Schwanger - wer noch?

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Geschrieben von christine77, nix. SSW am 17.10.2003, 10:15 Uhr

Schritte der Kaiserschnittverarbeitung

Hallo!

Habe gerade ein Buch gelesen und möchte Euch daran teilhaben lassen. Ich wäre froh, wenn ich das schon vorher gelesen hätte. Deshalb poste ich das im SS-Forum

Phasen der Kaiserschnittverarbeitung aus Jong/Kemmler Kaiserschnitt Narben an Seele und Bauch


Wie eine Frau eine Kaiserschnittgeburt beurteilt und wie gut oder schlecht sie damit zurechtkommt, hängt von verschiedenen individuellen Faktoren ab. Wie bei jeder anderen persönlichen Krise spielen auch bei der Kaiserschnittverarbeitung die Wahrnehmung des Erlebten - welches unter anderem abhängig ist von der Effektivität der Streßbewältigungsmechanismen sowie der Persönlichkeitsstärke - eine gewichtige Rolle. Daraus ergibt sich die ganz persönliche Einschätzung der Krise, welche sich zusätzlich aus dem allgemeinen Entwicklungsstand, der symbolischen Bedeutung der Krise und der Qualität der sozialen Unterstützung ergibt. Andere nicht zu unterschätzende Begleitumstände wirken sich ebenfalls darauf aus, wie eine Frau den Kaiserschnitt für sich selbst beurteilt: die Erwartungen, die sie mit der Geburt ihres Kindes verknüpft hat, ihre Beziehung zu dem entbindenden Arzt und den Hebammen, die Zeitspanne, die sie hatte, um sich mit dem Gedanken an den Kaiserschnitt anzufreunden (je plötzlicher, um so schwieriger und potentiell traumatischer), der Grund für den Kaiserschnitt, das Ausmaß der Wehen oder das völlige Fehlen der Wehen, die Gegenwart oder die Abwesenheit ihres Mannes bei der Operation beziehungsweise direkt danach, die Möglichkeit oder Unmöglichkeit des direkten Kontakts mit ihrem Kind und jegliche medizinische Komplikationen. Diese Variablen in ihrer unterschiedlichsten Ausprägung tragen alle ihren Teil dazu bei, wie die Frau die Kaiserschnitterfahrung verkraftet. Wie wir schon mehrfach betont haben, kommen dazu stets die individuelle Anpassung an die Mutterrolle und der physische Heilungsprozeß hinzu. Trotz all dieser persönlich geprägten Unterscheidungsmerkmale gibt es offensichtlich große Übereinstimmungen, in welchen Phasen Kaiserschnittmütter ihre Geburtserfahrung verarbeiten, wie Juliene Lipson und Virginia Peterson Tilden von der Universiry of California, San Francisco, in einer Untersuchung festgestellt haben. 96) Diese Verarbeitungsphasen verlaufen nach einem bestimmten zeitlichen Ablauf und ähneln den Phasen der Trauerarbeit.

Phase eins: Die unmittelbar ersten Stunden nach der Geburt

Die ersten 21 bis 24 Stunden direkt nach der Geburt sind von einer geschockten Taubheit gekennzeichnet. Noch benommen von der Narkose, der Anspannung und der Erschöpfung, wird jeder Moment so genommen, wie er gerade kommt. Vielleicht ist die Frau auch zunächst nur froh, daß alles vorbei ist und daß sie noch lebt. Der größere Zusammenhang - was die Geburt nun für sie und ihr Kind bedeutet - wird meist noch nicht hergestellt. Psychische Schutzmechanismen von Unterdrückung und Verweigerung tragen dazu bei, eine emotionale Überreaktion zu verhindern. Diese »mentale Pause« hält die Gefühle in Schach und gibt Raum, die Ereignisse allmählich einsinken zu lassen. Janet beschreibt das so: »Ich konnte zunächst an nichts denken. Ich habe nur noch als Körper funktioniert - was man so funktionieren nennt. Es ging ums Überleben. Ich habe überlebt, mein Kind hat überlebt, mehr war zunächst nicht wichtig. Mit allem anderen wollte ich später fertig werden, jetzt nicht. Denken war viel zu anstrengend. «

