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Geschrieben von Oma am 19.04.2007, 22:52 Uhr

Huhu Petra! Hab mal ne Frage ...

... an die Sozialpädagogin.

Ich habe mich ganz tierisch gefreut, im Forum von Dr. Posth nach vielen Jahren mal wieder auf den Begriff "Urvertrauen" zu stoßen, der mich während meiner Erziehungszeit begleitet hat und für mich eigentlich der Dreh- und Angelpunkt meiner Erziehungsziele war. Schon aus diesem Grund fehlt mir übrigens jedes Verständnis für das verflixte "ferbern".

Spielt das heute in den Erziehungswissenschaften überhaupt noch eine Rolle? Ich habe ja nie aufgehört, nachulesen und mich zu informieren, auch nach meiner aktiven Erziehungszeit. Reiner Zufall, dass ich so lange nichts mehr davon gehört habe?

Ich stehe übrigens auch heute noch voll hinter dieser These.

So ähnlich geht es mir mit der Annahme, dass die sogen. "Prägephase" des Kindes nach dem 3. Lebensjahr abgeschlossen ist und alles Grundsätzliche bis dahin von den Erziehern vermittelt sein sollte.

Vor einigen Tagen habe ich bei der ARD eine Reportage gesehen "Was Hänschen nicht lernt...", da wurde tatsächlich auch mal kurz diese Prägephase genannt. Ansonsten wie beim Urvertrauen - seit Jahren nicht mehr gehört oder gelesen.

Übrigens eine erschreckende Reportage, hast du das gesehen?

Wenn du mal Zeit hast - es würde mich wirklich sehr interessieren.

Knutscha von Marion

 
12 Antworten:

find ich komisch, dass dir das nicht mehr untergekommen ist...

Antwort von psb am 19.04.2007, 23:28 Uhr

denn in den meisten berichten über erziehung bzw. erziehungstipps ist das urvertrauen die grundlage (auch wenn der begriff an sich nicht immer genannt wird). es heißt doch meist eigentlich eher "trösten, wiegen, beruhigen usw." und nicht "tür zu und schreien lassen!" es gibt überall ansätze, die nicht sinnvoll sind, aber (und gerade dadurch) heiß diskutiert. jeder noch so große humbug findet einige anhänger und der rest geht an die decke - aber genau das macht diese ansätze bekannt und hält sie am leben.

im netz findest du massenweise seiten dazu, allein daran sieht man, dass der begriff nich passé ist. in der fachliteratur wird das ganze natürlich anders ausgedrückt als in berichten, die für eltern einfach nur praxisnah und leicht verständlich gehalten werden. da heißt es dann nicht "das urvertrauen wird aufgebaut, indem..." sondern "wenn ihr baby schreit, dann nehmen sie es auf den arm, singen ihm etwas vor..." erst vor wenigen tagen habe ich einen bericht gelesen, in dem es hieß, dass es für ein baby gerade im ersten lebensjahr enorm wichtig ist, dass schnell auf seine bedürfnisse reagiert wird (= urvertrauen aufbauen)
der moderne erziehungsansatz hat genau das als grundlage: respekt (auch vor einem baby, was früher nicht immer selbstverständlich war), akzeptanz, fürsorge und liebe. eine zeitlang wurden die kinder sehr streng erzogen: "du darfst das nicht und basta! hörst du nicht, giibts was auf den hosenboden!" dann kam der antiautoritäre erziehunsgstil - das genaue gegenteil, meiner meinung nach aber auch nicht wirklich besser. nun sind wir shcon seit jahren beim mittelweg angelangt und dieser hat sich ziemlich festgesetzt: grenzen setzen, wo es sein muss und sinnvoll ist, dinge erlauben, die nicht schlimm sind, wo nihcts passieren kann etc. und eben erklären, warum einige dinge nicht gehen. das alles setzt auf respekt dem kind gegenüber und wer das kind als persönlichkeit respektiert, der ist was das urvertrauen angeht auf einem guten weg ;-) du siehst, auch wenn viele berichte den begriff nicht ansprechen, grundlage ist er immernoch.
kurz: ja, es spielt eine große rolle und bildet in allen vernünftigen und anerkannten ansätzen eine grundlage.

schau mal hier:
http://www.eltern.de/mein_baby/baby_entwicklung/babylexikon/urvertrauen.html

http://www.familienperspektiven.at/24/05324115.htm

http://fuenf.scm-digital.net/show.sxp/34.html

http://www.hr-online.de/website/radio/hr1/index.jsp?rubrik=11754&key=standard_document_29269316

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nachtrag

Antwort von psb am 19.04.2007, 23:48 Uhr

den bericht habe ich nicht gesehen. zur "prägephase": ich denke schon, dass in den ersten jahren die wichtigsten grundsteine gelegt werden - allein deshlab, weil die kinder da in der regel noch sehr wenige bezugspersonenen haben, mit drei kommen die meisten in den kindergarten und andere einflüsse werden wichtig. aber ich denke trotzdem, dass auch dann noch wichtig ist, was man als eltern den kindern vorlebt bzw. dass noch enorme veränderungen stattfinden können (z.b. auch durch schlüsselerlebnisse). dadurch können auch sehr grundlegende charakterzüge sich noch verändern - aber das sind dann eben extreme situationen.
heute weiß man, dass jemand, der in der kindheit KEIN urvertrauen aufbauen konnte, später auch meist probleme hat, beziehungen zu anderen menschen aufzubauen - selbst wenn er es schafft, einen partner zu finden, bleibt immer eine gewisse distanz zwischen den beiden. das kann so weit gehen, dass selbst eine liebevolle beziehung zu den eigenen kindern kaum möglich ist. es gibt aber auch da zum glück ausnahmen, die in der kindheit kaum liebevolle zuwendung erfahren haben, dann bei den eigenen kindern aber doch sehr liebevoll sein können. die regel ist es nicht, die meisten übernehmen die erlernten muster.

