Geschrieben von sojamama am 07.06.2020, 13:17 Uhr |
Abschalten, Beruf quasi vor der Tür lassen beim Heimkommen
Hallo,
ich wollte mal fragen, wie es euch so geht manches Mal nach einem Arbeitstag.
Ich bin in einer hausärztlichen Praxis tätig, es ist grundsätzlich schön dort, ich habe viel Urlaub (weil Chef gerne reist), werde nicht übermäßig gut bezahlt, aber ist okay, kann NIE Urlaub nehmen wenn ich möchte, muss immer nehmen, wenn Praxis zu ist. Kolleginnen passen, wir kennen uns alle von früher, auch den Chef. Alle per du, alles gut.
Problem ist, es ist im Nebenort. D.h., es kommen sehr viele Bekannte zu uns als Patienten. Und da bekommt man dann halt so einiges mit.
Ich kann diese Krankengeschichten einfach nicht mehr ausblenden. Es sind Sachen dabei, die will ich eigentlich nicht wissen, es belastet mich teilweise.
Weil ich Dinge von Leuten weiß, die ich nicht wissen will.
Und aufgrund der Schweigepflicht kann ich ja nicht mit meinem Mann darüber reden. Ich muss also das allein mit mir ausmachen.
Ich merke zunehmend, dass ich das leider nicht mehr an mir abprallen lassen kann. Anfangs ging das gut, nach 4 Jahren dort wird es immer schwieriger.
Es waren auch sehr viele unschöne Dinge, die die letzten Monate so passiert sind. Vielleicht war es einfach auch gehäuft.... aber im Laufe der Arbeitsjahre hat man auch eine andere "Beziehung" zu den Patienten, die regelmäßig kommen.
Und wenn mir die Patienten halt im Ort begegnen, dann weiß ich ja sofort, was Sache ist und denke wieder darüber nach.
Schwer zu beschreiben, was ich meine, vielleicht versteht es ja die ein oder andere hier.
Ich würde mich freuen, wenn ihr berichtet, wie ihr mit sowas umgeht, wie ihr das ausblendet, wenn ihr nach Hause kommt.
Ein Arbeitsplatzwechsel kam mir auch schon in den Sinn, aber das ist leider nicht möglich. Weil ich hier ganz gut aufgehoben bin, habe sehr viele Vorteile.
Aber manchmal wünschte ich mir einfach eine Arbeit, wo ich keinen Patientenkontakt mehr habe oder nur wenig.
melli
Re: Abschalten, Beruf quasi "vor der Tür lassen" beim Heimkommen
Antwort von Maxikid am 08.06.2020, 15:47 Uhr
ich kann einiges ausblenden, aber nicht alles.Wir sind selbständig, also berufliches schwirrt jeden Tag und am WE auch, immer bei uns rum und ist auch immer Thema. Mein Mann hat zu hause nämlich kein Feierabend. Irgendetwas ist immer, auch im Urlaub. Ja, so richtig abschalten geht nicht, dafür ist die Firma zu sehr präsent bei uns. Meistens stört es mich aber nicht.
Wenn es negativ läuft, dann mache ich mir schon mehr Sorgen, da es ja unsere eigene Firma ist und es um einiges geht.
LG
Re: Abschalten, Beruf quasi "vor der Tür lassen" beim Heimkommen
Antwort von Kleine Fee am 08.06.2020, 16:21 Uhr
Ja, in stressigen Phasen fällt es mir sehr schwer abzuschalten. Dann mache ich bewusst Entspannungsübungen und Sport, um den Stress abzubauen.
Dein Problem sehe ich aber eher im Bereich Abgrenzen. Da das für medizinisches und therapeutisches Personal ein bekanntes Problem ist, müsste es dazu auch Bücher geben oder sogar Seminare, die Dein Arbeitgeber eigentlich auch als Fortbildung bezahlen müsste. Schließlich ist es auch in seinem Interesse, dass Dein Job Dich nicht belastet. Such mal nach professionellen Infos/Angeboten im Netz.
Ich wünsche Dir, dass Du das Problem für Dich gelöst bekommst.
Re: Abschalten, Beruf quasi "vor der Tür lassen" beim Heimkommen
Antwort von Tini_79 am 08.06.2020, 21:04 Uhr
Ich vergesse manchmal bei Erledigungenen in der Mittagspause, dass ich wieder zur Arbeit muss . Also ja, ich kann komplett abschalten, habe aber natürlich einen anderen Job.
Was du beschreibst, stelle ich mir sehr schwierig vor. Eine Bekannte hat sich deshalb extra in der nächsten Stadt einen Job gesucht, weil sie ihren Klienten nicht dauernd privat begegnen wollte.
Ich glaube, ich würde auch lieber wechseln.
Kannst du nicht auch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, für dein eigenes Seelenwohl?
Re: Abschalten, Beruf quasi "vor der Tür lassen" beim Heimkommen
Antwort von tonib am 09.06.2020, 10:02 Uhr
Ich kenne das Problem auch, nicht abschalten zu können.
Aber nicht so sehr wegen der anderen Leute, sondern eher immer in dem Grübeln, ob ich es nicht anders oder besser hätte machen können....
Ritualisieren
Antwort von emilie.d. am 10.06.2020, 18:45 Uhr
Sowohl morgens bevor Du in den Job gehst als auch abends, bevor Du rausgehst.
Gehst / Fährst Du zur Arbeit? 10 min Spaziergang wäre ideal. Oder sich morgens 10 min mit einer Kaffeeetasse auf den Balkon setzen und in die Arbeit reinfokussieren. Z.b. auch mit Atmen (4 sec ein, 4 sec aus...).
Abends eine Liste machen in der Arbeit, was Du am nächsten Tag erledigen musst. Das Gehirn liebt sowas, um abschließen zu können. Um die Arbeit auf der Arbeit lassen zu können. Wenn Du Deine Liste gemacht hast, drüber nachdenken, wie Du Zuhause wahrgenommen werden möchtest. In Dich gekehrt, sorgenvoll? Oder so, wie Du gern Menschen um Dich herum hast, wie Dein bestes Selbst aussieht?
Aber grundsätzlich ist das eine wirklich schwierige Sache. Es gibt dafür professionelles Coaching.
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