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Geschrieben von Benedikte am 24.09.2006, 17:43 Uhr

Armut in Deutschland- ein wichtiges Thema

Fuer mich ist das Thema Armut in Deutschland ein wichtiges Thema und absolut zentral fuer die Gesamtentwicklung unserer Gesellschaft.

Diejenigen von Euch, die den letzten Armutsbericht der Bundesregierung gelsesen haben- oder die letzten und sich mit dem Thema etwas auseinandergesetzt haben, wissen, wie Armut definiert ist: arm ist der, der weniger als 50 Prozent des Durchschnitsseinkommens auf Dauer zur Verfuegung hat.

Es ist voellig albern, diesen Wert an den Zustaenden in Afrika zu messen und zu behaupten, wer satt und sauber sei, sei nicht arm. Armut wird bei uns als Teilhabe am gesellschaftlichen Leben definiert- als die Moeglichkeit, ins Kino, Theater, Vortrag zu gehen, mal aus essen zu gehen, sich ordentliche Kleidung zu kaufen etc.pp. Daran ist ALg 2 orientiert, das zu ermoeglichen- nicht nur satt, sauber und warm.Und ganz klar- wenn jetzt Volkes Stimme definiert,Hartz 4-Empfanger seien nicht arm, weil sie ja mehr haetten als viele Menschen in Afrika, dann ist das menschenverachtend, dumm und vor allem falsch.

Armut meint hier nicht hungrig zu sein, Armut bedeutet den verzicht auf Zukunftschancen. Wer von uns hat es nicht schon xmal gehoert inzwischen, dass fuer den Schulerfolg eines Kindes die soziale Herkunft der wichtigste Indikator ist? Wieviele Leute leben von Staatsknete in der zgsten Generation?Wieviele Familien gibt es, wo keiner erwerbstaetig ist- und wo Kinder ueberhaupt keine Chancen haben, zu lernen, dass man fuer seinen Lebensunterhalt arbeiten muss und sich zumindest ein Elternteil morgens aus dem Bett werfen sollte um auf Schicht zu gehen?

Armut bei uns ist Bildungsarmut, Zukunftsarmut, Chancenarmut. Und ganz klar-das meint zum wenigsten Teil materielle Armut, die verhindert der Sozialstaat.

Von daher- haelt man Futtern fuer das wichtigste und einzige auf der Welt, dann mag man auf die Idee kommen, es gebe keine Armut in Deutschland- denn wer satt sei, koenne nicht arm sei.

Aber wenn man erkennt, dass das Leben nicht nur aus Essen besteht, sondern dass es noch mehr gibt- dann muss man sehen, dass es Armut in Deutschland gibt.


Benedikte

 
30 Antworten:

Re: Nee....

Antwort von Lily24 am 24.09.2006, 18:24 Uhr

Du hast völlig recht, wenn Du schreibst, dass der soziale Hintergrund des Elternhauses über den Schulerfolg des Kindes entscheidet. Allerdings hat das nichts mit Geld zu tun, sondern mit der sozialen Schicht, der die Eltern angehören, in erster Linie mit deren Bildung und mit den Werten, die sie vermitteln. Eltern, die selber einen geringen Bildungsstand besitzen, messen der Schulbildung ihrer Kinder fast immer eine wesentlich geringere Bedeutung bei als höher qualifizierte Eltern, die sich denn auch wesentlich intensiver um die Ausbildung ihrer Kinder bemühen und ihre Kinder entsprechend prägen. Geringer qualifizierte Eltern vermitteln ganz andere Werte als erstrebenswert und setzen auch häufiger den Fernseher oder Spielecomputer als Babysitter ein. Das niedrigere Einkommen der Familien ist häufig nur eine Begleiterscheinung neben vielen anderen, viel größeren Problemen, die den späteren Erfolg der Kinder in weitaus stärkerem Maße im Wege stehen. Den Familien mehr Geld zur Verfügung zu stellen würde nichts, aber auch wirklich gar nichts an den Wertvorstellungen ändern, die den Kindern vermittelt werden.

LG,
Lily

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Re: welche Definition meinst du denn?

Antwort von SusanneZ am 24.09.2006, 18:38 Uhr

"Die absolute Armutsgrenze ist bestimmt als Einkommens- oder Ausgabenniveau, unter dem sich die Menschen eine erforderliche Ernährung und lebenswichtige Bedarfsartikel des täglichen Lebens nicht mehr leisten können. Die Weltbank sieht Menschen, die weniger als 1 US-Dollar (etwa 0,80 Euro, Stand: Anfang 2006) pro Tag verdienen, als arm an.

Relative Armutsgrenzen beziehen sich auf verschiedene statistische Maßzahlen für eine Gesellschaft (z.B. Durchschnitt oder Median des Einkommens)."

Quelle: Wikipedia

Was das Schulniveau betrifft hat das in Deutschland nun wirklich rein gar nix mit Geld zu tun (staatliche, kostenlos nutzbare Schulen/ für jeden), sondern etwas mit sozialer Herkunft und der damit verbundenen Weitergabe von Werten und häuslichem Niveau.

Für eine genaue Definition können wir uns hier noch Stunden streiten - nicht umsonst gibt es Kritiken von Experten an den bestehenden Definitionen, jedoch keine ordentliche Lösung. Aber eins ist doch klar: unsere Primärbedürfnisse, welche unser Überleben sichern, können in Deutschland voll und ganz befriedigt werden von Hartz IV. Einschränkungen entstehen erst bei den Sekundärbedürfnissen bzw. dem Luxus wie die trendigsten Klamotten, schicke Restaurantbesuche, Party every day, Bio every day and from all,... Aber auch nur im geringen Maße (natürlich relativ gesehen). Jetzt schau mal nach Afrika. Können die all ihre Primärbedürfnisse (essen, trinken, ausreichend Schlaf, gesund sein --> Überleben) befriedigen? Und dann überleg mal, ob es dumm oder albern ist so einen Vergleich zu ziehen (wie du selbst sagst).

Lieben Gruß

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Re: @Benedikte bitte um nähere Erklärung

Antwort von faya am 24.09.2006, 19:01 Uhr

Erklär mir den Satz von dir, den ich hier nochmal zitiere:

"wenn jetzt Volkes Stimme
definiert ,Hartz 4-Empfanger seien nicht arm, weil sie ja mehr haetten als viele Menschen in Afrika, dann ist das menschenverachtend, dumm und vor allem falsch"

Das würde ja , nach deiner Definition bedeuten, daß jeder, der hier dankbar ist für das was er hat menschenverachtend und dumm ist ???

Nun, dann gehöre ich wohl dazu.

Wenn arme Kinder schlechtere Chancen haben liegt das an der sozialen Schicht und den Werten der Eltern, wie du selbst schreibst.

Das heißt nicht, daß es nicht viele, viele alleinerziehende Mütter gibt, die in ihrer momentanen Lebenssituation mit sehr wenig auskommen müssen und dennoch ihrem Kind alle Chancen mitgeben, weil sie eben keine Assis sind, sondern einfach nur vorübergehend im Leben finanziell knapp dran.

Diese Chancen auf Gesundheit, Bildung und Schutz gibt es für Kinder in den meisten Ländern der Welt nicht.

