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Geschrieben von S_A_M am 14.02.2007, 11:56 Uhr

Behindertentestament / WICHTIG!!!!

Ihr Lieben,

vor einigen Tagen war ich auf einem äußerst interessanten Informationsabend zum Thema "Behindertentestament". Das KIZ (Kontakt- und Informationszentrum) in Herne hatte einen Anwalt für einen Vortrag gewinnen können.

Naja, jedenfalls hat Herr Bonk aus Köln (www.ra-bonk.de) einen sehr eindrucksvollen Vortrag in angenehmer Gesprächsrunde über die Notwendigkeit eines sogenannten Behindertentestamentes gehalten, dass Eltern eines Kindes mit Behinderung im Hinblick auf dessen (finanzielle) Zukunftssicherung aufsetzen sollten. Ich habe mal das ein oder andere abgetippt und hoffe es ist verständlich und interessant!

Liebe Grüße aus Bochum
Sabine

Ich kann jetzt nicht alles wiederholen (der Vortrag dauerte zwei Stunden), aber ein paar Stichpunkte möchte ich hier mal wiedergeben (alle Angaben ohne Gewähr natürlich, bin ja keine Juristin ;-) / ich verwende der Einfachheit halber den Begriff "Kind" auch dann, wenn es um volljährige Menschen mit Behinderung geht):


Wenn in euren Reihen ein Interesse an einem Vortrag zum Thema "Behindertentestament" besteht und sich sowohl eine Anzahl von ZuhörerInnen als auch ein geeigneter Raum findet, ist er sicher gerne bereit gegen eine Aufwandsentschädigung den Vortrag zu halten. Alles Absprachensache.

Ansonsten kann man bei Interesse mit ihm einen privaten Beratungstermin in seiner Kanzlei ausmachen.

So, nun genug Werbung ;-) Zum Inhalt des Vortrages.

Allgemeines:
Bei einer Testamentserrichtung können Kinder mit und ohne Behinderung gleichgestellt werden.

Allerdings: Da hierzulande das sogenannte Nachrangprinzip bei der Sozialhilfe gilt, "darf" ein Kind mit Behinderung kein freies Vermögen haben, da es sich dadurch (eine zeitlang) selbst versorgen kann (Heimplatz, Taschengeld usw.), sein freies Vermögen nach dem Nachrangprinzip bei der gesetzlichen Erbfolge (d.h. ohne Behindertentestament) für diese Selbstversorgung nutzen muss und danach das Geld komplett weg ist!

In dem Moment, wo bei einem Kind eine Behinderung festgestellt wird, sollten seine Eltern ein Behindertentestament aufsetzen lassen! D.h., das kann schon in den ersten Lebenswochen bzw. Monaten geschehen und ist generell unabhängig vom Alter des Kindes und vom Alter der Eltern!! Man sollte nicht davon ausgehen, dass die Einrichtung eines Behindertentestamentes (oder eines Testamentes überhaupt) nur eine Sache für ältere Menschen ist, denn ein Unfall oder eine schwere Krankheit macht beim Alter ja keinen Unterschied, wenngleich die negativen Folgen für die Zukunft eines Kindes mit Behinderung immer die gleichen sind, wenn kein entsprechendes Behindertentestament vorliegt, das die Folgen aus der gesetzlichen Erbfolge abwendet bzw. die einsetzenden Automatismen auffängt.

Die Errichtung eines Behindertentestamentes ist unabhängig von der Größe des Vermögens und unabhängig von der aktuellen Lebenslage.

Die Errichtung eines (Behinderten-) Testamentes ist nichts für die Ewigkeit, d.h. es besteht (sofern man nichts anderes verfügt und das sollte man besser nicht) natürlich die Möglichkeit (es wird sogar empfohlen), ein (Behinderten-) Testament nach einem bestimmten Zeitraum auf seine Aktualität zu überprüfen und es ggf. der aktuellen Rechtslage und der aktuellen Lebenslange entsprechend anzupassen.


Gründe für die Einrichtung eines Behindertentestamentes:

1. Schutz des überlebenden Ehegatten vor Erbansprüchen oder Pflichtteilansprüchen der Kinder, die der Sozialhilfeträger auf sich überleiten kann.

2. Eine bessere Versorgung des Kindes mit Behinderung durch zusätzliche Leistungen mit Hilfe des Erbteils bzw. Vermächtnisses.

3. Erhalt des Familienvermögens durch Sicherung des Vermögensstammes durch den Weg der Vor- und Nacherbschaft.


Warum ein extra Behindertentestament??

Darum: Folgen der gesetzlichen Erbfolge für ein Kind mit Behinderung (treten ein, wenn KEIN Behindertentestament errichtet worden ist)

· Wenn ein oder beide Elternteile sterben, kommt all das zur Vererbung, was im Besitz des Verstorbenen stand (d.h. alle Vermögenswerte wie Bankkonten, Autos, Immobilien...).
· Die Kinder werden Erben
· Das Kind mit Behinderung erhält ungeschütztes Vermögen, das es für seinen Lebensunterhalt (z.B. Wohnungseinrichtung, Heimplatz usw.) aufwenden MUSS, wenn bereits Eingliederungshilfe bezogen wird.
· Das Vermögen, welches auf das Kind mit Behinderung entfällt, wird dadurch sehr schnell aufgebraucht (bzw. das Geld bleibt solange unangetastet, bis es für den Lebensunterhalt genutzt werden muss).
· Bei der gesetzlichen Erbfolge hat ein Kind mit Behinderung KEINEN persönlichen Nutzen, sondern nur einen Pflichtnutzen vom geerbten Vermögen, denn im Grunde fließt das geerbte Vermögen früher oder später an den Sozialhilfeträger.

