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Geschrieben von Silke11 am 28.03.2015, 11:20 Uhr

Ich bin auch überzeugt, dass die Bekanntmachungen zutreffend sind

Und gerade für die Fluggesellschaften ist dieser Ablauf nicht besonders günstig, wie aus diesem Artikel hervorgeht (spiegel online):

Psychische Krankheiten bei Piloten Verdrängen, verleugnen, verschweigen Von Markus Becker

Der Co-Pilot Andreas Lubitz war offenbar psychisch krank - und damit in der Branche nicht allein. Psychiater und ein Pilot berichten von starkem Leistungsdruck und einer Atmosphäre der Angst.
Der 27-jährige Co-Pilot Andreas Lubitz hat den Germanwings-Airbus in den französischen Alpen absichtlich abstürzen lassen. Das ergeben die bisherigen Ermittlungen.Lubitz litt offenbar an einer psychischen Erkrankung. Am Absturztag war er krankgeschrieben, verheimlichte dies jedoch offenbar seinem Arbeitgeber.Die Lufthansa zahlt an die Angehörigen der 149 Opfer bis zu 50.000 Euro Überbrückungshilfe.Die Europäische Flugsicherheitsbehörde empfiehlt, dass zu jedem Zeitpunkt mindestens zwei Personen im Cockpit sein müssen. Viele Airlines haben die neue Regel eingeführt.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr zeigte sich fassungslos, als klar wurde, dass Co-Pilot Andreas Lubitz den Germanwings-Airbus mit 149 weiteren Menschen an Bord absichtlich ins Verderben gesteuert hatte. Er sei "hundertprozentig flugtauglich" gewesen, sein Verhalten "ein unglaublich tragischer Einzelfall", sagte Spohr.

Doch das stimmt bestenfalls zum Teil. Wie sich am Freitag herausstellte, war Lubitz für den Unglückstag krankgeschrieben. Mehr noch: Nach SPIEGEL-Informationen entdeckten Beamte bei der Durchsuchung von Lubitz' Wohnung Hinweise auf eine psychische Erkrankung. Aus der Gesamtschau der Dokumente lässt sich inzwischen eine Krankengeschichte rekonstruieren.

Diese Erkenntnisse passen zu den Aussagen von Psychologen, Psychiatern und eines Flugkapitäns gegenüber SPIEGEL ONLINE. Sie zeichnen ein besorgniserregendes Bild vom Umgang mit psychischen Problemen in der Luftfahrtbranche. Depressionen, Alkoholsucht, chronische Müdigkeit und Überarbeitung werden demnach oft totgeschwiegen. Einen offenen Umgang mit psychischen Erkrankungen gebe es nicht, stattdessen herrsche ein Klima von Verdrängung und Karriereangst.

Kritik an Psycho-Tests des DLR

Die Probleme beginnen bereits in der Ausbildung, meint Raphael Diepgen, Psychologe an der Ruhr-Universität Bochum und ausgebildeter Verkehrspilot: "Ob die psychologischen Tests die geeigneten von den ungeeigneten Kandidaten trennen können, ist mehr als fraglich." Verantwortlich für die Eignungstests von angehenden Verkehrspiloten, insbesondere im Auftrag der Lufthansa, ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). 90 Prozent der Bewerber, die nach der psychologischen Auswahl übrig blieben, würden ihre Ausbildung erfolgreich abschließen. Ohne die Vorauswahl seien es magere 30 Prozent.

Doch für die 30-Prozent-Quote gebe es keinerlei überzeugende Belege, kritisiert Diepgen. Das DLR führe dafür lediglich Erfahrungen der US-Luftwaffe aus dem Zweiten Weltkrieg an. An vielen Verkehrsfliegerschulen außerhalb der Lufthansa finde zudem gar keine psychologische Vorauswahl statt. "Trotzdem schließen dort ebenfalls 90 bis 95 Prozent der Schüler erfolgreich ab", so Diepgen. "Unter ihnen sind viele, die vorher beim DLR-Test durchgefallen sind." Dass der Test die Sicherheit im Luftverkehr erhöhe, könne das DLR nicht belegen: "Das ist alles heiße Luft."

Zudem bieten diverse Firmen Vorbereitungskurse für den DLR-Test an. Die Teilnehmer schlüpfen dabei gar in die Rolle des Prüfers und füllen "Beobachter-Bögen mit den typischen Beurteilungskriterien" aus, wie es auf der Website eines Anbieters heißt. "Da trainieren manche Leute ein halbes Jahr lang für viel Geld und schaffen dann eben den Test", meint Diepgen. "Wer trainiert hat und wer nicht, kann das DLR nicht wissen." Die Hamburger Abteilung für Luft- und Raumfahrtpsychologie des DLR, die die Untersuchungen durchführt, war für eine Stellungnahme am Freitag nicht zu erreichen.