Und dafür, daß auch meine zwei Kinder alle Chancen haben, auch wenn bei uns das Geld knapp ist, dafür bin ich nach wie vor dankbar.

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Re: Armut in Deutschland- ein wichtiges Thema

Antwort von fiammetta am 24.09.2006, 19:04 Uhr

Hi,

grundsätzlich gebe ich Dir recht.
Aber: Als Freiberuflerin hatte ich einige Jahre, in denen ich wesentlich mehr als ALG II-Empfänger mit Anhang verdient hatte. Ich kenne aber auch Semester, in denen ich meine Familie mit weniger Geld, aber mehr Kosten durchbringen mußte und zwar ohne Ansprüche an den Staat stellen zu können. Mir bezahlt keiner die KK (voller Betrag sowie Rente alleine voll), Miete, Heizkosten. Auch in schlechten Semestern muß ich mein Auto finanzieren, weil ich sonst nicht arbeiten kann. Wir haben uns eingeschränkt, auf einiges verzichtet, was wir auch hätten haben wollen, Urlaube (des Deutschen offenbar wichtigestes Gut) gab`s dann halt nicht, etc. Klar, Spaß gemacht hat das nicht, ändern konnte ich`s aber auch nicht und irgendwie hat`s trotzdem geklappt. Im Moment baue ich unsere Kostenstruktur um, d.h. wir haben nun einen Schwedenofen - soll eine Ersparnis bis zu 50% an Heizkosten bringen. Wir kaufen unser Obst und Gemüse grundsätzlich beim Bauern - kostet auch etwa nur die Hälfte, ist aber frischer. Wir essen kaum Fleisch und fühlen uns besser. Ich benutze den Trockner kaum noch - geht bestens. Ich habe extra eine strom- und wassersparende Waschmaschine angeschafft sowie überall Energiesparlampen. Ich habe mir ein neues Auto zugelegt, das unter dem Strich etwa eine Ersparnis von 1000.-Euro im Jahr bringt. Ich lasse uns nun (endlich ist es möglich) eine DSL-Verbindung einrichten - spart wieder etwa 840.- Euro im Jahr. Bei ebay kann meine eine Menge sparen, etc.
Was ich damit sagen will ist, daß man ein durchaus annehmbares Leben führen kann ohne auf besonders viel zu verzichten, wenn man versucht beizeiten sinnvolle Sparmaßnahmen zu ergreifen. Ich persönlich ärgere mich immer wieder, wenn ich in meinen Arbeitsamtsmaßnahmen von Leuten angejammert werde, die deswegen mit ihrem Geld nicht herumkommen, weil sie rauchen müssen wie die Schlote und auch mindestens einen Hund noch durchfüttern. Dann käme ich auch mit dem Geld nicht aus. Bedaure, aber dafür fehlt mir dann das Verständnis - auch wenn jeder mit seinem Geld machen kann, was er will.
Vielleicht irre ich mich, aber ich glaube nicht, daß es solche Massen von seit Generationen von Sozialhilfe lebenden Familien gibt. Hat jemand Zahlen dazu?

Ich gebe auch Lily24 recht, daß die Bildungsmöglichkeiten eher vom Bildungsniveau der Eltern abhängen als nur vom Einkommen.
Ich wohne und arbeite in einem Landkreis, in dem der Bevölkerungsdurchschnitt über Hauptschulabschluß/Mittlere Reife verfügt. Auch die Eltern streben wieder v.a. die Mittlere Reife für ihre Kindern an, bei den Abiturienten ist für die Eltern der FH-Abschluß im Falle eines Studiums erstrebenswert. Die Anzahl der Teilnehmer in der Erwachsenenbildung ist relativ übersichtlich, Sport ist allgemein wichtiger als Geistesbildung.
Einen Landkreis weiter gibt`s zahlreiche internationale Großunternehmen. Die Bildungsstruktur der Eltern liegt eher bei Mittlere Reife/Abitur und man strebt für die Kinder eine höhere Schulbildung an. Entsprechend gibt es - bei etwa gleicher Einwohnerzahl - mehr FOS, mehr Gymnasien. Die Eltern schicken ihre Abi-Kinder auf die Uni. In der Erwachsenenbildung keilen sich die Teilnehmer regelrecht um die Kurse. Die Arbeitslosenquote ist etwa gleich. An den zur Verfügung stehenden Geldern in den beiden Landkreisen liegt`s eher nicht, sondern an der grundsätzlichen Bildungsstruktur der Wahlberechtigten und deren Zielsetzungen, die sich eben auch politisch und bildungspolitisch niederschlagen.
Im übrigen bin ich der Ansicht, daß die Bildungsdiskussion nicht nur unter dem Aspekt der möglichen Armut gesehen werden sollte, sondern auch eine grundsätzliche Wertediskussion miteinbeziehen sollte (und damit meine ich nicht nur das Aufstehen, um sich sein Geld selbst irgendwie zu verdienen).

LG

Fiammetta

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Re: Definitionen

Antwort von Benedikte am 24.09.2006, 19:20 Uhr

ich versuche mal, die links einzusetzen
http://www.migration-info.de/migration_und_bevoelkerung/artikel/050302.htm

http://de.wikipedia.org/wiki/Armut#Armut_in_Deutschland

Wir definieren Armut als weniger als 60 Prozent des Durchschnitsseinkommens- und ganz klar, hier verhungert keiner. Lebensnotwendiges wird bezahlt- da brauchen wir nicht streiten.auch ist mir voellig klar, dass viele Geringverdiener, gerade in grossen Bedarfsgemeinschaften, auch nicht mehr verdienen.

Aber die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist kaum moeglich- und das sehen wir hier als armutsindiz.Und Du siehst, kannst googeln, alle Quellen berichten von armut in Deutschland, rund 10 bis 12 Prozent- auch wenn die satt sind.

Und Tatsache ist es auch, dass Kinder dieser Schichten die Bildungsversager stellen. Dass bei uns an den kostenlosen Universitaeten kaum noch Unterschicht- oder arbeiterkinder studieren, obwohl es kostenlos ist, in Amerika dagegen doch.

Und auch wenn theoretisch eins nicht mit dem anderen zu tun hat- die Schichten sind doch im wesrnlichen deckungsgleich. Arm ist, wer nichts gelernt hat udn wer nicht arbeiten geht- es sind doch nicgt gutausgebildete Leute, die " unten" sind.

von daher- ich bleibe dabei, es gibt armut in D.

Benedikte

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Re: klar fiammetta

Antwort von Benedikte am 24.09.2006, 19:26 Uhr

da wuerde ich Dir bie widersprechen. Waehrend des Studiums waren wir auch Kirchenmauese- aber chancenreich, eben high potentials. Und haben das nach Stdueinabschluss locker verwandelt, weil wir eben auch nie auf die Idee gekommen waeren, uns zurueckzulehnen.

Die beiden Schihcten sind aber weitestgehend deckungsgleich- unter den Armen findest Du wenig Hochgebildete, keine Leuten mitChancen oder so. an unseren Unis findest Du keine Kinder armer leute, sondern Mittelschicht und so.

Und wir wuerden alles versuchen,m unsere Kinder studieren zu lassenso wie wir selber studiert haben, unabhaengig von unserem geld, das wir zur Verfuegung haben.