Phase zwei: Die ersten Tage nach der Operation

In den ersten fünf bis sieben Tagen läßt die anfängliche Taubheit, das »nur Funktionieren« langsam nach. An ihre Stelle treten Gefühle von Enttäuschung, Schuld, Ärger und Neid auf die anderen Frauen auf der Entbindungsstation, die es »geschafft« haben, »richtig«, das heißt natürlich zu gebären. Der Verlust der Vorstellung von der glücklichen (Selbst)Erfahrung Geburt wird greifbar. In diese Phase fällt auch der berühmt-berüchtigte Heultag, der auch vaginalentbindenden Müttern »passiert«. Gisela: »Als mich meine Schwiegereltern besuchen kamen, fühlte ich mich wie ein Versager. Trotzdem bemühte ich mich, möglichst souverän aufzutreten. Ich besorgte mühsam schleppend selbst eine Vase für die Blumen. Aber ich hatte mich wohl übernommen, denn kurz darauf brach ich in Tränen aus - was mir extrem peinlich war-, und ich hatte die ganze Zeit mit den Tränen zu kämpfen. Schon das kleinste Wort ließ mich wieder hinwegschwimmen. « Das Hauptkennzeichen dieser Phase ist aber trotz des psychischen Erwachens auf den Körper bezogen. Die Energie der Frau ist darauf ausgerichtet, die Schmerzen unter Kontrolle zu halten, wieder feste Nahrung aufzunehmen, die Blase und den Darm zu entleeren, das Ein- und Aussteigen aus dem Bett zu trainieren und das Stillen in Gang zu bringen. Manche Frauen berichten davon, daß sie zunächst so mit sich selbst beschäftigt waren, daß sie es kaum schafften, besondere »Muttergefühle« zu entwickeln - was die meist vorhandenen Schuldgefühle noch verstärkt. In dieser Phase ist die emotionale Unterstützung von besonderer Bedeutung. Jegliche Hilfe von Schwestern und Hebammen bei der Babybetreuung wird dankbar angenommen, während ruppige »So ist es eben nun mal«-Schwestern eine Kaisersclmittmutter sehr treffen können. Sabine war sehr glücklich über die Fürsorge der Nachtschwester: »Es war mir körperlich leider absolut nicht möglich, Sebastian über Nacht bei mir zu behalten, obwohl die Hebammen immer betont hatten, daß andere Kaiserschnittmütter durchaus dazu in der Lage waren. Da das Säuglingszimmer nicht so weit entfernt war, konnte ich immer hören, wenn ein Baby schrie. Auch wenn ich mir nicht ganz sicher war, ob es nun mein Sohn war oder nicht, bereitete mir das fast unausstehliche Qualen. Ich stellte mir vor, wie er hilflos in seinem Bettchen lag und nach mir schrie, und ich es einfach nicht schaffte, zu ihm zu gehen. Deshalb bat ich die Nachthebamme Maria, ihn mir unbedingt sofort zu bringen, sobald er anfing zu schreien. Die gute Maria wußte wohl, daß auch ich meine Ruhe und einen guten, ungestörten Schlaf brauchte, um schnell wieder auf die Beine zu kommen. Deshalb versicherte sie mir, daß sie Sebastian, wenn er schrie, bei sich auf den Bauch legen würde, damit er sich beruhigt. Sie fügte hinzu, daß sie das auch ganz gerne machen würde und daß sie Sebastian sehr möge. Von da an hörte ich kein Schreien mehr (es war eine sehr kleine Station, und die meisten Mütter machten Rooming-in), und ich konnte so lange ruhig schlafen, bis mir Maria meinen kleinen Schatz zum Stillen brachte. Ich hätte sie für ihre Fürsorge küssen mögen, denn ich glaube, daß ihre liebevolle Betreuung mir und meinem Sohn sehr gutgetan hat!«