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Och neee, hab mal wieder mein Posting versehentlich gelöscht :o(

Antwort von Oma am 20.04.2007, 0:57 Uhr

Also nochmal:
Das hast du wirklich sehr gut erklärt, vielen Dank! Wenn du mich so mit der Nase drauf stößt, sehe ich auch, dass der Begriff "Urvertrauen" jetzt eher umschrieben wird. Wobei ich das eigentlich schade finde, mich hat allein das Wort schon immer überzeugt.

Interessanterweise tauchen in zweien der Links beide Begriffe, nach denen ich fragte, also Urvertrauen und Prägephase, im Zusammenhang auf.
Übrigens, den Link von Family sollte man allen Familien an den Fernseher tackern, damit er täglich gelesen wird *ggg*.

Mit der Ansicht, dass man auch vor einem neugeborenen Kind und dessen Würde schon Respekt haben muss, bin ich übrigens früher auf absolutes Unverständnis gestoßen. Witzigerweise wurde zwar mein Erziehungsstil von allen kritisiert, aber dieselben Leute schwärmten davon, was für an angenehmes, ausgeglichenes Kind mein Sohn war.

Tja, und dann die Frage, wie man selbst beziehungsfähig und liebevoll werden kann, wenn man selbst kein Urvertrauen aufbauen konnte.

Ich habe ja genug aus meinem Leben erzählt. Wenn der eigene Vater dich als Baby im betrunkenen Zustand mit dem Kopf vor die Bettkante schlagen will, nur weil du kein Junge bist, und deine eigene Mutter tatenlos danebensteht, nur weil sie Angst vor einer Ohrfeige hat - da kann man wirklich kein Urvertrauen aufbauen.
Ich weiß, dass all meine Unsicherheiten und Komplexe natürlich daher rühren.

Andererseits habe ich aber mit 14 schon genau gewußt, wie mein Leben mal auszusehen hat. Der Einfluß meiner Eltern beschränkte sich in dieser Beziehung darauf, mir als Negativvorbild zu dienen. Und ich hatte nie Schwierigkeiten, zärtlich zu sein oder Gefühle zu zeigen oder die magischen Worte zu sprechen...

Nur: Wenn das sooo einfach ist, warum funktioniert das dann nicht bei allen Betroffenen?

Und nochmal zu der Reportage: Es wurden Kinder im Alter von ca. 5 Jahren gezeigt, die in ihrer Kommunikationsfähigkeit erschreckend unfähig waren. Ebenso in der sozialen Kompetenz.

Es waren in der Regel Kinder, die ausgedehntem und unkontrolliertem Fernsehkonsum ausgesetzt waren. Es hieß, Kinder, die im Grundschulalter max. 1 Std. täglich vor dem Fernseher verbringen, machen mit 40%iger Wahrscheinlichkeit einen Hochschulabschluss. Kinder, die ca. 3 Std. täglich vor der Glotze verbringen dagegen nur mit 10%iger Wahrscheinlichkeit.

Tja, nur werden genau die Eltern, die ihren Kindern den eigenen Fernseher ins Zimmer stellen, um sich möglichst wenig mit ihnen auseinandersetzen zu müssen, sich eine solche Sendung kaum ansehen, oder?

Angeprangert wurde auch die permanente Reizüberflutung, der viele Kinder ausgesetzt sind: Entweder dudeln Fernseher oder Radio oder Stereoanlage. Kein Wunder, wenn Kinder, die keine Ruheinseln im Alltag finden können, ihrer inneren Unruhe Ausdruck verleihen müssen.

Gezeigt wurde auch eine sehr sympathische und engagierte Grundschullehrerin, die sich damit konfrontiert sieht, einer ganzen Klasse das vermitteln zu sollen, was den Eltern bei ihren eigenen Kindern nicht gelingt bzw. was gar nicht erst versucht wird zu vermitteln.

Und den Boden ausgeschlagen hat dann der Spruch eines Vaters, man "könne doch nicht die ganze Erziehung auf die Eltern abwälzen, denen bliebe doch neben der Arbeit gar keine Zeit dazu, man wolle ja auch mal Feierabend haben. Und außerdem seien die Lehrer ja dazu wohl da!"

Und weißt du, was das Schlimmste ist?
Seine Kinder und all die anderen Kinder, die auf diese Art und Weise so irgendwie nebenbei aufgezogen werden, sind später die Schulkameraden, die Freunde, die Nachbarn unserer Kinder und Enkelkinder.
Und wir hatten erst kürzlich die Unterhaltung, welchen Einfluß die peer groups spätestens ab Pubertät haben, nicht wahr?

Öhm, beim Nachlesen merke ich gerade, dass ich mal wieder von Hölzchen auf Stöckchen gekommen bin *ggg*.

Und wenn ich diesen Beitrag jetzt nochmal versehentlich lösche, werfe ich mich hinter einen Zug oder spring aus dem Kellerfenster.....

Gute Nacht und vielen Dank für deine Mühe!

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da gehörst du zu den glücklichen ausnahmen...

