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Geschrieben von fiammetta am 05.03.2006, 23:34 Uhr

Dresden - Wie geht man in Eueren Familien mit dem Thema um?

Hi,

bin ja z.Zt. kaum hier, wenn doch, moser ich zu meinen Standardthemen und hab` dann doch wieder keine Zeit zum Nachgucken.

Trotzdem: Habt Ihr gerade den o.g. Film gesehen? Liebesgeschichte in historischen Horrorkontext verpackt hin oder her - wie geht man in Eueren Familien mit der Thematik "Nationalsozialismus" und 2.Weltkrieg um? Bei uns wurde nie heroisiert (weder in die eine, noch in die andere Richtung), es kam nie der Text "Damit hatten wir nichts zu tun" o.ä.. Ich ärgere mich immer massiv, wenn ich z.B. thematisiere, daß etwa 50km von meinem Wohnort eine damals bekannte KZ-Außenstelle existierte und in einem weiteren Lager schwangere Zwangsarbeiterinnen ihr Kinder unter unbeschreiblichen Umständen zur Welt bringen mußten und "man" dann die Babies bis zu ihrem zwangsläufigen Tod unversorgt ließ. "Des ham mir do net mitkriagt" - aha, aber auf den nieder-/oberbayrischen Höfen durften sie schuften, oder hat man das auch nicht mitbekommen? Böse Frage, Themenwechsel oder das pampige Argument "Sie haben ja die Zeit nicht miterlebt", beleidigter Abgang. Stimmt, aber ich lasse mich nicht daran hindern, Geschöntes zu hinterfragen. In einem meiner Kurse wurde ich sogar einmal massiv beschimpft deswegen...
Nachdem ich ja u.a. Geschichte studiert hatte, löchere ich passioniert alle alten Leute, die diese Zeit mitbekommen haben. Meine Mutter, Baujahr `33, erzählt in letzter Zeit immer mehr aus ihrer Kindheit, wobei viel Bitterkeit, wieder aufkeimende Ängste und Entsetzen mitschwingen. Die meisten aber schaffen es bis heute, sich als unbedarfte liebe Leutchen zu präsentieren, die doch absolut nichts von der Politik, den Auswirkungen, dem Krieg, etc. mitbekommen hätten - das ist nachweislich erlogen. Andere hingegen haben den Anstand, sich nicht freireden zu wollen, wobei ich keine Selbstgeißelungen erwarte.
Das extremste Beispiel war mein Schwiegervater (ja, ein neuer "Schwank" von meiner verkorksten Schwiegersippe). Als Wehrmachtssoldat war er in Lucca (Italien) stationiert, worüber er nur ach so lustige Geschichtlein zum Besten gab. Dummerweise habe ich dann (die Vergangenheit holt einen meistens ein, wenn man`s nicht mehr erwartet) herausbekommen, daß er an einigen Massakeraktionen in der Umgebung der Stadt beteiligt war. "Ja mei, wenn mer do net a auf die Leit g`schossen hätten / die Kirchen mit denne Italiener drinnen angezündet hätten etc., dann hätten`s uns doch a an die Wand g`stellt!" Mag sein, aber ich könnte trotzdem kotzen und für mich ist das keine Entschuldigung für Mord, v.a. wenn das, was für die einen blutiger Ernst war, für die anderen offenbar ein Mordsspaß gewesen ist. Nachdem ich ihm das deutlich gesagt hatte gab`s keine spaßigen (und nachweislich erlogenen) Geschichten mehr. Gell, aber a Nazi, des war er ned... und die Böse war natürlich ich, wer sonst, denn ich hatte seine Taten aufgedeckt.

Bei all den unterschiedlichen Darstellungen, Selbstdarstellungen, historischen Wahrheiten und moralischen Urteilen merke ich mit zunehmendem Alter, wie sehr ich durch die Kriegs- und Nachkriegserlebnisse meiner Mutter v.a. geprägt wurde. Das bezieht sich auf einen Erziehungsstil, der aus eigenen alten Mustern, aber auch den grauenhaften Existenzängsten der Kriegszeit sowie durch die damaligen moralischen Wertungen zusammengesetzt war. Gleichzeitig sehe ich das Haus meines Großvaters mit den alten Möbeln zwischen Gründerzeit und 50ern vor mir, alte Originalfilme, die familieninternen Erzählungen, historische Quellen - und habe bei so manchen Filmaufnahmen das Gefühl des Wiedererkennens (was ja nicht wirklich stimmt) und bekomme unweigerlich Bauchschmerzen.

Wie läuft das bei Euch ab, setzt man sich in Eueren Familien mit der Thematik auseinander, schweigt man das lieber tot, habt Ihr auch den Eindruck, mehr mitbekommen zu haben als Eueren Eltern selbst bewußt ist?

LG,

Fiammetta

 
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