Rund um die Erziehung

Rund um die Erziehung

Fotogalerie

Redaktion

 
Ansicht der Antworten wählen:

Geschrieben von lali77 am 06.06.2008, 11:52 Uhr

Bücher von Juul wirklich gegensätzlich? Wer hat beide gelesen...???

Hallo,

nach dem hier soviel über J. Juul geschrieben wurde, schaute ich mir einige Rezensionen über "Das kompetente Kind" und "Nein aus Liebe" an.

Jetzt verwirrte mich diese hier: so schrieb jemand:

Nach der Lektüre von J. Juuls "Das kompetente Kind" halte ich "Nein aus Liebe" für nicht glaubwürdig: In das "Kompetente Kind" wird vermittelt, dass Eltern kaum Nein sagen sollten, da die Kinder meist am besten wisen, was gut für sie ist. Das Buch hat mich nur verwirrt. Positiv wäre zu werten, dass Juul nun - des neuen Trends wegen?? - umgeschwenkt hat und nun auch für das (wichtige) Nein-Sagen eintritt.

Was haltet Ihr davon? Wer von Euch hat denn schon beide Bücher gelesen und kann mal seinen eigenen Standpunkt erörtern!?

Danke für die Diskussion...LG Jenny

 
12 Antworten:

Re: Bücher von Juul wirklich gegensätzlich? Wer hat beide gelesen...???

Antwort von hase67 am 06.06.2008, 12:35 Uhr

Erst mal vorweg: Ich habe "Das kompetente Kind" nicht gelesen, aber ich erinnere mich an die Argumentationen, die hier unter Bezug auf das Buch angeführt wurden. Daraus hat sich für mich ergeben, dass ein "prinzipielles" Nein, das man sozusagen nur ausspricht, weil die Gesellschaft erwartet, man müsse das Kind in gewisser Weise regulieren oder man selbst dies aus der eigenen Erziehung so als richtig gelernt hat, nicht nur zwecklos (so nach dem Motto "zum einen Ohr rein, zum anderen Ohr raus") sondern auch schädlich ist, weil es eben keine persönliche Botschaft beinhaltet. Das Kind fühlt sich entsprechend manipuliert bzw. dressiert. In "Nein aus Liebe" geht es eher darum, persönliche Neins zu formulieren (die übrigens nicht nur defensiven Charakter haben müssen), um selbst sichtbar zu werden, nicht um einem bestimmten Schema bzw. Dogma zu entsprechen. Klar erzeugt das auch mal Ärger auf der Gegenseite, aber es ist letztendlich fairer im Umgang, weil es keine verwirrenden Doppelbotschaften gibt, weil Konflikte akut ausgetragen (und abgeschlossen) werden und nicht monatelang schwelen müssen, bis es zum Knall kommt.

Lange Rede, kurzer Sinn: Für mich ist in den Aussagen überhaupt kein Widerspruch, eher im Gegenteil.

LG

Nicole

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

@hase67

Antwort von Feelix am 06.06.2008, 13:00 Uhr

Hallo hase67!


"... dass ein "prinzipielles" Nein, das man sozusagen nur ausspricht, weil die Gesellschaft erwartet, man müsse das Kind in gewisser Weise regulieren oder man selbst dies aus der eigenen Erziehung so als richtig gelernt hat ...",


Mir erscheint in der Argumentation die Unterscheidung zwischen solchen "falschen"/fremdbestimmten Grenzen (die Du wie oben beschrieben hast) und den "richtigen"/eigenen(?) problematisch .. oder zumindest problematischer als hier bisher dargestellt.

Wenn ich alles richtig verstanden habe, soll in der Authentizität des Vermitteln-Könnens der Grenzen das Unterscheidungsmerkmal liegen ... Hmm.

Magst Du noch ein wenig mehr ausführen, was Juul darüber schreibt? ... Woran erkenne ich ihm zufolge "die"/meine "echten" Grenzen? Oder was soll dafür sorgen, dass ich sie nicht "richtig" erkenne?