Achtung: Die sogenannten "Berliner Testamente", die als Kern die Klausel "Die Ehegatten setzen sich gegenseitig als Erben ein" haben, sind keine Lösung dieses Problems!! Die Kinder werden dadurch zwar enterbt, dadurch entstehen jedoch die sogenannten Pflichtteilansprüche und die Pflichtteilansprüche eines Kindes mit Behinderung leitet der Sozialhilfeträger wiederum auf sich über! Folge wiederum: Das Kind mit Behinderung hat keinen persönlichen Nutzen von seinem Anteil.


Fazit:
Vermögen hat für ein Kind mit Behinderung mit Blick auf das Nachrangprinzip der Sozialhilfe nur dann Sinn, wenn sichergestellt ist, dass es selbst NICHT über das Vermögen verfügen kann, denn alles, worüber es selbst verfügen kann, unterliegt dem Pflichtnutzen und bringt für den persönlichen Nutzen gar nichts! Dies umfasst z.B. auch Sparguthaben jeglicher Art (z.B. die von Mama und Papa oder Oma und Opa oder einem Paten für das Kind angelegen), die auf den Namen des Kindes mit Behinderung laufen sowie Selbst- und Lebensversicherungen (an dieser Stelle ging bei der einen Hälfte der ZuhörerInnen ein ganz besonderes Aufhorchen durch den Raum, während die andere Hälfte bereits wissend mit dem Kopf nickte. Herr Jonen gab den Tipp: "Wenn es Konten, Sparbücher o.ä. gibt, die auf den Namen Ihres Kindes mit Behinderung laufen, tun Sie ihm einen Gefallen und gehen Sie gleich morgen los und ändern das!")

Konsequenz: Errichtung eines Behindertentestamentes!



Von einem anderen Vortrag habe ich eine Kopie mit einem allgemeinen Testaments-Modell. Mit dem Hinweis, dass es gerade auch für so ganz individuelle Dinge wie ein Testament nie "das eine" Modell gibt. Daher das Folgende als ein Beispiel verstehen!! Es bezieht sich auf den Inhalt eines Testamentes für ein fiktives Ehepaares mit zwei Kindern, von denen eines eine Behinderung hat.

Tod des ersten Ehegatten:
· Vermächtnis (!) für das Kind MIT Behinderung
· Anordnung der Testamentsvollsteckung
· Anordnung, wie das Vermächtnis für das Kind MIT Behinderung einzusetzen ist.

Tod des zweiten Ehegatten:
· Erbeinsetzung des Kindes OHNE Behinderung
· Erbeinsetzung des Kinder MIT Behinderung als Vorerbe (!)
· Anordnung der Testamentsvollstreckung (der Testamentsvollstrecker haftet persönlich für die Erbschaftssteuer, Testamentsvollstrecker kann z.B. ein volljähriges Geschwisterkind sein, ggf. wird ein Testamentsvollstrecker vom Nachlassgericht bestimmt, z.B. ein Anwalt, Notar oder Steuerberater)
· Anordnung über die Verwendung der Vorerbschaft
· Bestimmung des Nacherben
· Bestimmung eines Betreuers für das Kind MIT Behinderung, der dafür Sorge trägt, dass das Geld dem persönlichen Wohle* des Kindes zugute kommt (Betreuer kann z.B. ein volljähriges Geschwisterkind sein, aber auch fast jede andere Person, die dazu geeignet ist. Besser ist es, wenn Testamentsvollstreckung und Betreuung nicht von der selben Person übernommen werden.)

*zum persönlichem Wohl bzw. zum persönlichen Nutzen des Kindes kann das Geld eingesetzt werden für die Finanzierung aller zusätzlichen Dinge wie z.B. Urlaub, Hobby, Zusatzbetreuung, medizinische Behandlung, die nicht von der Krankenkasse getragen wird usw.. Achtung: NICHT ALS TASCHENGELD EINSETZEN, denn damit verfällt der Anspruch!! Besser: Das Geld gleich in "Naturalien" umsetzen, also bestimmen, dass das Kind die Dinge vom Betreuer gekauft bekommt, die es sich für das Geld, wenn es als Taschengeld ausgehändigt würde, kaufen würde. Das kann z.B. sein: Getränke, Süßigkeiten, ein Zeitungs-/Zeitschriftenabonnement.

Wen es interessiert, hier noch ein paar Links:

Erbanspruch des behinderten Kindes - Ansprüche des Sozialhilfeträgers vermeiden

http://www.abc-recht.de/ratgeber/erbschaft/tipps/behindert.php

http://www.rechtslexikon-online.de/Behindertentestament.html

http://www.intakt.info/information/limmer.htm

 
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