Forum Aktuell

Aktuelles und Neuigkeiten

Fotogalerie

Redaktion

 
Ansicht der Antworten wählen:

Geschrieben von Alhambra am 26.12.2017, 9:05 Uhr

Oh du fröhliche Rinderhüfte...

Bin Hundemüde und kann nicht mehr schlafen. Sodbrennen. Logische Konsequenz einer Fressorgie. Beste Zeit die letzten zwei Tage Revue passieren zu lassen.

Heilig Abend war Marathonkochen. Habe alles vorbereitet, was ging. Schulterklopfer!

Die Rinderhüfte machte den Anfang: ich habe mich streng an das Rezept gehalten. Alles fein aufgefahren wir im Kochstudio ‚Ich habe da schon mal was vorbereitet‘. Pfefferkörner und Piment in der Pfanne rösten - ohne Koriandersamen – dafür mit dem getrockneten Koriander und allerlei Gewürzen im Mörser weiterverarbeitet. Dann das Rind sanft damit eingeölt, massiert, geklopft, ein paar Akkupressurtechniken angewandt, wohlwollend zugesprochen und sanft in den Bräter gelegt. Alles fein angebraten, Gemüse drauf und zum Schluss der Burgunder. Lt. Rezept eine ganze Flasche. Überlege kurz ob das nicht zu viel ist. Hier Hüfte, lass es krachen, haste dir verdient! Ganze Flasche. Basta! Ab in den Ofen, wir sehen uns in drei Stunde wieder!

Weiter geht’s: Ey, Hokoaido ich kann Mikado! Drohe dem Kürbis, der als Suppe enden soll. Tut er auch. Mir tun die Schultern weh vom Häckseln. Wieso liegen denn da noch die Gummihandschuhe? Gucke auf meine orangenen Hände. Honk! Lege sie wieder in die Packung zurück. Spart ja auch Müll und schrubbe meine Hände wund. Suppe fertig. Teenager inzwischen wach. Klasse. Es gibt Suppe zum Mittag. Probeprobieren. Schmeckt. „Was gibt’s den heute Abend?“ fragt Familie und schaut mich erwartungsvoll an. Zeit für neue Traditionen: Pizzatoast! Mann zeigt keine Regung, Tochter jubelt: „Geil“. Ok. 50 % Begeisterung am Tisch. Es wird also Pizzatoast.

Dann mal die Hütte in Schuss bringen. Sauge mir einen Wolf. Piepmätze sind in der Mauser und Hund haart aus hobbytechnischen Gründen. Ich sauge und wiener. Hütte blitztblank. Zeit, dem Rind einen Besuch abzustatten.

Ofen auf, Deckel runter. Erwartungsvoller Blick in den Pott: Nanu, wo isses hin? Gerade noch kaum in den Topf gepasst versteckt sich das Ding jetzt unter einem Scheibchen Möhre. Echt jetzt? Ich kaufe eine Kuh, zahle den Preis von zweien und im Topf liegt ein magersüchtiges Kälbchen? Soviel zum Metzger des Vertrauens! Mach doch was du willst, brüll ich in den Topf und hau den Deckel wieder drauf. Außerhalb der Küche höre ich hektisches Auseinanderstreben. Die haben mitgekriegt, dass ich knatschig bin und bringen sich in Sicherheit. Mit mir ist nicht gut Kirschen essen, wenn sich Lebensmittel in meiner Gegenwart nicht anständig benehmen.

Wende mich dem letzten Akt der Vorbereitungen zu: Crepe mit Räucherlachs. Das ist keine Herausforderung und klappt schnell. Richtig lecker sogar. Muss aufpassen, nicht zu viel zu naschen.

Am Abend ist auch der Heilige Pizzatoast vertilgt. Die Bescherung war kurz, nur Kind bekam was. Schöner Füller, den habe ich mir schon mal ausgeliehen, kann ich nicht mit schreiben. War ja irgendwie klar. Der Tag neigt sich dem Ende. Vor der Glotze schlummere ich immer wieder weg. Der Tag war hart, dafür ist die Matratze weich.

Am nächsten Morgen kriege ich den Hintern nicht aus dem Bett. Passiert mir so gut wie nie! Ich bin Frühaufsteher. Heute nicht. Schleppe mich zum Wachwerden aufs Sofa und knacke wieder weg. Nützt alles nix: mach hinne, brülle ich mich innerlich an.

Alles was warm gemacht werden muss aus dem Kühlschrank raus. Tisch festlich eindecken. Dann noch mal einen Kontrollgang durch die Bude, ein letztes Mal den Staubsauger in die Hand nehmen. Unterm Vogelkäfig liegen wieder massig Federn. Wie machen die das bloß? Auf der Stange müssten jetzt zwei nackte Hühnchen sitzen. Sind aber vollständig bekleidet. Ich vermute, dass meine Wellis zwei Double engagiert haben und irgendwo Nudistenurlaub machen. Kann gar nicht anders sein.

Ok, ist so weit. Besuch ist da. Räucherlachs-Crepe aufgeschnitten, nett drapiert. Das Auge ist begeistert, der Gaumen sucht nach dem Geschmack. Was gestern noch so lecker schmeckte, ist heute nur dröger Driss. Nein, nicht aufregen! Das war die Vorspeise, kann nur besser werden!

Kartoffeln und Gemüse in die Schüsseln verlagert. Schrumpfhüfte scheibchenweise in der Küche auf die Teller gelegt. Jeder nimmt sich und wir essen los.

Das Rind schmeckt … wie soll man es beschreiben… so … gewöhnlich. Profan. Langweilig. Wie ein oller Mittwochsbraten. Nach der ganzen aryuvedischen Behandlung tust du mir das an, du blöde Kuh? werfe ich dem Braten vor und tropfe ein paar imaginäre Tränen in die Soße. Ein gewöhnlicher Braten auf dem Teller, der eines Festtages nicht würdig ist. Dafür sind Kartoffeln und Gemüse nur noch lauwarm. Passt also.

Offenbar wurde mein imaginärer Taschentuchhaufen neben meinem Teller bemerkt und alle fangen an das Fresschen zu loben. Lügner! Alles Lügner!

Egal, ist vorbei.

Immerhin waren die selbstgebackenen Kekse und die Suppe am Abend lecker. Zum restlichen Räucherlachs-Crepe habe ich schnell noch etwas Creme nachgerührt und sie schmeckten dann noch ganz gut. So konnte ich meine Kochlöffelehre immerhin teilweise wieder herstellen.

Aber das blieb eben nicht folgenlos. Nun kämpfe ich halt mit Sodbrennen, eindeutig zu viel gefressen! Und heute? Anstatt nach dem Frühstück traurig mit dem Taschentuch zum Abschied zu winken stehe ich wieder am Herd. Besuch bleibt bis zum Kaffee. Nächstes Jahr lade ich mich irgendwo zum Essen ein. Und wenn ich bei wildfremden Leuten klopfen muss. Ich mag nimmer.

Oben regt sich was, ich muss den Kaffee anwerfen.

Trotzdem allen eine schöne Weihnacht und besonders jenen, die ebenfalls den Herd malträtieren mussten und wieder müssen:o)

 
Unten die bisherigen Antworten. Sie befinden sich in dem Beitrag mit dem grünen Pfeil.
Die letzten 10 Beiträge
Mobile Ansicht

Impressum Über uns Neutralitätsversprechen Mediadaten Nutzungsbedingungen Datenschutz Forenarchiv

© Copyright 1998-2024 by USMedia.   Alle Rechte vorbehalten.