Ich melde mich nach 20 Tagen auch mal wieder zurück!

Hallo ihr Lieben,
ich habe mich längere Zeit nicht mehr bei euch gemeldet, da bei uns viel passiert ist. Unsere Zwillinge sind bereits am 15.07. geboren. In der Nacht nach meinem Beitrag mit dem Schleimpfropf ging es los. Leider gibt es auch eine sehr traurige Nachricht. Unser Sohn ist einen Tag nach Geburt, also am 16.07. verstorben. Unserer Tochter geht es prima. Wen es interessiert was bei uns passiert ist (nichts für schwache Nerven - sehr traurige Geschichte), der liest es am besten nicht.


Geburtsbericht:
Nachts um ca. 4:30 Uhr bin ich aufgewacht und es hat „plopp“ gemacht. Ich dachte sofort an einen Blasensprung. Fasste mit meiner Hand nach unten und machte gleichzeitig das Licht an. Der Schock: alles voller Blut. Also wirklich sehr, sehr viel dunkles frisches Blut mit sehr vielen großen Blutkoageln also geronnenes Blut. Das ganze Bett war voll. Ich versuchte aufzustehen, ging mit einem Handtuch zwischen den Beinen ins Wohnzimmer wo mein Freund schlief und sagte wir müssen sofort in die Klinik sonst haben wir gleich kein Kind mehr. Da ich Kinderkrankenschwester auf der Neointensiv bin, hab ich sofort an eine Plazentaablösung gedacht. Mein Freund weckte meine Mutter die ein Haus nebenan wohnte um nach unserem Großen zu sehen. Ich bin schnell das Blut abspülen und wir sind sofort los ins Krankenhaus. Auf dem Weg dorthin, in unserer Straße, saßen dann noch 2 Störche auf den Straßenlaternen…
15 Minuten später waren wir in der Klinik (ein Krankenwagen hätte länger gebraucht mit Anfahrt). Hebammen waren erstmal alle beschäftigt, sodass mir ein Arzt öffnete, der sich erstmal um mich kümmerte und vaginal untersuchte. Blutung war in dem Moment kaum mehr da und Schmerzen hatte ich nicht wirklich (vielleicht auch durch den Schock - allein beim Autofahren war es vielleicht etwas unangenehm in Kurven oder Unebenheiten auf der Straße). Der Arzt machte einen Test ob ich einen Blasensprung hatte, dieser war positiv. Er machte Ultraschall und sagte noch „Durchblutung sei gut“… ich berichtete ihm von meiner Vermutung und fragte noch woher denn dann das ganze Blut kommt. Er sagte er wüsste es nicht. Dann versuchte er das CTG anzulegen was er nicht hinbekam und dann kam endlich eine Hebamme. Beim Mädchen konnte man die Herztöne sofort finden, beim Jungen waren sie immer kurz da und dann wieder weg, bzw. sah es so aus wie beim Gyn. manchmal auch wenn sich die Babys bewegen und es dann kurz mal 80/90 Herzfrequenz anzeigt (mein Puls). Es machte niemand Panik. Dann sollte ich in einen anderen Raum wo wieder CTG angeschlossen wurde. Plötzlich erschien beim Jungen vereinzeln nur eine Herzfrequenz von 50. Da war auch mir klar, dass dies nicht von mir sein kann. Es ging die Tür auf und es hieß es müsste sofort ein Kaiserschnitt gemacht werden da die Herztöne auffällig sind. Ich hab erfahren, dass zuvor auch eine Hebamme ganz aufgelöst aus dem Zimmer lief, und sich darüber beschwerte wie der Arzt ihre jahrelange Erfahrung infrage stellen könnte denn sie vermutet eine vorzeitige Plazentalösung (wie ich auch). Dann musste alles schnell gehen, ich kam sofort in den OP, leider wurde trotz eiliger Sectio trotzdem erst eine Spinalanästhesie gelegt anstatt eine Vollnarkose zu machen. Ganze 2 1/4 Stunden nach meiner Ankunft in der Klinik wurde erst der Notkaiserschnitt gemacht und leider kam mein Sohn ohne Herztöne auf die Welt. Die Kinderärzte inkl. zwei Oberärzte (alle von der Station auf der ich arbeite), waren alle schon alarmiert worden und standen bereit. Unser Sohn wurde längere Zeit reanimiert, wurde anschließend beatmet und hatte