesehen haben, dass die Kleine angekommen ist.

Sie wurde nie von ihren Eltern zur Adoption freigegeben, trägt aber seit der Einschulung unseren Namen. Von klein auf kennt sie ihre Geschichte und hatte in den ersten Jahren auch begleiteten Umgang mit den leiblichen Eltern, die zwar beim Jugendamt sagten, sie seien froh, dass ihre Tochter bei genau dieser Familie aufwächst, aber nach wenigen Jahren - wie bei ihren anderen Kindern - keinen Kontakt mehr gesucht haben.

Ja, unsere Kleine - sie ist Kind und Enkelkind wie ihre großen Geschwister, die von Anfang an ungeheuer lieb und fürsorglich mit ihr umgegangen sind - hat ihre Baustellen wegen FAS. Unsere ST steht im ständigen Kontakt mit Jugendamt und SPZ. Und ja, es ist nicht alles so problemlos wie bei den Großen. Aber es gibt keine größeren Dramen. Sie ist auch in der Schule sehr gut. Vor allem ist sie unser aller Sonnenschein.

Sie war das erste Pflegekind, aber zur Zeit leben auch die Pflegekinder 12 und 13 bei der Familie. Ein 1,5-Jähriger, dessen drogenabhängige Mutter verstorben ist, der selbst einen Drogenentzug hinter sich hat und der keine weiteren Angehörigen außer einer Oma hat, die ihn aber nicht nehmen kann.
Das zweite Baby hat sie im Alter von 2 Monaten aus dem Krankenhaus geholt mit alten und neuen Brüchen an Rippen und Beinen und einem schweren Schütteltrauma. *heul*

Jedes dieser Pflegekinder wird von der gesamten Familie - meinen Mann und mich eingeschlossen - genauso liebevoll betreut wie die leiblichen Kinder. Schwer ist immer nur der Abschied, weil die meisten dieser Kinder, die überwiegend als wenige Monate alte Babys gekommen sind, viel zu lange, nämlich bis 2,5 Jahre in der Familie geblieben sind, bis Jugendamt und/bzw. Familiengerichte entschieden haben, dass die Kinder nicht zu den leiblichen Eltern zurück müssen und somit Dauerpflegeeltern gesucht werden können.

Ich hab kürzlich noch unserer Kleinen erzählt, dass ich selbst bei Alkoholiker in einer Familie voller Gewalt aufgewachsen bin, mir meine ganze Kindheit lang gewünscht habe, in einer anderen Familie zu leben und dass ich mich deshalb wahnsinnig für sie freue, dass ihr dieses Leben erspart geblieben ist und sie in einer so tollen Familie aufwachsen darf.
Sie war sehr beeindruckt davon, und ST hat mir später erzählt, dass es sehr wichtig für die Maus war.

Dieses Roman soll klar machen, dass jedes Kind ein Recht hat, in einem soliden, liebevollen Zuhause ohne Alkoholdramen und Gewalt groß zu werden. Die Geschichte der Schwägerin der AP erinnert mich fatal an die Geschichte der leiblichen Eltern unserer Kleinen. Es geht um ein Baby, das seinen verantwortungslosen Eltern hilflos ausgeliefert ist und das darauf angewiesen ist, dass ein Außenstehender - wie der Standesbeamte, von dem ich oben schrieb - nicht wegschaut und die Weichen für das Kind umstellt.

Die Befindlichkeiten der verantwortungslosen leiblichen Eltern und Großeltern und wem auch immer sind dagegen völlig unwichtig. Sie haben die Entscheidungen für ihr Leben getroffen, und darin haben Kinder keinen Platz.

Es gibt auch andere Pflegefamilien, in denen Kinder so gut aufgehoben sind und so viel Zuneigung und Liebe erfahren wie bei der Sohnfamilie. Sogar in diesem Forum weiß ich von einer Userin, bei der es ebenso ist. Natürlich verdränge ich aber nicht, dass es auch andere Pflegefamilien gibt. Und ST wünscht sich auch teilweise intensivere Kontakte und schnellere Bearbeitung durch das Jugendamt. Aber ich möchte gern daran glauben, dass es den Kindern in der Regel besser geht als bei den leiblichen Eltern.

Und wenn ich schon so viel getippselt habe, auch noch das: Ich lese immer wieder staunend hier, wie "erschöpft" Mütter schon mit EINEM Kind häufig sind.
Meine ST bemuttert derzeit also 5 Kinder zwischen 9 Monaten und 21 Jahren. Sie hat ein großes Haus, einen Riesenhund und 3 Pferde, und unfassbar viele Termine mit Ärzten, Jugendamt, SPZ und muss öfter in weit gelegene Spezialkliniken mit den Pflegekindern.
Und Schlaf kriegt sie mit den beiden traumatisierten Kleinen derzeit so gut wie gar nicht.
Aber sie strahlt trotzdem, auch weil ihr bewusst ist, wie wichtig das ist, was sie täglich leistet. Auch sie leidet, wenn die Kinder letztlich zu den Dauerpflegeeltern kommt, aber sie sagt immer, die Mäuse haben wenigstens eine schöne Zeit bei uns gehabt. Und sie hab ein so gutes Standing bei den Jugendämtern, dass sie bei der Suche nach den "richtigen" Pflegeeltern für das jeweilige Kind ein Mitspracherecht hat.

Vielleicht denkt irgendwann mal die eine oder andere Userin an meine Schwiegertochter und deren Leistung, wenn das eigene lebhafte Kind sie mal wieder "an ihre Grenzen" bringt. Ein Kind groß zu ziehen ist zumindest für mich die wichtigste und schönste, wenn auch oft anstrengende und undankbare Aufgabe. Aber ich erlebe an meinem Sohn und seinen Kindern, was für wunderbare Menschen dabei rauskommen. Es lohnt sich also...

 
Unten die bisherigen Antworten. Sie befinden sich in dem Beitrag mit dem grünen Pfeil.
Die letzten 10 Beiträge
Mobile Ansicht

Impressum Über uns Neutralitätsversprechen Mediadaten Nutzungsbedingungen Datenschutz Forenarchiv

© Copyright 1998-2024 by USMedia.   Alle Rechte vorbehalten.