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Geschrieben von Erdbeere81 am 24.08.2015, 9:29 Uhr

Wir brauchen eine ehrliche Diskussion...

Die Frage nach der Integration dieser großen Flüchtlingszahlen stelle ich mir auch.
Ich arbeite bei einer Gemeindeverwaltung (6000 Einwohner). Auch hier spürt man bereits die enorme Belastung auf uns als Behörde, weil keine auf diesen Ansturm vorbereitet war.
Innerhalb von 4!!! Tagen musste im Frühling ein Erstaufnahmenotlager für 200 Flüchltinge eingerichtet werden und auch wenn der Kreis und das Land geholfen haben und sehr viele Ehrenamtliche da sind, war es richtig schwierig.

Für mich war es interessant war ich bei den organisatorischen Gesprächen dabei war und nachher im Lager auch selbst als Dolmetscherin war und so auch mit den Leuten direkt sprechen konnte und wir haben mit Freunden versucht zu helfen.
Da war ein Mann dabei, der seit 12 Jahren versucht in Europa (neben D war er in B,F,P,Ö,N mit mehrfach Einreisen) Asyl zu bekommen. Er hat mittlerweile eine Frau aus seinemHeimatland geheiratet, 2 Kinder bekommen und immer noch müssen alle paar Monaten bzw. Jahren weiter weiter.
Er sagte, dass er nur noch diese Asyloption hätte, weil er eben mittlerweile 40 sei und in diesen 12 Jahren nie gearbeitet habe, aber absolut nicht mehr zurück kann. Wie schwer kann so jemand in geregeltes Leben finden, wenn er nur Lager kennt?
Dem 4jährigen Mädchen ging es gesundheitlich schlecht, sie sprach nicht. Kein Wunder bei ständigen Sprachwechsel um sich herum.

Die Bevölkerung im Ort hat sehr offen und toll reagiert und dennoch war eine Anspannung zu spüren, weil es eben 200 fremde Leute auf einen Schlag im kleinem Dorf angekommen sind, die in Kleingruppen herum gegangen sind. Das ist hier einfach nicht Alltag und die Leute hätten genauso reagiert, wenn hier plötzlich 200 Mitarbeiter auf Dienstreise einer Firma aufgetaucht wären.
Übrigens gewährt die kath. Kirche hier einigen Männern Kirchenasyl und täglich kocht eine andere Familie für diese Männer und bringen es zu ihnen.
Auch als zu Spenden aufgerufen wurde, kam sehr viel zu sammen und die Menschen hatten auch keine Berührungsängste sondern kamen selber und brachten es.

Aber organisatorisch ist vieles sehr schwierig.
Teileweise erfahren die Kollegen von der Asylabteilung erst Freitag Mittag, dass Montags z.B. morgen eine 4-köpfige Familie gebracht wird.
Unsere gemeindeeigenen Gebäude sind alle belegt, wir haben nur das Glück, dass man im Dorf sich mit den Vermietern gut kennt und so auch schnell über das WE Lösungen abtelefonieren kann.

Aber es sind alles Notlösungen und die richtigen sind nicht in Sicht, sondern jede Woche werden neue Asylbewerber gemeldet und wieder muss kurzfristig etwas gesucht werden.

Wir haben nur einen Kollegen im Jobcenter. Seine Kunden sind die zufriedensten hier in der Region er macht echt richtig guten Job.
Aber er sagt, er sei am Ende. Die Fallzahlen steigen (hauptsächlich Übergänge aus dem Asylbereich in den SGB II) und er schafft es nicht mehr die Fälle rechtzeitig zu bearbeiten. Es wäre unglaublich wie viele Fälle in den letzten Monaten urplötzlich neu hinzugekommen wären.

Ich war auch mit einer Armenierin im Erstaufnahmelager unseres Bundeslandes, weil sie noch Fingerabdrücke nachliefern sollte. (privat als Hilfe, nicht dienstlich) Ich war platt wie viele Menschen da standen, wie müde ihre Gesichter sind.

Diese Armenierin erzählte mir dann aber dass sie nach Deutschland gekommen ist, weil Hepathitis C bei ihr festgestellt wurde und sie in Deutschland auf eine bessere medizinische Versorgung ihrer Krankheit hofft. Sie hatte sich vorab genau erkundigt wo die besten Kliniken dafür sind und war sehr enttäuscht, bei uns im Dorf gelandet zu sein.

In Armenien hat sie bei einer Bank gearbeitet. Die Bank hat ihr erstmal unbezahlten Urlaub gewährt für den Versuch hier Asyl zu bekommen.
Die Behanldung ihrer Erkrankung würde unserer Gemeinde ca. 50.000 EUR kosten. Allerdings muss das Asylverfahren abgewartet werden. Solange sie kein dauerhaftes Bleiberecht hat, wird keine langfristige, kostenintensive Therapie genehmigt.
Diese Frau gehnt 2x die Woche in die Sprachkurse hier, geht zum Jugendtreff um deutsch schnell lernen zu können, fragt mich über Kultur und Geschichte unseres Landes aus. Sie bemüht sich sehr, sich anzupassen und stellt überhaupt keine Ansprüche.
Und sie sagt dennoch, dass sie nach abgeschlossener Behandlung wieder zurück will.

Auch wenn ich sie vom Herzen verstehen kann, ist das nicht im Sinne des Asylgesetzes.

Und so sehe ich das hier von mehreren Seiten. Ich bin als Kind nach Deutschland gekommen und bin dankbar für die vielen Türen, die uns geöffnet wurde und fühle mich verpflichtet jetzt den anderen zu helfen, die jetzt kommen.
Ich verstehe die Menschen, die von ihren Motiven nach Deutschland zu kommen erzählen. Gerade die Eltern kann ich so gut verstehen.

Allerdings sehe ich auch, wie sehr das System an sich gebogen und belastet wird und keiner irgendwie eine Lösund weiß.
Und im Rathaus bekomme ich die Welle auch mit, die diese Zuströme auslösen.Manchmal völlig banale Sachen, aber da stehen Menschen die sich eben genau um diese Sachen kümmern müssen.
Der Bauhof beschwert sich regelmäßig über die Ratten und den Müll bei den Unterkünften und dass einfach nicht besser wird.
Abendlicher Lärm usw. und es gibt hier Menschen (Kirche, Vereine) die hier auch gut einsteigen können, die sich hier engagieren. Aber es ist sind momentan einfach zu viele, die viel Arbeit verursachen, so dass man in der "Nachbetreuung" nicht hinterherkommt.

Und es ist ja auch kein Ende absehbar und keine Entspannung in Sicht.

 
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