Liebe Grüße, Feelix

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Re: @hase67

Antwort von hase67 am 06.06.2008, 13:36 Uhr

Hi Feelix,

mal grundsätzlich: "authentisch" sind Grenzen, die ich persönlich akut spüre - also "Ich bin heute zu müde, um mit den Kindern eine Kissenschlacht oder eine Schminkorgie zu machen" oder, um ein weniger persönliches Beispiel zu bemühen: "Wir müssen jetzt gehen, auch wenn es schön wäre noch weiterzuspielen, aber wir kommen sonst zu spät". Natürlich gibt es da Abstufungen, und ich gebe dir Recht, dass es mitunter schwer ist, gerade die eigenen, gefühlsmäßigen Grenzen sicher zu erkennen, aber das ist wohl der Prozess, der sich seiner Meinung nach in Bewegung setzen soll.

Juul nennt das "Ja" zu sich selber sagen, sprich: Für seine Bedürfnisse oder das, was einem aktuell wichtig ist, dezidiert einzustehen und damit die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass dieses Bedürfnis erfüllt wird, statt stillschweigend zu erwarten, dass das Gegenüber merkt, wenn bei einem "das Maß voll ist" oder auch nur ein gewisses Unbehagen herrscht.

Fremdbestimmte Grenzen sind eher die, die wir meinen, setzen zu müssen, weil sie bestimmten gesellschaftlichen Erwartungen oder theoretischen Erkenntnissen entsprechen, also: Kinder sollen ihr Zimmer ordentlich halten, weil "man" das so macht, Kinder sollen sich die Hände vor dem Essen waschen, weil "es" zur Hygiene dazugehört. Natürlich können auch diese Beispiele mit persönlichen Grenzen zusammenfallen, aber dann kommuniziert man sie anders. Dann sagt man nicht: "Räum bitte dein Zimmer auf, was soll denn die Oma denken, wenn sie nachher zu Besuch kommt?", sondern "Räum bitte dein Zimmer auf, es ist mir unangenehm/peinlich, wenn Oma nachher kommt und es liegt alles hier verstreut." bzw. statt "Nach dem Stuhlgang, vor dem Essen, Händewaschen nicht vergessen!" sagt man "Geh dir bitte die Hände waschen, du hast gerade draußen auf dem Boden gespielt, und ich möchte nicht, dass du dir beim Essen Straßendreck mit in den Mund steckst."

Hm, hast du jetzt ungefähr verstanden, was ich meinte? Oder mit welchen Sachen hast du da im einzelnen Probleme, wenn du meinst, du kannst nicht recht entscheiden, was was ist?

LG

Nicole

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Re: @hase67

Antwort von Feelix am 06.06.2008, 14:45 Uhr

Hallo hase67!

Hmmm, für mich schließen sich hier einige Verständnisfragen an. Ich werde sie unständehalber vermutlich nicht alle jetzt formulieren können, aber ich würde gerne dranbleiben und würde mich freuen, wenn Du es auch noch ein wenig tätest. Mal sehen … (Schon jetzt vielen Dank für Dein Bemühen um „Juul“, liebe hase67 :-P *ammeistenfreudiginteressiertundnureinganzkleinwenigironisch*)


Zunächst das, was ich „Innenszenario“ nennen möchte:

* Du schreibst von Grenzen, die ich „akut“ spüre und für die ich dezidiert einstehen kann -- und das deshalb (!) auch glaubwürdig meinem Kind gegenüber tun sollte. Wenn das jedoch die „einzige“ Legitimation für ein „(Verbal:) Nein! (Nonverbal: Hier hast Du meine Grenze erreicht!)“ sein sollte, muss die Frage gestattet sein, wo denn die unartikulierten (weil entwicklungsbedingt-noch-nicht-zur-Artikulation-gebracht-werden-könnenden!) Grenzen des Kindes bleiben? Wie stehen sich Kindes-„Ja“ und Eltern-„Ja“ im Sinne Juuls gegenüber?