Mir ging es darum, zu zeigen, dass es in deutschland armut gibt, selbst wenn keiner hungern muss, weil ein voller Bauch nicht alles ist.

Gruss, benedikte

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Re: Armut in Deutschland- ein wichtiges Thema

Antwort von psb am 24.09.2006, 19:30 Uhr

ich denke ähnlich... sicher, hier in deutschland muss niemand hungern und von hartz 4 kann man schon leben... insofern können wir froh sein, dass wir diese sicherheit in deutschland haben. und sicherlich ist das nicht zu vergleichen mit den menschen in afrika, die wirklich mit einem absoluten minimum bzw. sogar noch weniger klarkommen müssen.
aber in deutschland liegen die probleme dann eben woanders. sicher ist vieles luxus und nicht überlebensnotwendig. aber wenn man hier nicht in gewissen dingen "mithalten" kann, dann wird man schnell zum aussenseiter. tolles leben, wenn man nichts zählt und nur am rande der gesellschaft lebt, den anderen zuschauen kann und selbst daneben steht...
och denke, wenn man mit dem geld vernünftig umgeht, kann man sich auch von hartz4 ein leben schaffen, wo man nicht auf alles verzichten muss. aber die leute, die darauf herumreiten, dass der sozialsatz zu hoch ist oder ähnliches, weils eben über das existenzminimum (essen, trinken und wohnen) hinausgeht, sollten mal für eine gewisse zeit versuchen, mit eben diesem minimum zu leben. sie würden es sicher nicht lange durchhalten...
folgen eines entsprechend niedrigen betrages zum leben sind ausgrenzung (noch stärker als sie sowieso schon stattfindet), verwahrlosung, weil die menschen sich aufgeben, depression usw. die meisten menschen, die in unserer gesellschaft am existenzminimum leben müssten, also wirklich nur essen, trinken und ein dach über dem kopf hätten, würden sich selbst bald so wenig wert sein, dass sie auf der straße landen würden - und da will sie auch keiner sehen...

ein höherer satz als der derzeitge anspruch hingegen würde auch nicht viel bringen - vor allem nicht den armen kindern, denn die eltern, die ihre kinder hintenan stellen und sich lieber selbst etwas kaufen - was auch immer - werden das auch tun, wenn sie mehr geld zur verfügung haben. ein mittel gegen kinderarmut wäre das also sicher auch nicht. von den möglichkeiten, einen solchen ansatz zu finanzieren mal ganz abgesehen...

ich finde es schlimm, wie die menschen in afrika leben müssen. aber deshalb haben "arme" menschen hier in deutschland trotzdem kein luxusleben. hier ist man nichts, wenn man nichts hat, die ansprüche und probleme sind hier ganz anders gelagert als in afrika. das sollte man auch nicht vergessen. anstatt den menschen, die hier am sozialen minimum leben, druck zu machen, sollte man lieber unsere gesamte konsumgesellschaft verurteilen, denn DIE ist dafür verantwortlich, dass es mit essen und trinken hier einfach nicht getan ist.

hilfe ist überall nötig - nicht nur in afrika. ich selbst habe durch die arbeit jugendliche aus osteuropa kennengelernt, die es vorgezogen haben, hier in deutschland auf der straße zu leben, als dass sie zu hasue geblieben wären - ihre begründung "hier haben wir zumindest jeden tag was zu essen" - das haben die sich übrigens aus den mülltonnen bei aldi oder sonstwelchen geschäften geholt... sollen wir jetzt so weit gehen zu erwarten, dass unsere sozis das auch machen müssen, um als arm zu gelten? sicher, wir haben eine gute absicherung in deutschland, das streite ich nicht ab. von dem geld, was man vom staat bekommt, kann man leben. aber die vergleiche zu ziehen zwischen unserer gesellschaft und ländern, wo die menschen diese hilfen nicht bekommen können, ist trotzdem quatsch. wer sich einen gewissen standard leisten kann, dem fällts aber eben auch schnell leicht, mit dem finger auf andere zu zeigen... er muss sich ja keine gedanken machen, wie es ist, abends nicht den fernseher oder zumindest ein radio anstellen zu können - wohlgemerkt in unserer gesellschaft mit den hier geltenden ansprüchen.

und noch was: wirtschaftlich siehts bei uns ja nun auch nicht so gut aus - andere industrieländer haben ähnliche probleme... wie lange der staat diese hilfen noch leisten kann, wenn die arbeitslosigkait immer weiter steigt, kann man sich denken... ich fürchte, wir reichen (im vergleich zu den armen ländern) werden alle noch gewaltig umdenken müssen.

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Re: @Benedikte bitte um nähere Erklärung

Antwort von Benedikte am 24.09.2006, 19:30 Uhr

Faya,
wenn ich lese, dass jemand meint, es gebe hier in Deutschland keine Armut, weil jeder satt werde und mwehr habe als viele Afrikaner dann kann ich nur sagen, essen ist nicht alles.Natuerlich wird hier jeder satt und es geht ihm deshalb besser als vielen auf der Welt- aber wirklich, essen ist nicht alles. UFuer mich ist essen wichtig- aber damit ist nicht alles abgedeckt.
benedikte

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Re: Armut in Deutschland- ein wichtiges Thema

Antwort von SusanneZ am 24.09.2006, 19:51 Uhr

Es ist vollkommen klar, dass man Armut relativ sehen muss. Der Vergleich zeigt mehr oder weniger lediglich, dass man in Deutschland Sekundärbedürfnisse befriedigen kann (auch von Hartz IV) und in Afrika nicht. Und das ist in Deutschland auch wichtig, weil man (wie du auch schreibst) sonst schnell als Außenseiter gilt. Hat man Freunde, die gern weggehen, kann man nicht jeden Tag sagen "ich komm nicht mit - geht nicht, kein Geld." Vollkommen klar, die Ansprüche sind hier bereits gestiegen, eben weil das Niveau viel höher liegt als in Afrika. In Afrika würde niemand darauf kommen unsere "Luxus"ideen zu verwirklichen, weil sie ganz andere Probleme (im Bereich der Primärbedürfnisse) haben.

Im unteren Teil ging es darum, dass wir Deutschen nicht mal so eben 15 Euro abzwacken könnten, weil wir arm sind. Hmmm...und da denke ich: wir können es, wenn wir wollen im Bereich der sekundären Bedürfnisse. Zweimal weniger im Monat ins Kino gegangen, kein teures Fleisch gegessen, Radgefahren statt Auto,... und dafür etwas anderes persönlich wichtiges getan (egal ob Spende, Freund in Not geholfen, Bio,...) Es ging nur darum, dass bei uns durchaus Potenzial zum Sparen besteht (auch im rein persönlichen Bereich, der keine Freunde/... tangiert) - das sehe ich in den Dritte-Welt-Ländern nicht wirklich vorhanden.

Ich denke, da stimmen wir alle überein - wir reden nur irgendwie aneinander vorbei.