Phase drei: Beginn der Bewußtwerdung

Die Zeit von der Klinikentlassung bis acht Wochen nach der Entbindung ist für alle Frauen eine schwierige Zeit, nicht nur für Kaiserschnittmütter. Für diese ist es jedoch besonders hart, denn die Rund-um-die-Uhr-Versorgung ihres Kindes verhindert die so nötige Erholung nach der Operation. Was bei anderen Postoperierten niemals geduldet würde, wird von der Kaiserschnittmutter verlangt. Es wundert daher kaum, daß sich Kaiserschnittmütter in dieser Zeit oft total überfordert fühlen und es auch sind. Sie haben häufig das Bedürfnis, selbst bemuttert und versorgt zu werden, statt dessen müssen sie muttern. Daraus leitet sich oft die Sorge ab, keine gute Mutter zu sein, und es stellt sich erneut die »Bonding-Frage«. Für Kaiserschnittmütter mag es erleichternd sein, wenn sie feststellen, daß Mütter, die vaginal entbunden haben, mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Nur zu leicht wird dem Kaiserschnitt für alles die Schuld gegeben. Jetzt ist auch die Zeit, in der die Frage nach der Notwendigkeit des Kaiserschnitts nochmals kritisch in Frage gestellt wird. Inge: »Wie oft habe ich mich gefragt, ob die Sectio wirklich nötig war. Hätte ich nicht vielleicht noch etwas länger aushalten sollen oder können? War die Entscheidung dazu zu schnell? (Inge hatte fast 24 Stunden Wehen hinter sich, trotzdem hatte sie diese Gedanken.) War ich wirklich einer der wenigen Fälle, W denen ein Kaiserschnitt echt unumgänglich war? Sicher war ich mir bei der Antwort nie. Nur der Gedanke, daß sonst mein Kind noch länger hätte leiden müssen, beruhigte mich jedesmal. Wer weiß, vielleicht wäre es für Ariane sogar besser gewesen, wenn wir eher einen gemacht hätten. Aber sicher war ich mir nie. Das kam vielleicht auch daher, daß die Indikation >Geburtsstillstandhat es nicht weiter geschafftIch habe versagtDienst~ versagte, ist mir bis heute nicht klar. Aber vielleicht gibt es tatsächlich Dinge in unserem Leben, die uns in ihrer Sinnhaftigkeit verborgen sind - zumindestens für den Moment. Dies zu akzeptieren war für mich nicht leicht, da ich es einerseits berufsbedingt gewohnt bin, der Sache auf den Grund zu gehen, und andererseits glaubte, daß ich mir durch jahrelange Meditationspraxis ein gewisses >Anrechtbrauchenidealen( Geburt davon bestimmt sein soll, auf die Signale des Körpers zu hören und mit ihnen zu arbeiten, dann kann es eben auch ideal sein, sich ohne Groll notwendigen medizinischen Eingriffen zu fügen. Keiner von uns ist vollständig für seine körperliche Konstitution verantwortlich. (... ) Und haben Sie nur unter allerlei Hilfen Ihr Kind zur Welt bringen können, dann sind Selbstvorwürfe und Enttäuschung weniger am Platz als Dankbarkeit dafür, daß die moderne Geburtshilfe, bei allem Schaden, den sie bei übereilter Anwendung anrichten mag, schon Tausenden von Frauen und Babys ein schreckliches Schicksal erspart hat, das sie noch vor hundert Jahren ereilt hätte. « ») Meist setzt eine erneute Schwangerschaft allerdings den Auseinandersetzungsprozeß wieder in Gang. Die Frage, was lief beim ersten Mal schief und wie kann ich es jetzt besser machen, stellt sich dringlich. In einem guten Geburtsvorbereitungskurs sollte das möglich sein.

 
2 Antworten:

ist wohl was schief gegangen...