sehr viele Medikamente am laufen um irgendwie seinen Kreislauf aufrecht zu erhalten. Er bekam 1 1/2 Tage lang ununterbrochen Blutkonserven die sie teilweise mit der Hand gespritzt haben weil die Medikamente nicht ausreichten um einen stabilen Blutdruck zu erhalten. Seine Blutgerinnung war ebenfalls gleich null, sodass er eine zunehmende Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum hatte (evtl. Blut von der Reanimation??) man konnte ihn nicht operieren Und nachschauen weil er zu instabil wer. Er hatte so einen großen Sauerstoffmangel zur Geburt gehabt, sodass seine Organe nicht mehr angefangen haben zu arbeiten. Niere und Leber waren sozusagen kaputt. Zur Beatmung hat er anfangs noch gut mitgeatmet und seine Augen hat er immer geöffnet und meine Hand gegriffen. Die Hirnströme waren sehr auffällig durch den Sauerstoffmangel, dass er falls er überlegt hätte, schwerst geistig und körperlich behindert gewesen wäre. Nach vielen Gesprächen mit meinen Kollegen (pflegerisch und ärztlich), haben wir uns für eine Therapiebeendigung entscheiden und er durfte auf meinem Arm sterben. Unser Sohn Kian Leon ist daher einen Tag nach seiner Geburt (nach 31 Stunden) mit 2460g und 47cm verstorben. Seine Schwester Lina Mia durfte von Anfang an bei mir bleiben. Sie ist mit 2940g und 47cm geboren. Sind daher bis SSW 36+4 gekommen. Hätten die Ärzte schneller reagiert und nicht über 2 Stunden gewartet, wäre unser Sohn vielleicht noch am Leben… ich bin direkt am selben Tag mit meiner Tochter nach Hause, also einen Tag nach Kaiserschnitt. Ärztlich gesehen hatte ich das okay da die Nachblutungsgefahr nach 24 Stunden kaum mehr gegeben ist. Und wegen unserer Kleinen bin ich ja vom Fach. Für die U2 sind wir dann am 6. LT zu meinen befreundeten Kinderarzt. Eine Nachsorgehebamme hab ich nicht. Die Hebamme, die in der Klinik so aufgelöst war, hat sich mit angeboten kostenlos bei mir vorbei zu kommen. Auch viele andere Leute dort, sei es Kollegen oder Ärzte aus der Frauenklinik, haben sich mir angeboten. Leider bringt mir das alles meinen Sohn auch nicht wieder zurück auch wenn es lieb gemeint ist. Wir werden letztendlich etwas warten und dann Klage gegen die Frauenklinik bzw. den zuständigen Arzt im Kreißsaal einreichen.
Eine Woche nach der Geburt, also am 22.07., war die Beerdigung unseres Sohnes.
Unser großer Sohn (3 Jahre) durfte mit in die Klinik und hat seinen Bruder lebend und sich tot gesehen. Er war auch bei der Beerdigung dabei. Er wünscht sich trotzdem noch einen „neuen“ Bruder sagt er und erzählt überall, dass sein Bruder gestorben ist. Seine Schwester liebt er über alles und kümmert sich toll um sie.
Zum Glück waren meine zwei Zweieiig…
Im Geburtsbericht steht nun: vorzeitige Plazentalösung und eilige Sectio…
Grund für die Plazentalösung wissen wir nicht.
Im Anhang ein Foto meines Sohnes in der Klinik. Ich bleibe nun erst einmal 20 Monate Zuhause in Elternzeit und dann muss ich schauen ob ich überhaupt dort wieder arbeiten kann. Immerhin arbeite ich auf der Station, auf der mein Sohn verstorben ist, ich laufe daher ständig an den Platz, Bett, Zimmer vorbei und sehe außerdem ständig seinen Namen an der Wand, wo all unsere verdorbenen Patienten verewigt werden.

Trotz allem versuchen wir viel rauszugehen. Mir geht es mittlerweile körperliche, was den Kaiserschnitt angeht, wieder super. Unser großer Sohn und auch unsere Kleine lenken uns bestmöglich ab. Mittlerweile wissen es dann auch bald alle in unserem Umfeld, sodass man nicht mehr ständig damit konfrontiert wird und erklären muss, wo denn der andere Zwilling hin ist.

Ich wünsch euch allen auf jeden Fall eine schöne Geburt.
Lg