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Re: Armut in Deutschland- ein wichtiges Thema

Antwort von patundced am 24.09.2006, 21:42 Uhr

So pauschal kann man aber auch nicht sagen, dass das Bildungsniveau nur von den Eltern abhängt. Ich komme aus einer kinderreichen Familie. Weder mein Vater noch meine Mutter haben Abitur. Wir Kinder haben alle Abi gemacht. Studiert hat Keine, da Niemand den Eltern auf der Tasche liegen wollte. Nicht bei jedem Studiengang ist es möglich, nebenher arbeiten zu gehen. Mein Mann wurde finanziell von seinen Eltern voll unterstützt. Er hätte keine Zeit gehabt, nebenher zu jobben. Oder man hat ellenlanges Studium, was wieder angekreidet wird. Das wird ja auch noch krasser, da die Studiengebühren noch enorm werden. Was ist da mit intelligenten Kinder aus armen Familien?? Nicht Jeder bekommt ein Stipendium und je nach Studium ist eine Vollfinanzierung durch Nebenjob nicht drin und Bafög, naja auch so eine Sache. Meine jüngste Schwester war auf dem Gymnasium, wir anderen haben Abi in NRW auf der Gesamtschule gemacht. Sie wurde total gemobbt, da sie nicht die entsprechenden Klamotten trug, nicht Skifahren konnte... Ende vom Lied, meine Schwester hat die Schule gewechselt und hat lange Jahre unter Bulimie gelitten. Der Druck, da sie nicht eltär genug war, war so enorm, dass sie dem nicht standhalten konnte. Und das ist Alles rein finaziell. Ich bin AE und mache mir auch schon Sorgen, wie ich das in Zukunft schaffen soll, ich möchte nämlich auch nur das Bestmögliche für mein Kind. Ich habe einen Ausbildungsfond für Cedric abgeschlossen, in den ich monatlich einzahle. Ich gönne mir selbst nix, damit ich nur ja die Zukunft meines Kindes sichern kann, so sieht es nämlich aus in Deutschland!! LG Pat

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@patundced und Wo liegt der Haken bei uns?

Antwort von fiammetta am 24.09.2006, 22:26 Uhr

Hi,

ohne Dich angreifen zu wollen - ich persönlich kenne niemanden, der nicht irgendwie während seines Studiums arbeiten mußte. Ich habe `mal ausgerechnet, daß ich auf einen Halbtagsjob gekommen bin (ich habe die Stunden immer am Stück geackert) und zudem studiert und mir noch meine Freiberuflichkeit habe. Von meinen Eltern habe ich nur das Kindergeld bekommen. Stimmt, ich habe mehr als acht Semester gebraucht, obwohl ich trotzdem nach sechs oder sieben alle Scheine hatte - dank Auslandsstudium, die Magisterarbeit hat halt auch recht lange gedauert und heute fragt kein Mensch mehr danach. Mir fällt aber auch gerade ein, daß meine Cousine, die an der FH mit vollem Bafög es strikt ablehnte zu jobben, da ihr die typischen Jobs zu nieder waren. Naja, jedem das Seine.
Was hat Dein Mann eigentlich studiert?

Ich glaube, das Problem sind nicht die Studiengebühren (die ich in meinem Zweitstudium auch hinlegen mußte + Hotel- und Anfahrtskosten etc. während der Präsenzphasen), sondern die ganzen Nebenkosten, wenn`s am elterlichen Wohnort keine FH/Uni gibt. Dann wird`s richtig teuer, denn ansonsten kann man noch ein paar Semester bei Mutti bleiben. Allerdings sollte man bei der ganzen Diskussion auch nicht vergessen, daß es in den meisten Ländern kaum Bafög, dafür aber noch höhere Studiengebühren und keineswegs reichere Eltern und bessere Studentenjobs gibt. Trotzdem studieren in den meisten westlichen Ländern mehr junge Leute als bei uns. Der Haken scheint also woanders zu liegen.

LG

Fiammetta

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Benedikte du sprichst mir aus der Seele..lg..ot

Antwort von phifeha am 24.09.2006, 22:37 Uhr

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Re: @patundced und Wo liegt der Haken bei uns?

Antwort von patundced am 24.09.2006, 22:57 Uhr

Der Haken liegt eigentlich daran, dass zu viel pauschalisiert wird. Jeder weiss, wie es ist. Komischerweise weiss aber Jeder etwas Anderes, was dann Fakt sein soll. Meine Eltern hätten uns übrigens das Ki-Geld nicht auszahlen können, denn dann wären sie finanziell ruiniert gewesen. Und wenn man kein 0815-Studium absovieren möchte, ist es schwierig dies Alles unter einen Hut zu bekommen. Mein Mann hat übrigens Maschinenbau und Elektrotechnik studiert und hatte keine Semesterferien, denn in denen wurden Arbeiten geschrieben und gelernt bis zum Umfallen, bis in die Ncht hinein. Nein, er hatte wahrlich kein typisches Studentenleben, keiner seiner Kommilitonen. LG Pat

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Re: Armut in Deutschland- ein wichtiges Thema

Antwort von Marlen/Azad am 24.09.2006, 23:58 Uhr

So kann man das aber auch nicht sehen.
Mein Mann hat nur 5 Klassen Schule ist aber keineswegs dumm,hatte nur in seiner Heimat nicht wirklich die Chance zu mehr,da man dort für die Schule,sowie Schuluniform jede Menge berappen muss.Ich habe nur mittlere Reife ,aber die verbuche ich unter jugendlichem Schwachsinn.Tja wollte so schnell wie möglich mein eigenes Geld verdienen und bin von der Schule abgegangen.Ich erstrebe aber für meinen Sohn,eher das Abi und ein Studium.Er soll es nämlich mal leichter haben als wir.Er hat mit Abi und Studium viel bessere Möglichkeiten,denn vor ein paar Jahren konnte man noch mit einem Hauptschulabschluss Friseur werden,heute braucht man schon nen guten Realschulabschluss.Die Erwartungen werden immer höher geschraubt und das sollte man bedenken.
Als mein Sohn geboren wurde,habe ich ihn sofort hier auf einer Privatschule angemeldet und da wird er auch hingehen und wenn ich Tag und Nacht dafür arbeiten muss,damit ich sie bezahlen kann,aber seine Schulbildung liegt mir mehr am Herzen als alles andere.Ab Anfang nächstes Jahr gehen wir zur musikalischen Frühförderung und wir haben wahnsinnig viele Kinderbücher zu Hause, haben Pekip besucht und sind regelmäßige Gäste in Wald und Flur, denn Natur gucken macht er jetzt schon am liebsten.Wir sind auch nicht die Helden der Bildung,aber ich gebe meinem Sohn Werte mit, die ich hätte besser nutzen sollen, dann wäre ich heute ganz wo anders und wenn alles so läuft,wie ich mir das erhoffe, dann mache ich ab Februar mein Abitur,denn dumm bin ich nicht.War nur sehr leichtsinnig in meiner Jugend.

LG Marlen

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Re: Ich habe die eigene Erfahrung ...

Antwort von SusanneZ am 25.09.2006, 0:19 Uhr

...gemacht: Wenn man mit Abi nicht sudieren möchte, sondern eine Lehre beginnen möchte...dann kommt man mit einer sehr guten Mittleren Reife wesentlich weiter als mit dem Abi. Das Abi wollten die Unternehmen nicht unbedingt - Abinoten wurden absichtlich eins zu eins mit Realschulnoten gleichtesetzt. Begründung: Abiturienten können doch studieren. Aber vielleicht hat sich das in den 7 Jahren auch schon ein wenig geändert.

