Schwanger - wer noch?

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Geschrieben von Astrid am 02.11.2004, 9:50 Uhr

Ich finde, so einfach ist das alles nicht (bissel lang)

Hallo,

früher hätte ich auch immer gesagt, Abtreibung darf auf keinen Fall sein, auch nicht bei einem wahrscheinlich behinderten Kind. Ich selbst würde immer noch kein Kind abtreiben, auch kein behindertes. Daherlasse ich, wenn ich nochmal schwanger werde, auch keine Fruchtwasseruntersuchung machen (bin schon 38).

Ich habe aber kürzlich einen Artikel von Eugen Drewermann (Kirchenkritiker und Psychotherapeut) zu dem Thema gelesen, den ich sehr interessant fand, und der mich schon zum Nachdenken gebracht hat. Für mich selbst ist die Sache immer noch klar, aber ich kann andere nicht mehr so leicht verurteilen. Er sagte, dass ja schon schätzungsweise 30 bis 60 Prozent aller Schwangerschaften von der Natur beendet werden, viele unbemerkt, manche erst später. Und nicht immer ist ein Gendefekt oder eine andere erkennbare Störung die Ursache, sondern es passiert auch einfach so. Generell neige die Natur dazu, sich zu verschwenden, einen Überfluss zu produzieren und dann nur wenige Individuen überleben zu lassen. Das gilt nicht nur für den Menschen, sondern erst recht bei den Tieren. Viele Säugetiere überleben nicht den ersten Winter oder das erste Jahr. Nur eine von 1000 kleinen, wunderhübschen und frisch geschlüpften Meeresschildkröten erreicht das rettende Wasser und später das Erwachsenenalter. Der Rest wird einfach aufgefressen. Aus Millionen von Fischeiern schlüpfen nur ein paar Dutzend Lachse, die wirklich die ersten Lebensjahre überstehen. Der Beispiele sind unendlich viele, im Menschen- und Tierreich.

Natürlich ist der Mensch immer noch etwas Besonderes, zwar offenbar nicht unbedingt für die Natur, aber für uns selbst. Trotzdem kann man, wenn schon von Natur aus ein Riesenprozentsatz der Schwangerschaften einfach so und ohne erkennbaren Grund nicht erfolgreich verläuft, eine Frau, die einen Embryo abtreibt, nicht mehr so leicht verurteilen, meine ich. Denn auch die Natur nimmt ja offenbar den Tod unendlich vieler Embryonen in Kauf, bzw. dieser ist sogar vorgesehen und selbst ein Teil der Natur.

Auch ist es für eine Frau, die in der Schwangerschaft davon erfährt, dass ihr Kind höchstwahrscheinlich schwer behindert sein wird, ja zunächst sicher ein Schock. Und nicht jeder Mensch hat wirklich die Kraft, die Angst vor der Zukunft, die sich dann einstellt, zu besiegen. Vielleicht ist man eh psychisch nicht stabil, die Ehe nicht so, dass man dem Partner zutraut, dass er ein behindertes Kind mitträgt usw. Viele Männer gehen ja z.B. leider laufen, wenn ein behindertes Kind geboren wird.

Über andere kann man immer leicht richten, wenn man nicht in der Situation ist. Ich selbst hätte durchaus Angst vor einem Leben mit einem kranken Kind, vor allem, wenn es eine Krankheit oder Behinderung hat, die seine Lebenserwartung stark verkürzt. Der Gedanke, dass man sich viele Ängste, Jahre und Jahrzehnte von Sorgen und nicht zuletzt auch die vielleicht sehr aufwändige Pflege eines schwerbehinderten Kindes ersparen kann, klingt dann vielleicht schon recht verlockend für eine betroffene Schwangere.

Ist das Leben mit einem leicht behinderten Kind ja sicher trotzdem durchaus schön, oft fröhlich und erfüllend, sieht es bei einem schwerst behinderten Kind schon anders aus. Eine Nachbarin von uns hat einen Jungen mit Hydrocephalus (Deformierung von Kopf und Gehirn), der nur liegen und unartikulieret Laute ausstoßen kann. Er ist jetzt 17, muss täglich mehrfach gewickelt und gefüttert werden. Die Mutter kann nicht zurück in ihren Job, Urlaube sind extrem schwierig, der Alltag richtet sich sehr nach dem Jungen aus, der den Stand eines wenige Wochen alten Babies hat. Die Mutter bekommt keinerlei positives Feedback von ihm, weil er nicht einmal lächeln kann. Dass so etwas einer Schwangeren Angst macht, ist doch klar, und da gibt es nichts schönzureden.

Ich will nochmal betonen, dass ich selbst mich immer FÜR ein Leben mit Kind entscheiden würde, egal ob behindert oder nicht. Aber ich finde, jeder sollte hier nur für sich selbst sprechen und nicht behaupten zu wissen, was für andere gut ist, oder?

Liebe Grüße,

Astrid

 
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