Rund um die Erziehung

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Geschrieben von solelo am 21.07.2007, 20:00 Uhr

Zigaretten

Hallo Frosch,

es gibt keine Patent-Rezepte. Jeder NE wird es anders handhaben, und solange es nichterzieherisch ist (also ohne Erziehungsziel), ist für ihn sogar auch ein "Verbot" OK. Das ist wie mit der befahrenen Straße – wenn du das für extrem gefährlich hältst, dann lässt du es nicht zu! Wenn du das Gefühl hast, darauf vertrauen zu können, dass es eh bei nur einem Ziehen bleibt, weil es eh eklig und kratzig ist, dann lässt du wohl ziehen. Wenn du schlimme Folgen befürchtest, von denen du denkst, dein Kind ist noch zu jung, um diese zu erfassen, dann handelst du natürlich anders, als wenn du keine Angst hast.

Nur weil der eine oder andere NE es nicht zulässt ist er nicht gleich seinen ganzen Prinzipien untreu gewesen – Gefahr ist eben Gefahr, und da greift jeder halbwegs gesunde Mensch ohne. Es kommt in solchen "Grenzsituationen" immer auf deine eigene Definition von "Gefahr" an. "Nichterzieher" haben keine "absolute" Def. von Gefahr. Da unterscheiden sich die Meinungen.

Allerdings fällt auf, dass sich NE viele Gedanken über eben diese Definitionen machen und diese oft hinterfragen und neu diskutieren. In der Mailingliste werden auch oft Gefahren diskutiert und da habe ich schon die eine oder andere Definition von mir revidiert.

Wer zu NE gekommen ist, hat ja auch bereits sehr viele Definitionen über "Gefahr" über Bord geworfen ("Nicht zu erziehen ist total gefährlich: die Kinder werden narzisistisch, unhöflich, asozial und überhaupt unverantwortlich und zu nichts zu Nutze", z.B. ;-))

ICH persönlich würde wohl ziehen lassen, ich glaube das würden auch viele Erzieher, aber nur, wenn deutlich wird, dass das Kind wirklich genau das ausprobieren will. Ich würde aber mit Sicherheit vorher sagen, dass das schädlich ist, was das verursacht, ich würde Ablenkungsversuche unternehmen, ich würde vielleicht Mal an einer nicht angezündeten Zigarette ziehen lassen – ich würde versuchen, herauszufinden, ob es was anderes ist, was das Kind interessiert (Feuer, Rauch... etwas brennendes in der Hand halten...), ich würde vielleicht ein Räucherstäbchen anbieten, vielleicht würde ich eine Zigarette anzünden und halten lassen etc. – das sind alles so Lösungen, die nur auftauchen, wenn man das Kind wirklich ernst nimmt und nicht denkt: Das Kind ist "unfertig". Erst wenn es "fertig" (erwachsen) ist, darf es alles machen. Jetzt darf es das eben noch nicht. Punkt aus. Statt dessen denke ich: Das Kind ist genau richtig so, wie es ist. Wir sind alle "unfertig". Wir sind alle neugierig. Wie kann ich ihm HELFEN seine Neugier auf sichere Art und Weise zu befriedigen?

Und wie gesagt, geht man ansonsten mit Neins sparsam und ehrlich um, werden sie allermeistens akzeptiert. Es sei denn eben, es ist super wichtig für das Kind, das teilt es mir dann mit. Erst dann versuche ich, kreative Lösungen zu finden.

Das mit den Neins habe ich heute wieder gemerkt. Wir waren in der Stadt und sind mit unserem 22-Monate altes Kind shoppen gegangen. In verschiedene Läden und so weiter. Er ist überall hin, wollte alles anfassen. Immer ist einer von uns hinterher und hat ihn halt machen lassen – auf sichere Art und Weise, also haben wir aufgepasst, wenn er irgendwas hätte umschmeissen können oder so. Und es war erstaunlich: Ich konnte bei 95% der Fälle einfach "nein, das können wir nicht anfassen, schau Mal dort"* sagen, und er ist einfach weiter gegangen. In nur ganz wenigen Fällen hat er darauf bestanden. Dann haben wir andere Lösungen gefunden, ein Mal war es Schuhe ausziehen (er wollte auf so Polster drauf), das andere Mal war es ich komme mit (im Aufzug spielen, hoch und runter fahren...) und den Rest weiß ich nicht mehr. War eben selten.

Daher bin ich sicher, die Wahrscheinlichkeit dass mein Kind bei der Zigarette drauf besteht ist einfach gering. Und ich zerbreche mir normalerweise nicht den Kopf darum, was ich bei gewissen Eventualitäten machen könnte – es ist genug, sich mit der Realität allein zu befassen. Um die Eventualitäten (vielleicht will er NIEMALS eine Zigarette in den Mund nehmen als Kind) kümmere ich mich, wenn es soweit ist. Und nur weil ich JETZT noch nicht weiß, wie ich mit gewissen Eventualitäten umgehen könnte, würde das an meiner Entscheidung zur NE etwas ändern. Ich würde nicht denken: "Oh, da und da gibt es ein Problem, das kann man nicht nichterzieherisch lösen. Dann lass ich es lieber ganz". lol

Daher bevorzuge ich bei solchen Diskussionen immer KONKRETE Fälle, mit dem konkreten Kontext, Dinge, die wirklich passiert sind oder Probleme, die tatsächlich stattfinden. Mit den theoretischen Fällen – da fehlen so viele Umstände und Informationen, man weiß nicht, was die konkreten Bedürfnisse sind, die dahinter stecken, man kann keine Rückfragen stellen und außerdem kann man sie total weit treiben bis hin zu Fällen, von denen wir als NE sowieso nicht ausgehen, vor allem wenn es um Drogenkonsum geht.

Bei all dem Rauch und Smog, den wir tagtäglich einatmen wird wohl ein Mal schlecht und unbedarft an einer Zigarette ziehen kaum was ausmachen. Das ist aber eben MEINE Definition.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass gesunde ausgeglichene Menschen nicht zu Drogen greifen. Zumindest nicht zu harten - Heroin oder sonstige harte Drogen sind dann auch immer gern genommene theoretische Anfragen. Wenn es so weit kommt, dann ist gewaltig was schief gegangen, meiner Meinung nach. Und auch wenn mein Kind niemals ein Nein von mir akzeptiert – dann ist die Beziehung vielleicht auch nicht unbedingt intakt. Ich würde mich eher darum kümmern. Und natürlich geht für mich eine intakte Beziehung nur: erziehungsfrei ;-)

Grüße
Johanna
www.unerzogen.de

 
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