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Re: Ich habe die eigene Erfahrung ...@SusanneZ

Antwort von Tina78 am 25.09.2006, 9:14 Uhr

Ich habs genau anders rum erlebt, ich habe Abitur, habe genau 1 Bewerbung geschrieben( Krankenpflegeschule) und wurde sofort genommen ... das war vor 7 Jahren...und noch 2 andere mit Abi wurden genommen, ebenfalls von denen die allererste Bewerbung:-) alle anderen bei uns im Kurs waren Real oder Hauptschulabgänger mit weiteren Ausbildungen oder xfachen Bewerbungen vorher schon...

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Deutschland ist nicht Afrika

Antwort von alfalfa am 25.09.2006, 13:01 Uhr

Hallo Benedikte,

Deine Ausführungen treffen genau den Kern der Sache, ich gebe Dir in allem zu 100 % Recht.

Und der ständige Vergleich mit den hungernden Kindern in Afrika ist mir zu suspekt...

Ich lebe in Deutschland und hier herrschen andere Prioritäten als in Afrika, Amerika oder sonstwo. In einem hochindustrialisierten und hochkultiviertem Land wie Deutschland wird Armut nach anderen Maßstäben gemessen.

Ein Museumsbesuch, Kino, Urlaub, Ausrichten eines Kindergeburtstages, Kaufen von Schulbücher und Schulmaterialien, Klassenfahrten, Schwimmbad im Sommer, Sportverein, Literatur, Theater... die Liste ist lang... gehört zum "normalen Alltag" und sollte jeder Familie möglich sein. Aber es gibt in Deutschland viele Familien, die sich das nicht leisten können, obwohl Mutter nicht raucht und Vater nicht trinkt, wie immer so schön in den Medien dargestellt. Grundsätzlich wird das Thema Armut gern totgeschwiegen, denn es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Deutschland muss sich für jedes einzelne Kind, das in der Armenküche (z. B. wie es sie in Hellersdorf gib) essen muss, schämen. Das Thema Armut in Deutschland ist ein Thema, das mich sehr bewegt und ich könnte hier noch ohne Ende schreiben, aber das würde den Rahmen sprengen. Nur eins noch:

Jedes Kind/jeder Mensch hat ein Recht auf Bildung und freie körperlich und geistige Entfaltung seiner Persönlichkeit, das besagt selbst das Grundgesetz. Leider wird dies durch die persönlichen finanziellen Möglichkeiten begrenzt. Und das darf nicht sein.

Gruß Alfalfa

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Krass gesprochen...

Antwort von krueml am 25.09.2006, 13:35 Uhr

...setzt Du ein verhungerndes! Kind mit "nicht ins Kino oder ins Museum wegen Geldmangel" gleich? Ja, Himmel, wo leben wir denn hier????

Nur weil es in (Mittel-)Europa nicht den Kampf ums nackte Überleben gibt, kann man sich doch nicht vor dem Elend der restlichen Welt verschliessen? Und das betrifft nicht nur Asien, sondern fängt schon jenseits der EU-Grenzen an. Da brauchst Du gar nicht ins ferne Afrika gehen. Wenn Dein Kind einen Blinddarmdurchbruch, ein gebrochenes Bein etc. hat, dann gehst Du einfach ins Krankenhaus und es wird geheilt. In anderen Ländern kannst Du als Eltern zusehen wie Dein Kind in einer Notlage einfach stirbt.

Klar gibt es auch in Deutschland arme Kinder (in deutschem Sinne von arm) aber das steht einfach in keinem Verhältnis wie es im Rest der Welt aussieht. Verhungern ist ein grausamer Tod, das AIDS-Dilemma nicht besser, die verkauften, vergewaltigten oder misshandelten Kinder,... Und mit DIESEM Hintergrund sich über solche "Nichtigkeiten" zu beschweren das ist aus Sicht dieser Menschen Jammern auf allerhöchtsem Niveau.

Und das sollten wir uns einfach mal bewusst machen - natürlich immer im Bewusstsein, dass es hier vielen Kindern an Einigem mangelt.

Viele Grüsse,
Chrissie

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Re: Krass gesprochen...

Antwort von alfalfa am 25.09.2006, 13:54 Uhr

Hallo Chrissi,

es geht hier um Armut in Deutschland und ob es sie gibt oder nicht. Und Du gibts wieder den schönen Vergleich mit Afrika zum besten. Der passt aber nicht.

Und eben gerade, weil ich in einem Land mit hohem wirtschaftlichen, medizinischen, kulturellem und wissenschaftlichem Niveau lebe, kann ich es nicht verstehen, dass Kinder in der Armenküche essen müssen und ihnen aus finanziellen Gründen ein Recht auf Bildung verweigert wird.

Und gegen das Elend in Afrika, den Kindern in den Waisenhäusern in Russland oder China, AIDS und viele andere Grausamkeiten in unserer heutigen Welt, kann jeder persönlich etwas tun und entscheiden, ob er hilft oder nicht. Aber das hat mit Armut in Deutschland rein gar nichts zu tun. Das hat nur etwas mit persönlichem Engament zu tun, welches wiederum größtenteils von finanziellen Möglichkeiten bestimmt wird.

Gruß alfalfa

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Re: Krass gesprochen...

Antwort von alfalfa am 25.09.2006, 13:58 Uhr

Bitte Orthographie und Grammatikfehler entschuliden, habe zu schnell abgeschickt. Muß natürlich Engagement heißen.

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Na prima...

Antwort von krueml am 25.09.2006, 14:21 Uhr

... Ich lebe in Deutschland also interessiert mich der Rest der Welt nicht - "gute" Einstellung.

Leider vergisst Du, dass Deutschland auch mit dem Rest der Welt verbunden ist. Wieso haben wir so viele Flüchtlinge in Mitteleuropa? Wieso gibt es so viele Kriege um Macht? Menschen leben in anderen Ländern in einer verseuchten Umgebung weil die Industrinationen dort produzieren und das uns Allen zu Gute kommt auf Kosten dieser Menschen.

Obwohl es keine Sklaven mehr gibt, wird ein Grossteil der Menschheit immer noch ausgenutzt, mit Arbeitskraft, mit Zerstörung ihrer Umwelt,... Und das damit es UNS hier gut geht und damit WIR hier die Sachen bei Kik und anderen Billiganbietern besonders günstig einkaufen können.
Wir haben also sehr wohl eine Verantwortung!

Übrigens. Das mit der verwehrten Bildung in Deutschland ist absoluter Blödsinn. Meine Eltern hatten nichts aber ich habe trotzdem Abi gemacht und studiert, habe ein Auslandsjahr nach dem Abi absolviert etc. Man muss sich dann eben selbst in den Hintern treten, in den Schulferien arbeiten, Geld zusammen sparen, die staatlichen Möglichkeiten nutzen,...

Viele Grüsse,
Chrissie

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Re: Na prima...

Antwort von alfalfa am 25.09.2006, 14:29 Uhr

Hallo Chrissie,

nein, es müsste lauten, ich lebe in Deutschland und deswegen interessiert mich auch Deutschland!!!

Ich glaube, Du liest meine mails nicht richtig oder verstehst den Inhalt nicht.