Antwort von psb am 20.04.2007, 10:00 Uhr

aber sooo einfach, wie du es beschreibst, ist es eben nicht - zumindest nicht für die mehrheit. is ist erwiesen, dass die kinder in der regel (die von ausnahmen ja bestätigt wird) in die "fußstapfen" der eltern treten. so ist es zum beispiel auch si, dass kinder aus familien, in denen die eltern "keinen bock" auf arbeit haben, später meist auch arbeitslos sind und vom staat leben. (liegt zum teil sicher an den mangelnden mitteln für eine gute förderung, aber nicht nur). kinder entwickeln sich meist zu den gleichen charaktären, wie ihre eltern, oder zum genauen gegenteil.
wenn man sich so überlegt, WIE sich eine persönlichkeit entwickelt, ist das auch recht verständlich. die kleinen kinder sehen es jeden tag und ahmen nach - wenn dann ein alter erreicht ist, in dem peergroups wichtig werden, sind die grundlagen schon gelegt. meist ist es auch so, dass kinder, die schon auffällig sind (hab kindergartenkinder erlebt, die sich wie halbstarke aufführten), sich auch freunde suchen, die zu ihnen passen. wenn ich bei dem beispiel mit eben genannten kiga-kids bleibe: vermeintlich schwächere (weil sie sich nicht prügeln wollen, brav sind) werden abgelehnt, gehänselt usw., kinder mit ähnlich großer klappe werden bewundert, weil sie "stark" sind. sowas kann sich durchs ganze leben ziehen, und nur mit glück kommen ab und an andere freundschaften zustande, die dann eben auch das erlernen anderer verhaltensweisen ermöglichen.
meine mutter war früher sehr hart, konnte sich nicht in andere hineinversetzen (zumindest nicht in menschen, die ihr nahestanden, fremden gegenüber war sie immer nett), hat in der familie nur genervt und aggressiv reagiert (nicht körperlich, hat halt viel geschrien usw). eine normale auseinandersetzung mit meinem vater oder uns kindern war ihr einfach nicht möglich, das ging so weit, dass ich mit 12 / 12 jahren angst hatte, zu sagen wenn ich neue schulhefte brauchte - hab sie mir dann meist selbst gekauft. meine eltern haben beide geraucht. jetzt der vergleich zwischen meiner schwester und mir: meine schwester ist genauso geworden wie meine ma - sogar extremer. wenn ich mitbekomme, wie sie und ihr man miteinander umgehen, wie sie auf die kinder reagieren, dann stellen sich mir die nackenhaare hoch. asozial ist leider das einzige, was mir da einfällt. ich selbst hatte eine weile ein ähnliches verhalten. ABER ich habe mir - genau wie du - bewusst gedanken darüber gemacht, was ich will und was nicht. und dann habe ich angefangen, das zu ändern. ich hatte das glück, jemanden kennenzulernen, der sich viel mit einem bestimmten psychologischen ansatz beschäftigt hat - er hat mir davon erzählt, ich habe mir literatur besorgt und das ganze selbst angewandt - da war für mich dann die wende perfekt. geändert hatte sich bei mir vorher schon einiges, aber da wurde alles gefestigt und zielgerichteter. was ich damit sagen will: um sich bewusst in eine andere richtung zu entwickeln, muss man sich erstmal über die missstände bewusst werden (was bei vielen schon nicht passiert, weil sie das erlernte als normal empfinden). dann muss man selbst sehr reflektiert sein, sein eigenes verhalten genau beobachten, überdenken und in frage stellen. und dann als letzten schritt eben unerwünschte verhaltensmuster "abgewöhnen" und durch neue (in den peergroups erlebte) ersetzen. ich denke, in der jugend ist es noch relativ leicht, das alleine zu schaffen (unter gewissen voraussetzungen), weil der charakter noch nicht so gefestigt ist. mit zunehmendem alter wirds immer schwieriger.

sich in eine andere richtung weiter zu entwickeln, sich anders zu verhalten als das, was man vorgelebt bekommt nachzuahmen, dazu gehört also eine gewisse intelligenz, das bewusstsein über missstände und der wille, etwas zu ändern. viele verfügen nur über einen teil dieser eigenschaften oder eben auch über keine einzige und die haben letztlich keine chance, ohne fremde hilfe etwas anders zu machen.

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was mich an deiner geschichte beschäftigt...

Antwort von psb am 20.04.2007, 11:29 Uhr

also, das mit deinem vater, hat deine ma dir das erzählt oder woher weißt du das? ich denke solche situationen allein sind nicht varantwortlich für das urvertrauen, da spielt noch ne menge mehr mit rein. wie hat sich deine mutter zum beispiel um dich gekümmert, wenn er nich da war oder eben grad nich so aggressiv? gab es vielleicht auch noch andere bezugspersonen, die da etwas auffangen konnten? die nicht vorhandenene vertrauensbabsis zum vater kann durchaus kompensiert werden, wenn jemand anderes eine verlässliche beziehung mit dem kind eingeht.

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Achtung, Omas berüchtigte Endlospostings!!!

Antwort von Oma am 20.04.2007, 12:48 Uhr

Die Geschichte weiß ich von der Tante, die mich aus den Händen meines Vaters gerissen hat. Meine Eltern lebten damals im Haus der Eltern meiner Mutter, wo auch noch anderer ihrer Geschwister mit Familie lebten, also Großfamilie total.