"Die Leute funktionieren. Manche schaffen das mit Alkohol."

Für noch problematischer halten Experten und Insider die Tatsache, dass die Psyche der Piloten im späteren Berufsleben fast gar kein Thema mehr ist. Stattdessen verschlechtere sich die Situation immer weiter. "Der Druck vom Management nimmt immer weiter zu", sagt ein Flugkapitän, der seit 20 Jahren in der Branche tätig ist. "Die Krankschreibungen wegen chronischer Ermüdung und psychischen Problemen haben drastisch zugenommen." Mitunter würden deshalb auch Flüge gestrichen.

Nicht alle betroffenen Kollegen würden sich krankschreiben lassen, so der Flugkapitän, der aus Angst vor beruflichen Nachteilen anonym bleiben möchte. "Die Leute funktionieren trotzdem. Manche schaffen das mit Alkohol oder Medikamenten." Wie verbreitet psychische Erkrankungen unter Piloten sind, lasse sich kaum seriös beziffern, sagt der Bochumer Psychologe Diepgen. "Die Fluggesellschaften geben dazu keine Daten heraus."

Nach der Katastrophe in Südfrankreich fordern Politiker und die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO die Einführung regelmäßiger psychiatrischer Untersuchungen für Verkehrspiloten. Doch ihr Nutzen ist umstritten. "Es ist illusorisch, dass das etwas bringt", meint Diepgen. "Solche Untersuchungen können leicht unterlaufen werden. Kein Pilot kommuniziert ehrlich mit einem Flugmediziner, weil immer die Gefahr im Raum steht, für fluguntauglich erklärt zu werden." Der Flugkapitän bestätigt das: "Der Job hängt bei so etwas sofort am seidenen Faden - insbesondere wenn es um Alkoholkonsum oder Depressionen geht."

Bernd Pfänder ist anderer Meinung. "Man kann erkrankte Patienten durchaus erkennen", sagt der Berliner Neurologe und Psychiater. Dazu aber seien psychiatrisch geschulte Ärzte notwendig - zu denen die meisten Flugmediziner nicht gehörten. "Dass der riesige Bereich der Psyche bei Piloten nach der Ausbildung praktisch ganz ausgeklammert wird, ist höchst bedenklich", meint Pfänder. Während des langen Berufslebens könnten hirnorganische Veränderungen oder Psychosen entstehen - das sei bei Piloten nicht anders als bei anderen Menschen.

"Das System an sich macht krank"

In der Branche setzt man darauf, dass die Piloten dies selbst erkennen und melden würden. "Es ist in der Verantwortung des Piloten selbst, dass er sich medizinische Hilfe holt", sagte Jörg Handwerg, Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit. Die Kollegen achteten aufeinander. Wenn sich jemand ungewöhnlich benehme, werde er angesprochen und aufgefordert, sich Hilfe zu besorgen.

"Das funktioniert nicht", meint Pfänder. "Ich behandle in meiner Praxis Leistungsträger mit Psychosen, von denen kein Laie etwas ahnen würde." Insbesondere hochintelligente Menschen seien in der Lage, selbst schwere Leiden wie etwa paranoid-halluzinatorische Psychosen effektiv zu verbergen. Zudem waren Lubitz' Probleme offenbar bereits identifiziert. Sollten sich die bisherigen Erkenntnisse bewahrheiten, "dann hätte da jemand gepennt", sagt der Münchner Psychiater Helmut Kolitzus.

Kolitzus sieht ein weiteres Problem darin, dass psychische Erkrankungen in der Gesellschaft und insbesondere in manchen Berufen noch immer mit einem Stigma behaftet sind. Als Beispiel nennt er den Suizid des früheren Fußball-Nationaltorwarts Robert Enke. "Der Umgang mit psychischen Erkrankungen ist seitdem nicht besser geworden, weder gesamtgesellschaftlich noch im Profifußball", so Kolitzus. In der Luftfahrtbranche sehe es nicht anders aus.

Diepgen hält ein "aufmerksames Umfeld" und "sanktionsfreies Kommunizieren" für wichtiger als regelmäßige Untersuchungen. "Eine Atmosphäre, in der human mit dem Problem umgegangen wird, wäre hilfreich." Dass es dazu aber kommt, hält der Psychologe für unwahrscheinlich. "Die Öffentlichkeit hat keine Toleranz für psychische Erkrankungen."

Der Flugkapitän sieht das ähnlich. "Über psychische Probleme kann unter Piloten nicht offen geredet werden. Das verbietet meist der Anspruch an sich selbst, und die Kollegen würden jemanden mit solchen Schwierigkeiten auch nicht akzeptieren." Deshalb sei es falsch, Co-Pilot Lubitz als Einzelfall abzutun. "Das System an sich macht krank. "

 
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