Gruß alfalfa

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Mich interessiert Deutschland auch...

Antwort von krueml am 25.09.2006, 14:41 Uhr

... obwohl ich momentan ausserhalb lebe aber deshalb verschliesse ich nicht die Augen vor den wirklich schlimmen (lebensbedrohlichen) Dingen.

Und wir können uns nun mal nicht einfach hier verschanzen und nur an uns (die Deutschen) denken denn wir leben in einer Welt. Ich habe wirklich arme Menschen kennengelernt (habe in Südafrika gelebt) und wenn Du so etwas mal live gesehen hast, dann kannst Du über gewisse "Probleme" hier nur milde lächeln. Und da kann man nicht einfach sagen, hier in Deutschland gibt es auch arme Kinder und dafür interessiere ich mich und im Rest der Welt krepieren abertausende Kinder qualvoll obwohl man etwas dagegene tun könnte. Das sind keine Relationen mehr. UND wir profitieren von diesen Drittweltländern was uns zusätzliche Verantwortung gibt.

Und darüber solltest Du einfach mal nachdenken bevor Du schreibst, dass manche Kinder nicht ins Kino oder Museum gehen können. Wenn Dich das interessiert, setzt Du Dich ein?

Es gibt hier auch einige Kinder, deren Eltern wirklich fast nichts haben und diese Kinder lade ich sehr gerne öfter ein und nehme sie irgendwo hin mit. Das haben schon meine Eltern mit Schulkameraden von mir getan und war für uns immer selbstverständlich. So viel zum Thema, dass mich meine eigenes Land auch interessiert.

Viele Grüsse,
Chrissie

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Re: Mich interessiert Deutschland auch...

Antwort von alfalfa am 25.09.2006, 15:01 Uhr

Hallo Chrissie,

ich merke, Du hast meine Zeilen nicht ganz verstanden.

Ich bin nicht superwoman, die die Welt retten kann. Ich versuche zu helfen, wo ich gebraucht werde und darüber hinaus.

Ich stelle die Frage mal ganz profan:

Würdest Du das Leben Deines Kindes opfern um ein hungerndes Kind in Afrika zu retten??? Die Frage ist grausam, ich weiß, aber vielleicht verstehst Du ja, worauf ich hinaus will.

Gruß alfalfa

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Re: @alfalfa

Antwort von SusanneZ am 25.09.2006, 15:05 Uhr

Ich verstehe, was du sagen willst. Aber du müsstest auch krueml verstehen, da Benedikte sich ja eindeutig auf das untere Thema bezogen hat. Aber: Kinder und Eltern, die in Deutschland zur Tafel gehen müssen, können nicht mit Geld umgehen (die Eltern). Von daher brauche ich auch nix spenden, sie würden trotzdem an der Tafel essen. Deutschland braucht sich also nicht schämen, sondern die Leute sollten froh sein, dass soetwas in Deutschland angeboten wird. Vergesst bitte auch nicht wo das Geld für die Tafel, H4, Möbelerstausstattung,... herkommt - nämlich von den Steuergeldern. Insofern zahlt doch schonmal jeder etwas für die Gemeinschaft :-)

Woher weiß ich, dass diese Leute nicht mit Geld umgehen können? Ja, weil das Geld, was der Staat an Bedürftige zahlt (insofern sie es beantragen) ausreichend ist, um davon leben zu können. Wer sich aber weigert, sein Lebensstandard für eine gewisse Zeit zu senken und in gewissen Bereichen umzudenken, der braucht nicht jammern. Ich hatte in meiner Jugendzeit einen Freund, dessen Eltern haben nicht allzuviel verdient und haben genau 3 Pfennig drüber verdient, um Wohngeld (?) zu bekommen. Da ging schon das Gejammer los. Nun musst du aber auch sehen, wie sie gelebt haben: Kippen in Mass, Essen und reichlich Bier in der Tankstelle gekauft, ein altes Image-Auto,... Sprich sie waren absolut nicht in der Lage Prioritäten zu setzen. Die Kinder gingen auf die Hauptschule, aber nicht, weil die Eltern kein Geld hatten - schließlich ist Schule umsonst, sondern weil die Wertevermittlung unter aller Kanone war. Selber nur geraucht, fernsehen gegafft und rumgemeckert. Mein damaliger Freund eher so erzogen, dass Frauen nicht viel Wert sind und dass man sie wechseln kann. Und Hi..ler war der Held. Abiturienten waren übrigends alle dumme Streber. Das mal als krasses Beispiel. Da ich mit diesen Werten (als Abiturient) nix anfangen konnte, war es dann vorbei.

Von daher: Ich sehe keinen Bedarf in Deutschland Geld zu spenden - denn das ist nicht das problem. Ich leiste allerdings gern soziale Arbeit, um zu helfen, insofern das Konzept stimmt. Auch Adoptionen sind in meinen Augen keine Lösung. Für die Kinder ist es besser bei den leiblichen Eltern zu bleiben, insofern sie dort nicht verkommen. Aber da muss man schon vorher ansetzen und das wird ja auch schon versucht...

LG

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Re: Mich interessiert Deutschland auch...

Antwort von krueml am 25.09.2006, 15:14 Uhr

Genau diese Frage spricht für sich...

Ich würde das Leben meiner Kinder nicht für ein anderes Kind opfern - das würde keine Mutter. Da mache ich aber keinen Unterschied ob es ein deutsches, amerikanisches oder afrikanisches Kind ist.

Nur bin ich nicht so blauäugig und sage, ich interessiere mich hauptsächlich für die Menschen in meinem Land und mit dem Rest der Welt habe ich nichts zu tun. Das heisst, nicht, dass man etwas tun MUSS - das ist schlussendlich jedem selbst überlassen.

Susanne, danke für Dein Posting. Genau so sehe ich das auch.

Viele Grüsse,
Chrissie

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Re: SusanneZ

Antwort von alfalfa am 25.09.2006, 15:22 Uhr

Hallo Susanne,

ich kann Deine Argumente auch nachvollziehen aufgrund Deiner Erfahrung. Aber das Problem ist doch, dass es Kinderarmut in Deutschland gibt, und das es gern vertuscht wird und gern auf noch größere Probleme, die es in der Welt gibt, ganz gezielt hingewiesen wird. So wird ganz bewusst von politischen Mißständen im eigenen Land abgelenkt. Bei allen kleineren und größeren Katastrophen in der Welt (z. B. Tsunami) hilft Deutschland als Land, wir als Bürger, gern, z. B. mit Geldspenden. Aber bei Misständen im eigenen Land, da hört die Hilfsbereitschaft auf und jeder ist selbst schuld für seine Misere. Es gibt, trotz einiger Schmarotzer, viele Familien, denen es trotz Unterstützung schlecht geht. Für mich zählt zu einem lebenswerten Dasein auch, dass ich meinen Kindern mehr als nur "Sattsein" vom Essen bieten kann. In Deutschland ist vieles möglich, Deutschland hat trotz Armut noch viele Potentiale. Man sollte sie nutzen und mit unserem Geld besser haushalten.

Das ist der eigentliche Grundtenor. Und man kann Deutschland einfach nicht mit Afrika vergleichen!!!