Über diese Situation gab es vor wenigen Jahren eine Konfrontation mit meiner Mutter. Sie beschwerte sich darüber, dass unsere Beziehung reichlich unterkühlt ist. Ich habe ihr daraufhin meine Kindheit aus meiner Sicht erzählt, da sie sehr dazu neigt, in der Retrospektive alles zu verklären und zu verniedlichen. Unter anderem habe ich sie auch auf diese Geschichte angesprochen, die ich von meiner Tante erfahren hatte. Sie hat es auch nicht abgestritten, war aber der Meinung, ich müsse doch verstehen, dass sie aus Angst, von ihrem Mann geschlagen zu werden, wie gelähmt gewesen sei. Ich war absolut fassungslos und habe sie gefragt, ob ihr überhaupt bewusst sei, was sie da eben gesagt habe: Nämlich dass sie zugesehen hätte, wie ihr Baby getötet wird, nur weil sie Angst hatte, selbst geschlagen zu werden! Und ich habe ihr gesagt, ich würde auch heute noch sowohl für meinen Sohn als auch für meine Enkel töten oder sterben, wenn einer von ihnen in Gefahr wäre.

Aber es ist bei ihr nicht angekommen. Sie ist weiter der Ansicht, ich müsse Verständnis für sie haben.

Und ansonsten: Zum Vater gab es praktisch keine Beziehung. Er war halt fast immer betrunken und dann auch aggressiv. Allerdings nur meiner Mutter und meiner Schwester gegenüber, weil die es einfach nicht schafften, ihn nur in Ruhe zu lassen, wenn er betrunken heim kam. Erst überschüttete ihn meine Mutter mit Vorwürfen, bis er zuschlug, dann griff meine Schwester ein und bezog auch noch Prügel. Ich als Jüngste habe immer wieder versucht ihnen zu erklären, dass es doch gar keinen Sinn macht, mit einem Betrunkenen reden zu wollen, der weiß doch am nächsten Tag gar nichts mehr davon. Was bringt mir da also eine Diskussion? Ich habe mich einfach in unser Zimmer verzogen, wenn er nach Hause kam und bin ihm aus dem Weg gegangen. Deshalb blieb ich verschont.

Ich habe von meinem Vater eine einzige Ohrfeige kassiert. Das war so: Meine Schwester zog mit 17 aus. Meine Mutter arbeitete zu der Zeit passenderweise als Bardame, ich war also abends allein mit meinem Vater. 15 war ich da. Ich schlief mit einem großen Brotmesser unter dem Kopfkissen.

Irgendwann kam er nach Hause und wusste nicht wohin mit seinen Aggressionen. Da kam er in mein Zimmer und warf mir vor, ich hätte die Tür des Spiegelschrankes im Badezimmer offen gelassen. Der Witz war, die Tür schloss seit Jahren nicht mehr. Das sagte ich ihm auch, ruhig und vernünftig. Da schlug er mich rechts und links ins Gesicht.
Ich habe mich vor ihm aufgebaut, vor Wut und Hass zitternd, und habe ganz leise und ruhig zu ihm gesagt: „NIE WIEDER wirst du mich anrühren! Ich bin nicht Mama und nicht Regina, ich lasse mich nicht schlagen! Ich habe mich schon lange erkundigt, und glaub mir, wenn du das noch ein einziges Mal tust, bist du schneller entmündigt in der geschlossenen Anstalt als du deinen Namen aussprechen kannst.“

Hilfreich war vielleicht, dass ich schon in meiner Anwaltslehre war und er sicher meinte, ich hätte mit meinem Chef gesprochen.
Ich bin in der Nacht einfach nicht nach Hause gekommen, war ja schon mit meinem Mann zusammen, und seine Eltern erlaubten mir, dort zu übernachten.
Mein Vater hat mich nie wieder angerührt. Makabrerweise ist er in genau der Psychiatrie dann gestorben, mit der ich ihm gedroht hatte.

Wenn wir unsere Mutter gebeten haben, ihn zu verlassen, bekamen wir die abstruse Antwort, sie bliebe doch nur unseretwegen bei ihm. Hä? Auch das habe ich ihr übrigens bei dieser Konfrontation vorgeworfen, dass es ihre verdammte Pflicht gewesen wäre, uns aus dieser Hölle aus Alkohol und Gewalt zu befreien anstatt uns immer wieder unterschwellig zu vermitteln, dass sie nur unseretwegen ausharren muss.

Na ja, irgendwann hat sie dann selbst angefangen zu trinken.

Einige Jahre lang war mein Vater auf Montage im Ausland und nur alle paar Monate zu Hause. Solange er nicht da war, hat sich unsere Mutter zwar um uns gekümmert, aber uns war immer bewusst, dass wir wieder auf dem Abstellgleis landen, sobald der Vater wieder da ist. Da steht sie übrigens auch heute noch zu, dass ihr Mann bzw. ihre Männer – sie war 2 mal verheiratet – immer wichtiger waren als die Kinder, weil die ja irgendwann sowieso aus dem Haus gingen…

Sie fragte mich bei unserer Auseinandersetzung z.B., ob ich mich denn nicht mehr erinnere, dass sie mit uns früher jeden Tag zu Fuß ins Nachbardorf zu ihren Schwestern marschiert seien. Da hätte sie sich doch um uns gekümmert und für frische Luft gesorgt usw. Und ich habe ihr knallhart gesagt, dass es wohl eher so war, dass sie zu ihren Schwestern wollte, mit denen sie den ganzen Tag Karten gespielt und geschwatzt hat, und uns gezwungenermaßen mitnehmen musste.
Natürlich bin ich brutal, aber unsere Kindheit war es auch.