Antwort von christine77 am 17.10.2003, 10:19 Uhr

Phase drei: Beginn der Bewußtwerdung

Die Zeit von der Klinikentlassung bis acht Wochen nach der Entbindung ist für alle Frauen eine schwierige Zeit, nicht nur für Kaiserschnittmütter. Für diese ist es jedoch besonders hart, denn die Rund-um-die-Uhr-Versorgung ihres Kindes verhindert die so nötige Erholung nach der Operation. Was bei anderen Postoperierten niemals geduldet würde, wird von der Kaiserschnittmutter verlangt. Es wundert daher kaum, daß sich Kaiserschnittmütter in dieser Zeit oft total überfordert fühlen und es auch sind. Sie haben häufig das Bedürfnis, selbst bemuttert und versorgt zu werden, statt dessen müssen sie muttern. Daraus leitet sich oft die Sorge ab, keine gute Mutter zu sein, und es stellt sich erneut die »Bonding-Frage«. Für Kaiserschnittmütter mag es erleichternd sein, wenn sie feststellen, daß Mütter, die vaginal entbunden haben, mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Nur zu leicht wird dem Kaiserschnitt für alles die Schuld gegeben. Jetzt ist auch die Zeit, in der die Frage nach der Notwendigkeit des Kaiserschnitts nochmals kritisch in Frage gestellt wird. Inge: »Wie oft habe ich mich gefragt, ob die Sectio wirklich nötig war. Hätte ich nicht vielleicht noch etwas länger aushalten sollen oder können? War die Entscheidung dazu zu schnell? (Inge hatte fast 24 Stunden Wehen hinter sich, trotzdem hatte sie diese Gedanken.) War ich wirklich einer der wenigen Fälle, W denen ein Kaiserschnitt echt unumgänglich war? Sicher war ich mir bei der Antwort nie. Nur der Gedanke, daß sonst mein Kind noch länger hätte leiden müssen, beruhigte mich jedesmal. Wer weiß, vielleicht wäre es für Ariane sogar besser gewesen, wenn wir eher einen gemacht hätten. Aber sicher war ich mir nie. Das kam vielleicht auch daher, daß die Indikation >Geburtsstillstandhat es nicht weiter geschafftIch habe versagt

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letzter Teil

Antwort von christine77 am 17.10.2003, 10:20 Uhr

Phase fünf: Die (Er-)Lösung

Nach und nach lernt die Kaiserschnittmutter, das Erlebte zu akzeptieren und es in Perspektive zu dem Rest ihres Lebens zu setzen. Zwar wird auch sie noch ab und zu gedanklich durch die einzelnen Geburtsphasen gehen, aber das wird gelassener und nicht mehr so gefühlsgeladen geschehen. Völlige Auflösung eines emotionsgeladenen Lebenserlebnisses ist selten. Statt dessen relativiert sich das Erlebte und wird eingebettet in eine realistischere Einschätzung. Häufig wird auch dem traumatischen Erlebnis noch ein positiver Aspekt abgewonnen, meist ist es die Gesundheit des Kindes. Ein anderer Aspekt ist das Bestreben einiger Frauen, anderen Frauen mit ähnlichen Erlebnissen zu helfen und so ihrem Erlebnis im nachhinein Sinn zu geben. Es kann aber auch ein Akzeptieren der Unerklärbarkeit sein, wie Gisela es beschreibt: »Ich war zuerst wie vor den Kopf geschlagen und habe verzweifelt nach möglichen Ursachen geforscht. Gefunden habe ich bis heute keine. Nach wie vor glaube ich, sensibel auf meinen Körper zu reagieren. Warum er mir bei dem wichtigsten Ereignis, der Geburt meiner Kinder, den >Dienst~ versagte, ist mir bis heute nicht klar. Aber vielleicht gibt es tatsächlich Dinge in unserem Leben, die uns in ihrer Sinnhaftigkeit verborgen sind - zumindestens für den Moment. Dies zu akzeptieren war für mich nicht leicht, da ich es einerseits berufsbedingt gewohnt bin, der Sache auf den Grund zu gehen, und andererseits glaubte, daß ich mir durch jahrelange Meditationspraxis ein gewisses >Anrechtbrauchenidealen( Geburt davon bestimmt sein soll, auf die Signale des Körpers zu hören und mit ihnen zu arbeiten, dann kann es eben auch ideal sein, sich ohne Groll notwendigen medizinischen Eingriffen zu fügen. Keiner von uns ist vollständig für seine körperliche Konstitution verantwortlich. (... ) Und haben Sie nur unter allerlei Hilfen Ihr Kind zur Welt bringen können, dann sind Selbstvorwürfe und Enttäuschung weniger am Platz als Dankbarkeit dafür, daß die moderne Geburtshilfe, bei allem Schaden, den sie bei übereilter Anwendung anrichten mag, schon Tausenden von Frauen und Babys ein schreckliches Schicksal erspart hat, das sie noch vor hundert Jahren ereilt hätte. « ») Meist setzt eine erneute Schwangerschaft allerdings den Auseinandersetzungsprozeß wieder in Gang. Die Frage, was lief beim ersten Mal schief und wie kann ich es jetzt besser machen, stellt sich dringlich. In einem guten Geburtsvorbereitungskurs sollte das möglich sein.

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