Und, wie ich schon geschrieben habe, jeder kann persönlich etwas gegen die Hungersnot in Afrika unternehmen, wenn er will und wenn er dafür Geld übrig hat.

Gruß alfalfa

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Re: SusanneZ

Antwort von SusanneZ am 25.09.2006, 16:18 Uhr

Bekommst du H4? (Musst du nicht beantworten.) Aber kann man davon nur essen und trinken kaufen? Richtig gehaushaltet nicht. Und es gibt auch zig Freizeitaktivitäten, die man kostenlos unternehmen kann. Klar, man muss den Gürtel enger schnallen und sich seiner Prioritäten bewusst sein. Aber man muss sich nicht selbst aufgeben. Zudem ist diese STÜTZE ja auch nur als Übergang gedacht und das finde ich richtig. Dafür ist der Betrag ausreichend. Leute, die damit nicht rumkommen (ich reite so auf H4 rum, weil jeder es bekommen kann, wenn er bedürftig ist), den kann ich nur als guter Freund oder Nachbar helfen. Und zwar, indem ich diesen Personen helfe mit Geld umzugehen. Aber der soziale Abfang ist in Deutschland (von Schuldnerberatung über Jugendamt zu Sozialhilfe) so breit, dass ich da als einzelner nix besser machen kann. Und für dieses soziale Netz zahlt schließlich auch jeder. Der Standard ist in Deutschland in meinen Augen sehr hoch! Und demnach auch die Ansprüche/ Erwartungen, was jeder meint was ihm zustünde. Hier gibt es keinen Grund selbst etwas zu tun. In Afrika gibt es Gründe. Und wenn man diese beseitigt, haben diese Leute erstmal eine Chance was auf die Beine zu stellen. Im Grunde genommen sind die Patenschaftsgelder wie H4-Geld aufzufassen.

LG

P.S.: Wenn du jetzt wieder am Vergleich nörgelst, hast du mein Posting nicht verstanden.

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Ja, gibt sie doch, die Armut...

Antwort von alfalfa am 26.09.2006, 9:07 Uhr

Hallo Chrissie und alle, die's interessiert.

Ich habe zum Thema Armut in Deutschland einen ganz tollen Bericht in der TAZ gefunden. Den sollte man sich langsam zu Gemüte führen, am besten zweimal lesen!!!

http://www.taz.de/pt/2006/09/20/a0118.1/text

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Hab den Text hierher kopiert...

Antwort von alfalfa am 26.09.2006, 9:24 Uhr

das taz-dossier 1

Es gibt hier keine Armen?
In Deutschland ist es fast unmöglich, über Armut zu reden. Das liegt auch daran, dass die Debatten über die Unterschicht von denen geführt werden, die noch nie in ihrem Leben unten waren. Wie man das ändern kann
VON NADJA KLINGER
UND JENS KÖNIG

Sagen wir es gleich am Anfang freiheraus: Ja, in diesem Land gibt es Armut, und sie breitet sich immer weiter aus.

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Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende, Ausländer, Schulversager, kinderreiche Familien - sie alle sind davon betroffen. Genauso wie Menschen aus der bislang für sicher gehaltenen Mitte der Gesellschaft: Leute, die Arbeit haben, aber schlecht bezahlt werden, Akademiker mit Doktortitel, die keine Anstellung finden, Facharbeiter, die nach zwanzig oder dreißig Jahren ihren Job verlieren und nach einem Jahr Arbeitslosigkeit nur noch von Hartz IV leben.

Das Schicksal liegt im Alltäglichen. Es muss in Deutschland nichts Außergewöhnliches mehr geschehen, damit Menschen sozial abstürzen. Elf Millionen sind arm oder von Armut bedroht, sieben Millionen leben auf Sozialhilfeniveau, fünf Millionen haben keine Arbeit, drei Millionen Haushalte sind überschuldet.

Das Zusammenleben in unserer Gesellschaft wird härter und unsolidarischer. Die Republik teilt sich wieder in "die da oben" und "die da unten", in Gewinner und Verlierer. Die alten Klassen- gegensätze kehren zurück.

Warum gibt es angesichts dieses gesellschaftlichen Skandals eigentlich keinen lauten Aufschrei?

Warum geht niemand auf die Straße und klagt an, wen auch immer, die Kapitalisten, die Globalisierer, den Staat, die Regierung?

Warum brennen keine Vorstädte wie in Frankreich?

Warum findet sich hierzulande nicht einmal jemand, der die deutsche Variante der Revolte organisiert, einen Aufstand der Anständigen, mit Mahnwachen und Kerzen in der Hand?

Geht es den Deutschen einfach zu gut? Sind sie immer noch autoritätsfixiert, für den hemmungslosen Widerstand nicht gemacht? Oder haben sie nach den Zumutungen der letzten Jahre schon resigniert? Weder das eine noch das andere. Die Lage ist komplizierter. Die Bundesrepublik ist eine Konsensdemokratie. Da findet selbst noch der Abbau des einst so stolzen deutschen Sozialstaates im Konsens statt.

Da wird nicht hart durchregiert, wie es sich Angela Merkel einst, als sie noch nicht Regierungschefin war, erträumte. Und da gibt es erst recht keinen Putsch von oben, wie Gerhard Schröders Kanzlerattitüde manchmal vermuten ließ. Millimeterweise werden alte Besitzstände und soziale Sicherungen abgeklopft. Das geschieht oft knapp unterhalb der Erregungs- und Skandalschwelle. Jede einzelne Maßnahme, von der Praxisgebühr bis hin zur Rente mit 67, scheint nicht gerecht zu sein, aber doch irgendwie erträglich, weil offenbar notwendig.

In Deutschland brennen die Vorstädte nicht so schnell.

Es ist fast unmöglich, in diesem Land über Armut zu reden. Man wird ständig genötigt zu betonen, dass Deutschland reich ist. Als wäre das Problem der Armut dadurch gelöst. Dabei wird es nur komplizierter. Das Problem wird relativiert, bis es so klein ist, dass man es nicht mehr erkennen kann.

Ja, Deutschland ist ein sehr reiches Land, immer noch. Darf es deswegen keine Armen geben? In Deutschland gibt es Langzeitarbeitslose, Opfer der Deindustrialisierung und Hartz-IV-Empfänger. Erwerbsfähige Hilfebedürftige und nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige. Menschen aus bildungsfernen Milieus. Menschen mit Migrationshintergrund. Die alte Unterschicht. Die neue Unterschicht. Alles, aber um Himmels willen keine Armen! Die Begriffe sollen suggerieren, die Gesellschaft habe das Problem im Griff.

In Afrika gebe es Arme, heißt es, aber nicht bei uns. Wir auf unserer Wohlstandsinsel hätten doch gar keinen Begriff mehr von Armut. In Tansania müssten 73 Prozent der Einwohner mit weniger als zwei Dollar täglich auskommen. Im Sudan würden Millionen einfach verhungern. Aber was sagt das schon, außer, dass diese Ungerechtigkeit zum Himmel schreit?

Die Weltbank hat eine internationale Armutsgrenze festgelegt. Als arm gelten demnach alle Personen, die weniger als einen US- Dollar pro Tag für ihr Leben zur Verfügung haben. So unfassbar arm sind über 1,5 Milliarden Menschen, ein Viertel der gesamten Weltbevölkerung.