Ich erinnere mich z.B. auch gut an Dinge wie nächtliches Wecken, wenn meine Eltern mit Bekannten Saufgelage hatten und der Biervorrat zur Neige ging. Meine Schwester und ich wurden dann aus dem Schlaf gerissen, wir waren etwa 6 und 8, bekamen eine große Tasche mit Leergut in die Hand gedrückt und wurden an den Schalter einer nahe liegenden Wirtschaft geschickt, um Nachschub zu holen. Ich weiß noch genau, wie sehr wir uns mitten in der Nacht gefürchtet haben, wie schwer die Tasche war, die wir dann voller Bierflaschen zwischen uns nach Hause schleiften, und wie viel Angst wir hatten, dass die Polizei uns verhaftet, weil Kinder doch nachts nicht auf die Straße gehören!

Interessanterweise streitet meine Mutter solche Vorkommnisse vehement ab! Das müssten wir uns einbilden! Selektive Wahrnehmung, gelle?

Oder die Nacht, als ich fast am Stickhusten gestorben wäre: Es war eine Saufkumpanin, die mein Röcheln auf dem Weg zur Toilette hörte und den Notarzt holte, der ob der verqualmten Wohnung bald die Raserei bekam.

Dazu gab es auch von Seiten meiner Mutter Gewalt. Obwohl meine Schwester und ich wirklich liebe Kinder waren – meine Schwester war zwar sehr lebhaft, aber trotzdem lieb -, bekamen wir schon bei nichtigen Anlässen Prügel. Auch gern mit einem Kochlöffel, bis er zerbrach, oder mit dem Teppichklopfer. Sie zwang uns, vorher die Höschen runterzuziehen. Und weißt du was: Ich spüre heute noch die Verachtung, die ich dabei für sie empfand!

Das Gefühl von Wärme und Zuneigung habe ich nur bei der Tante empfunden, die mich damals auch gerettet hat. Sie und ihr Mann sowie ihre Tochter haben mir auch körperliche Nähe und das Gefühl der Geborgenheit gegeben. Natürlich nicht jeden Tag, aber anscheinend hat das gereicht, keine Ahnung.

Ihre Tochter war es auch, bei der ich später, als mein Sohn klein war, gearbeitet habe und die dann später ihren einzigen Sohn verloren hat. Daher die ganz, ganz enge Verbindung zu dieser Familie, und das ist die Erklärung dafür, warum ich meine Cousine seit fast 11 Jahren intensiv in ihrer Trauer begleite. Ich kann etwas zurückgeben…

Mein Mann hat mir erzählt, dass er jetzt während der Kur seinen Mitpatienten bei den langen Wanderungen viel von meinem Leben erzählt hat, und dass ich das alles ohne Therapie und ohne Verbitterung verarbeiten konnte und auch meine Mutter mit der Vergangenheit konfrontiert habe. Als sie hörten, dass ich meiner Mutter u.a. gesagt habe, dass ich sie nicht pflegen würde, wenn sie ein Pflegefall würde, fingen die alle an zu weinen und meinten, ich sei gefühllos.

Nein, bin ich nicht. Ich bin realistisch und ehrlich. Ich hätte meine Schwiegermutter pflegen können. Weil sie mich geliebt hat.
Meine Mutter will nun etwas ernten, was sie nicht gesät hat. Ich weiß, dass es negative Gefühle in mir wecken würde, wenn ich sie pflegen sollte. Das bringt weder ihr noch mir etwas. Und zu dem Spruch „Du sollst Vater und Mutter ehren“ hab ich immer schon gesagt „und wenn sie dich schlagen, sollst du dich wehren!“.

Und noch eine Geschichte fällt mir ein, die Auswirkungen bis heute hat:
Eines Tages war es wieder gewaltig eskaliert. Mein Vater wurde von der Polizei in Gewahrsam genommen. Sie fesselten ihn an Händen und Füßen und zogen ihn liegend die Treppen runter. Ich höre noch das Aufschlagen seines Kopfes auf jede Treppenstufe…

Wir bekamen den Rat, ein paar Tage auszuziehen, weil mein Vater nur zur Ausnüchterung in die Zelle kam. Wo meine Mutter und meine Schwester blieben, weiß ich gar nicht mehr, aber ich sollte zu meiner Patentante. Dort war ich eine Woche lang. In diese Woche fiel mein 15. Geburtstag. Niemand außer meinen Arbeitskollegen hat mir gratuliert! Kein Mensch von meiner Familie! Auch meine Patentante nicht!
Dann wurde mir gesagt, dass meine Mutter und Schwester schon seit Tagen wieder zuhause seien. Ich hatte ja die ganze Zeit nichts von ihnen gehört. Also marschierte ich nach hause und klingelte. Meine Mutter öffnete die Tür und sagte: „Was willst DU denn hier?“
Ich stand einige Sekunden wie versteinert und fragte dann: „Soll ich mich umbringen, oder was?“ Ich fühlte mich absolut als Fremdkörper.
Dann durfte ich endlich rein. Eine nachträgliche Gratulation gab es natürlich auch nicht.

Ich habe mein ganzes Leben lang nie meinen Geburtstag gefeiert (außer den 30., da wurde ich gezwungen, weil sich einfach ganz viele selbst eingeladen haben), wusste aber nicht genau, wieso. Und dann fiel mir irgendwann mein altes Tagebuch in die Hand und ich las u.a. diese Geschichte. Der ganze Schmerz kam wieder hoch. Und da wurde mir plötzlich klar, wieso: Wenn ich schon in meiner eigenen Familie so lästig und überflüssig bin, dass nicht mal mein Geburtstag zählt, will ich auch allen anderen Menschen nicht zumuten, sich um meinen Geburtstag Gedanken machen zu müssen. Das ist anscheinend ein Trauma, das ich nicht verarbeitet habe. Denn ich habe immer Angst, andere Menschen zu nerven.

Boah, schon wieder 3 Seiten! Und nun muss ich einkaufen und dann Kuchen backen für morgen, Mäuschen wird 3! Ich lese später nach, du weißt, dass deine Meinung mich immer sehr interessiert.

Und keine Bange, es hat nichts mehr in mir aufgewühlt, bis auf die Geburtstagsgeschichte ist wirklich alles verarbeitet und auch verziehen. Und ich akzeptiere für mich, dass ich keine wirklich guten Gefühle für meine Mutter habe. Ich hoffe nur immer, dass ich irgendwann die Enttäuschung mit der Schwiegertochter genauso gut verarbeiten kann.

Biba Marion

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dass du keine oder nur sehr wenige

Antwort von psb am 20.04.2007, 13:38 Uhr

positiven gefühle deinen eltern gegenüber hast, kann ich verstehen und das ist auch dein gutes recht. die zeiten, in denen alles, was die eltern gemacht haben, als richtig angesehen wurde, sind zum glück vorbei.

sicher erklären solche erfahrungen deine unsicherheit. nun, da du das schon weißt, wäre es vielleicht mal ne nette erfahrung, dir deine umgebung ganz genau anzusehen, dir mal genaz bewusst zu machen, wann du positive reaktionen anderer menschen bekommst, die im alltag oft nur zu leicht übersehen werden. wer kommt alles so auf dich zu, ohne dass du den ersten schritt machen musst? wer lächelt dir auf der straße einfach so entgegen usw. solche kleinigkeiten halt. diese menschen mögen dich oder nehmen dich (im falle einer begegnung mit fremden auf der straße) zumindest positiv wahr. klar, viele sizuationen sind dir bewusst, das merkt man auch aus deinen erzählungen vor allem über deine enkel. aber vielleicht kommt ja doch ncoh viel mehr zusammen als du denkst? und dann mach dir klar: gerade diese ganz kleinen situationen, die man so schnell wieder vergisst, sagen eine menge aus ;-)

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Oh, oh Marion

Antwort von ABC-Oma am 20.04.2007, 16:21 Uhr

Dein Beitrag hat mich richtig fertiggemacht. Meine Güte, was habe ich für ein schönes Leben bisher (und hoffentlich auch weiterhin) gehabt. Es erscheint einem immer so selbstverständlich, wenn man behütet und geliebt aufwächst.
Es ist eine große Leistung, dass Du Dein Leben gemeistert hast und noch soviel Liebe geben kannst. Das muss man erst mal schaffen.
Ganz liebe Grüße *drückganzfest*
Ingrid

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Re: dass du keine oder nur sehr wenige

Antwort von Oma am 20.04.2007, 19:10 Uhr

Das ist ja das paradoxe an meiner Situation, dass meine Schwiegertochter tatsächlich die einzige Person in meinem ganzen Leben ist – nachdem ich mit 17 zuhause ausgezogen bin – die mit mir nicht klar gekommen ist!

Ich hab ja kein Problem damit, freundlich mit Menschen umzugehen, im Gegenteil, wenn ich spazieren gehe, kommt es häufiger vor, dass ich Menschen anlächle, die mir entgegenkommen. Und sie lächeln immer zurück. Gestern hab ich einer Verkäuferin am Wurststand, die sehr flott gearbeitet habe, gesagt, dass es eine Freude ist, ihr zuzusehen. Oder unvergesslich, als ich mal einer Kollegin von ihr sagte: „Ich muss Ihnen mal was sagen. Obwohl Ihre Schürze so was von unvorteilhaft ist, haben sie von allen Seiten eine sagenhafte Figur!“ Und was sagt sie? „Ach, meine Kollegin da hinten ist noch schlanker als ich.“ Typisch Frau, gelle? Dabei ging es mir gar nicht um das Schlanksein an sich, sondern sie war einfach toll proportioniert.
Ich mache gern Komplimente, allerdings nur ganz ehrlich gemeinte, versinke aber im Erdboden, wenn ich welche kriege.

Ne, mit so was hab ich kein Problem. Aber setz mich mal auf einer Feier oder Party irgendwo zu. Da bin ich stumm wie ein Fisch und die absolute Spaßbremse. Ich bin überhaupt kein smalltalker. Dazu kommt, dass ich Antialkoholiker bin. Und auf Fremde zugehen und ein Gespräch anfangen geht gar nicht. Ich fühle mich in solchen Situationen so unwohl, dass ich immer so schnell wie möglich nach Hause will.

Natürlich kann diese Unsicherheit auch arrogant rüberkommen. Meine beste Freundin sagt immer, als sie mich kennenlernte habe sie gedacht: Was für eine blöde Zicke! Aber nur, bis wir die ersten Sätze getauscht hatten *ggg*. Wir lachen heute noch darüber.

Wenn ich es zulassen würde, hätte ich einen riesigen Freundeskreis. Ich habe den aber bewusst immer ganz klein gehalten, dafür umso intensiver. Freundschaften halten bei mir lebenslänglich.
Und 6 Patenkinder sprechen wohl auch eine deutliche Sprache. Das 7. habe ich nur mit Händen und Füßen abwehren können.

Wir haben z.B. solange wir hier wohnen – 32 Jahre – total liebe Nachbar. Ein Ehepaar, etwas älter als wir mit einem Sohn und die Mutter der Frau. Die feiern gern und ausgiebig, und ich bin immer eingeladen. Weil es mich so tierische Überwindung kostet, geh ich aber nur in ganz wenigen Fällen hin, z.B. als die Oma 80 wurde. Und dann bin ich total beschämt darüber, dass sie sich alle ein Bein ausfreuen, wenn ich meinen Mann begleite, und ich frage mich dann: Wieso freuen die sich über so einen Langweiler wie mich? Ich versau denen doch bestimmt die Stimmung, weil ich nicht tanzen will, nicht trinken will, nicht singen will und und und…

Ich erfahre also wirklich von allen außer meiner Schwiegertochter nur Positives und Zuneigung. Mein Problem ist eben, das anzunehmen.