Muss das ein Maßstab für uns sein? Soll sich eines der reichsten Länder bei der Frage, wie viele Arme es hat und wie es mit ihnen umgeht, ausgerechnet an den ärmsten Gegenden der Welt orientieren? Und warum wird dieser Vergleich gern von denen vorgebracht, die sich Löhne wie in Polen, aber Vorstandsgehälter wie in den USA wünschen?

Wir haben tatsächlich keinen Begriff von Armut in unserem eigenen Land. Wir haben Schwierigkeiten damit, einen Penner, der sich von seiner Sozialhilfe Pornohefte kauft, als arm anzusehen.

Wir sehen schon lange nicht mehr genau hin, wenn uns der junge Punker in der Fußgängerzone anbettelt, wir denken, er könnte es mit Arbeit doch wenigstens mal versuchen.

Wir haben in der Zeitung gelesen, dass all die Hartz-IV-Empfänger, die sich Monat für Monat ihr Geld - unser Geld! - vom Staat auszahlen lassen, Handys, riesige Fernseher und DVD-Player besitzen. Wir denken, wenn unser Nachbar seinen Job verliert, ganz schnell daran, dass er ja immerhin sein großes Auto behält und seine Tochter weiter zum Tanzkurs schickt.

Wir sind für ein paar Tage alarmiert, wenn eine Hauptschule in Berlin-Neukölln vor ihren Schülern kapituliert, aber dann kleben wir das Etikett "Ghetto" drauf, rufen nach Werten wie Höflichkeit und Zucht und Ordnung oder wollen die "ausländischen" Schüler samt ihren Eltern am besten gleich abschieben.

Und dass es in diesem Land zehntausende Kinder gibt, die hungern, die Montag für Montag mit Magenknurren in die Kindergärten und Schulen kommen, weil sie zu Hause nicht ausreichend zu essen haben oder niemand sich um sie kümmert, daran glauben wir einfach nicht.

Es gibt ja keine Armen in Deutschland. Und Hunger leiden muss hierzulande schon gar niemand.

Der eklatante Mangel an sozialer Empathie ist übrigens nicht neu, und er hat einen Grund. "Wir sind arm an Wissen über Armut", sagt Heiner Geißler. Diesen Befund erstellte der CDU-Politiker bereits 1976; damals war er Sozialminister in Rheinland-Pfalz.

Unsere Gesellschaft ist, was Armut betrifft, autistisch. Sie interessiert sich, wie viele Autisten, nur für Systeme. Sie diskutiert die "Agenda 2010", sie predigt den "Umbau des Sozialstaates", sie wägt den Vorteil von "Teilhabegerechtigkeit" gegenüber der "Verteilungsgerechtigkeit" ab, sie kennt tausende Statistiken über die deprimierende Lage auf dem Arbeitsmarkt. Sie spuckt Zahlen, Diagramme und Schaltpläne aus. Sie kann alles abstrahieren. Aber den Kontakt zu denen, die das betrifft, die damit klarkommen müssen, die darunter leiden, diesen Kontakt hat die Gesellschaft verloren. Sie ist unfähig, sich in die Lage armer Menschen hineinzuversetzen oder gar sie zu verstehen. Sie schildert stets eine völlig andere Welt, obwohl doch beide, die Mehrheitsgesellschaft und ihre Armen, in derselben Welt leben.

Das liegt auch daran, dass die Debatten über die Unterschicht von denen geführt werden, die noch nie in ihrem Leben unten waren. Journalisten, die in Talkshows behaupten, das wahre Elend am Rande unserer Gesellschaft sei gar keine Armut im Portemonnaie, sondern eine Armut im Geiste, erhalten allein als Honorar für 45 Minuten im ARD-Presseclub 600 Euro - mehr Geld, als die Menschen, über die sie reden, für den ganzen Monat zur Verfügung haben.

Aus der Perspektive von oben verschwimmen ganz schnell die feinen Unterschiede, die für viele Menschen im Alltag existenziell sind. In dieser Journalistenwelt sind 10 Euro Praxisgebühr im Quartal kein Problem, mit Verschärfung von Armut haben sie schon gar nichts zu tun. Dahinter verbirgt sich nicht nur eine Wahrnehmungsschwäche, sondern ein Grundproblem.

Die meisten Journalisten in Deutschland reflektieren oft nur noch ihr eigenes Herkunftsmilieu. Mehr als zwei Drittel von ihnen stammen aus der Mittelschicht, stellte der Hamburger Journalistikprofessor Siegfried Weischenberg 2005 in einer repräsentativen Studie über deutsche Journalisten fest.

Andere Lebenswelten als die eigenen werden nicht mehr richtig wahrgenommen. "Die große Mehrheit der Journalisten hat ausschließlich Freunde, die auch Journalisten sind", sagt Weischenberg.

Dabei pflegen wir Journalisten immer noch gern den Mythos, wir seien so etwas wie der Anwalt der kleinen Leute, deren Rächer im Kampf mit der Obrigkeit. Viele Journalisten sind jedoch längst Teil des Establishments geworden. Mit den Mächtigen, die wir kontrollieren sollen, sitzen wir oft an einem Tisch. Wir betätigen uns gern als ihre Souffleure. Die smarte neue Mitte genügt ganz sich selbst.

Um die Frage, was Armut in Deutschland bedeutet, überhaupt debattieren zu können, müssen wir unseren Standort verlassen. Wer von der Mitte aus die Probleme betrachtet, sieht nicht dasselbe wie jemand, der vom sozialen Rand auf die Gesellschaft blickt.

Was die Betroffenen am allerwenigsten benötigen, ist unser Mitleid. Wir können uns von der Armut unter uns weder durch Mitgefühl noch mit Geld freikaufen. Aber genaues Hinsehen könnte helfen, das Problem in seiner Schärfe erst einmal wahrzunehmen. Dies ist noch kein Beitrag zur Beantwortung der Frage, wie den Armen geholfen werden kann - aber eine wichtige Voraussetzung dafür. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass den Armen die Anerkennung ihrer Bedürftigkeit versagt bleibt, nur weil es am anderen Ende der Welt Menschen gibt, die noch viel weniger haben.

Wir brauchen eine Haltung von Empörung - darüber, dass wir es zulassen, dass Millionen von Menschen in Armut stürzen und kaum Chancen haben, sich daraus befreien zu können. Wer diese Empörung nicht aufbringt, dem sei angesichts von Elend und Ausgrenzung wenigstens Scham zu wünschen. So war übrigens der erste Armutsbericht der Bundesrepublik, vorgelegt im November 1989 vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, überschrieben: "… wessen wir uns schämen müssen in einem reichen Land".

Stellen wir uns einfach vor, wir sehen unsere Gesellschaft mit den Augen der Betroffenen. Schon diese Perspektive enthält einen Maßstab für Gerechtigkeit: Das Ansehen eines Gemeinwesens bemisst sich am Wohl der Schwachen. Ihnen muss die gleiche Würde zuerkannt werden wie den Starken.

Erkennen wir uns in diesem Blick wieder?

taz vom 20.9.2006, S. 3, 296 Z. (TAZ-Bericht), NADJA KLINGER / JENS KÖNIG

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