Ich denke, dass es eine reine Kopfgeschichte ist bei mir. So nach dem Motto, wenn ich für meine Eltern nichts wert war, wieso soll ich anderen Menschen wichtig sein? Ich erlebe ja tatsächlich nur Freundlichkeiten von den Menschen um mich rum, alle akzeptieren meine Eigenheiten, ich bin auch noch nie wegen meines Übergewichts in irgendeiner Form blöd angemacht worden oder sonst was. Und ich hab ja schon geschrieben, dass ich während meiner Berufstätigkeit auch bei den Kunden sehr beliebt war. Ich meine, wer von uns kommt schon auf die Idee, einfach mal ohne Grund bei seiner Versicherungsagentur vorbeizuschauen, um der Sachbearbeiterin mal Hallo zu sagen? Ich zumindest nicht *ggg*.


Mag sein, dass sich das durch eine Therapie ganz leicht hätte behandeln lassen. Nur war ich ja nie unglücklich darüber, kein extrovertierter Mensch zu sein. Ich war schon als Kind gern allein und bin es heute noch. Einsam fühle ich mich seltsamerweise nur dann, wenn ich inmitten alkoholisierter, fröhlicher Menschen sitze und so laute Musik dröhnt, dass eine Unterhaltung selbst dann nicht mehr möglich wäre, wenn es noch jemanden gäbe, der einen deutlichen Satz sprechen könnte. Also dann, wenn es für alle anderen gerade richtig toll ist *ggg*.

Ich sagte ja auch schon mal, dass ich den Menschen, der ich geworden bin, durchaus sehr mag. Ich weiß ja, warum ich bin, wie ich bin. Wenn ich mich wenden lassen könnte, wäre ich richtig schön *giggel*.

Nein, mal ernsthaft: Interessieren würde mich wirklich, warum ich mich so mühelos von meinen Eltern und ihrer Lebensführung distanzieren konnte. Wie du geschrieben hast, übernehmen ja tatsächlich die meisten das Verhalten, das ihnen vorgelebt wurde. Möglicherweise, ich bin da selbst nicht sicher, hat das einen religiösen Hintergrund.

Beim katholischen Religionsunterricht in der Schule hatte ich schon mit ca. 8 Jahren ein Riesenproblem, der Lehrerin die Geschichte mit Adam und Eva zu glauben. Anscheinend war ich da schon total kopfgesteuert. Nichts an der Geschichte erschien mir logisch.
Später kam dann im Biologieunterricht die Darwin´sche Evolutionstheorie, und ich hatte ein Aha-Erlebnis. Jaaaa, so konnte ich mir die Entwicklungsgeschichte der Menschheit schon eher vorstellen!

Meine Einstellung Bibel und Kirche gegenüber blieb extrem kritisch. Mit 14 bin ich, wie gesetzlich auch erlaubt, dem Religionsunterricht ferngeblieben. Der Kirche sowieso. Womit ich überhaupt gar nicht leben konnte, war die Beichte, die den Katholiken abverlangt wurde.

Nun hab ich ja mit 18 geheiratet. Und wie schon geschrieben, war meine Schwiemu streng katholisch und ex-konservativ. Kirchliche Trauung musste unbedingt sein. Ich wollte ihr ja auch gern den Gefallen tun – obwohl mir an Brautkleid und Schleppe nun gar nichts lag -, konnte aber nicht gegen meine innere Überzeugung vorher zur Beichte gehen. Und das war nun mal Voraussetzung für die Trauung.

Mein Mann hatte die tolle Idee, es mal bei den Franziskaner-Mönchen zu versuchen, ob die mir die Absolution auch ohne Beichte erteilen würden.
Einem dieser sehr netten Menschen erzählte ich dann, dass ich mit 14 den Entschluss gefasst habe, so zu leben, dass ich mich jederzeit im Spiegel anschauen kann. D.h. konkret: Ich werde niemals jemanden töten, absichtlich verletzen, niemals stehlen, fremdgehen, lügen (von den kleinen Notlügen abgesehen, die man braucht, um jemanden nicht zu verletzen), missgünstig sein usw. Und sollte mir doch mal etwas davon passieren – und da ich nicht Gott bin, wird mir selbstverständlich auch mal was danebengehen – hilft es keinem, wenn ich damit zu einem Priester beichten gehe und der mir dann als Wiedergutmachung 10 Vaterunser aufbrummt. Ich habe dem Franziskaner gesagt, dass meiner Meinung nach die Beichte die Menschen um eine gute Möglichkeit der persönlichen Weiterentwicklung bringt, indem er es ihm mit der Beichte so leicht macht. Wenn ich jemanden verletzte habe, geht das nicht den Priester was an, sondern den Menschen, den ich verletzte habe. Zu dem muss ich gehen und mich von Herzen entschuldigen und mich bemühen, diesen Fehler nie wieder zu machen. DANN habe ich für mein Leben was gelernt und dem anderen ist es auch wohler.

Das ist zwar sehr viel unangenehmer, als es anonym dem Mann mit der schwarzen Kutte zu erzählen, der dann – mit welchem Recht eigentlich? – verzeiht. Aber es macht auch sehr viel mehr Sinn als 10 Vaterunser zu beten.

Ich hatte Glück, der Mönch konnte meinen Gedankengang nachverfolgen und erteilte mir tatsächlich die Absolution. Und wir konnten die Schwiegermama glücklich machen *ggg*.
Du siehst, ein kleiner Revoluzzer war ich immer schon…

Dadurch, dass ich tatsächlich schon so früh angefangen habe, mein Leben bewusst und verantwortungsvoll zu leben, ist es mir natürlich nie schwer gefallen, das zu verinnerlichen und zu einer Lebenseinstellung zu machen. Es macht mir keine Mühe. Und ein Leben nach dem Vorbild meiner Eltern war mit dieser Lebenseinstellung einfach nicht vereinbar.
Das könnte die Erklärung sein, oder?

So, nun habe ich gerade beide Kuchen aus dem Herd geholt, und beide sind gelungen *FREU*. Muss gleich nur noch die Küche wieder vom Chaos befreien.

Und nebenbei läuft „Das perfekte Dinner“. Ich LIEBE es!!!

Übrigens hat morgen nicht nur unsere Kleine Geburtstag, sondern auch meine Mutter und die Tante, von der ich erzählt habe *grummel*. Und ich darf mich nicht mal beschweren, mein Mann und mein Sohn haben nämlich auch am selben Tag Geburtstag! DAS konnte man dann allerdings besser unter einen Hut bringen als die Geschichte morgen.

Drückerchen von Marion

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Das war aber ein liebes Drückerchen!

Antwort von Oma am 20.04.2007, 19:31 Uhr

Aber ich muss mal sagen, mein Leben war ja nicht nur besch…. Okay, bis 1986 war es das *ggg* Aber dann hatten wir 20 Jahre lang ein ganz wunderbares, schönes Leben. Wir hatten Kindheit, schwere Krankheiten bei Sohnemann und mir und heftigste Ehekrisen gemeistert und waren daran gewachsen. Der Sohn hat uns nur Freude gemacht, wir hatten beide einen Job, der uns Spaß machte, und bis auf chronischen Geldmangel war alles rundum perfekt.

Mein Mann und ich haben, vor allem nach der Geburt der Enkel, manche Glücksträne geweint, und ich meine das wirklich wörtlich. Ich bin überzeugt, dass nur wenige Menschen eine so glückliche zeit erleben dürfen wie wir. Ob wir das allerdings auch so intensiv empfunden hätte, wenn es uns immer so gut gegangen wäre, wage ich zu bezweifeln. Jedenfalls haben wir uns als wirklich unendlich reich empfunden. Auch dann noch, als die ersten Tiefschläge kamen:

Zuerst hat mein Mann den 5. Banküberfall nicht mehr verkraftet und musste seine geliebte Zweigstellenleiterposition aufgeben.

Als nächstes haben wir uns mit dem Hauskauf auf Wunsch von Sohn und Schwiegertochter bis an unser Lebensende hoch verschuldet.

Dann wurde ich arbeitslos.

Und trotzdem fühlten wir uns immer noch gesegnet. Bis dann die Sache mit der Schwiegertochter passierte…

Nun bin ich wieder auf der Suche nach der inneren Balance. Ich war zum ersten Mal im Leben verbittert, weil das alles so unglaublich unfair war. Aber ich sag mir immer, ich habe meinen Eltern verzeihen können, ich werde es sicher auch schaffen, der Schwiegertochter zu verzeihen. Ist wohl alles eine Frage der Zeit.

Und mein Mann hat Recht: Von der schönen Zeit, die wir erleben durften, können wir lange zehren.

Ich drück dich auch…
Marion

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oft steckt dann unterbewusst das gefühl dahinter

Antwort von psb am 21.04.2007, 20:10 Uhr

"das hab ich nicht verdient"! so hast du es ja in der kindheit verlernt und das bleibt, auch wenns einem nicht so bewusst ist

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Re: da gehörst du zu den glücklichen ausnahmen...

Antwort von Oma am 21.04.2007, 21:58 Uhr

Ich hoffe, das landet jetzt unter deinem Beitrag mit dem Betreff "Da gehörst du zu den glücklichen Ausnahmen".

Also, ich grübel über deinen letzten Absatz.

Zitat:
"sich in eine andere richtung weiter zu entwickeln, sich anders zu verhalten als das, was man vorgelebt bekommt nachzuahmen, dazu gehört also eine gewisse intelligenz, das bewusstsein über missstände und der wille, etwas zu ändern. viele verfügen nur über einen teil dieser eigenschaften oder eben auch über keine einzige und die haben letztlich keine chance, ohne fremde hilfe etwas anders zu machen."

Diese fremde Hilfe, Petra, wer kann das sein?

Die Geschichte, die Jovi gerade im Aktuellen Forum geschrieben hat über die betrunkenen Jugendlichen, die nachts randalierend durch ihr Dorf ziehen, beschäftigt mich derzeit.
Ich glaube, dass die Eltern in diesem Alter ganz hinten auf der Liste derjenigen stehen, die Einfluss nehmen können. Aber wer dann?

Lehrer? Polizisten? Streetworker? Verwandte?

Johanna schreibt ja, dass sie mit der Mutter des einen Jungen gesprochen hat und erfahren hat, dass der Vater auch Alkoholiker ist. Was ja in das Bild paßt, das du oben gemalt hast.

Ich habe mich früher immer vor genau so einer Situation gefürchtet, zum Glück umsonst.

Wenn du dich in die Lage einer Mutter versetzt, deren 15jähriger Sohn regelmäßig volltrunken ist, was würdest du tun???

LG Marion

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