* Was macht dann die Grenze eines Vaters, der („bloß deshalb“) akuten Ekel verspürt, wenn sein Kind die Erbsen um den Teller drapiert, zur „falschen“ Grenze, die er besser nicht dezidiert („Ich ekle mich, wenn Du die Erbsen um den Teller legst und bitte Dich, es sein zu lassen.“) äußern sollte? Und was macht das Nicht-Empfinden eines akuten Grenzübertritts bei der Mutter in dieser Situation „richtiger“ -- Zumindest empfinde ich dieses Bewertungsmuster in der derzeitigen öffentlichen Erziehungsdiskussion so. -- Und was „gilt“ als akuter/authentischer/dezidiert anzubringender, wenn beide Elternteile mit dem Kind am Abendbrottisch sitzen?


Zum „Außenszenario“:

Das Kind erlebt im Idealfall also eine Mutter und einen Vater mit akuten Grenzen und der authentischen (in der Artikulation „bei-sich-bleibenden“ … dieser Juuls-Gedanke gefällt mir persönlich am besten, wenngleich ich Juuls an der Stelle gerne den Neuigkeitswert aberkennen und auf Marshall Rosenberg und seine irgendwann in den 70ern aufgelegten Ideen für eine "Gewaltfreie Kommunikation" verweisen würde) Verteidigung derselben.

*Hat nun für die potentiellen Möglichkeiten seiner eigenen Selbstentfaltung jenes Kind dann halt einfach „Pech“, das zufällig an eine Mutter mit tendenziell vielen akuten Grenzen gerät und zudem einen Vater erlebt, der auch nicht wenig an eigenen Grenzen beizusteuern hat? Und hat ein anderes Kind in den Möglichkeiten seiner eigenen Selbstentfaltung halt einfach „Glück“, weil es zufällig an Eltern gerät, die tendenziell eher wenige eigene akut empfundene „Grenzen“ im Erziehungsgepäck haben?

*Oder haben die jeweiligen Elternteile ihre jeweiligen Grenzen erst einmal unter Anleitung (nur welcher??!! Wer soll die Instanz im „Außerhalb“ des „authentischen“ Mutter- bzw. Vater-Ich sein??) nach „Richtig- und Sinnhaftigkeit“ zu durchforsten und so den Grenzen-Berg abzutragen, bevor sie guten Gewissens ans Erziehungswerk dürfen?



Ich konnte meine Zweifel jetzt nur skizzieren und kann nur hoffen, dass Du ein wenig besser verstehst, was ich meine, hase67 …

Vorläufig würde ich festhalten: Soweit ich es jetzt beurteilen kann, sticht Juuls, wenn es um das Erkennen(wollen!) der eigenen Bedürfnisse, Möglichkeiten und Grenzen von Menschen geht, und wenn es darum geht, wie wir diese produktiv (und möglichst nicht destruktiv) anderen Menschen (also auch oder insbesondere: Kindern) gegenüber zum Ausdruck bringen - können. Wenn wir es denn … können. ;-)

Moralisch -- sticht er deshalb nicht (automatisch). Und er entlässt uns e b e n n i c h t aus der von jeher quälenden Frage: „Ist das, was ich hier und heute mit meinem Kind tue, hier und heute - und noch für später und noch für sehr viel später - richtig oder ist es falsch?“ – Und mein subjektiver Eindruck war aufgrund mancher Beschreibung des Rezeptionserlebnisses hier in diesem Forum, es sei so: Juuls hätte diese Frage für uns Eltern geklärt.

Ein Irrtum meinerseits, hase67?!


Liebe Grüße, Feelix :-)

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Korrektur ...

Antwort von Feelix am 06.06.2008, 14:56 Uhr

Ich schrieb:

"Das Kind erlebt im Idealfall also eine Mutter und einen Vater mit akuten Grenzen und der authentischen (in der Artikulation „bei-sich-bleibenden“ … dieser Juuls-Gedanke gefällt mir persönlich am besten, wenngleich ich Juuls an der Stelle gerne den Neuigkeitswert aberkennen und auf Marshall Rosenberg und seine irgendwann in den 70ern aufgelegten Ideen für eine "Gewaltfreie Kommunikation" verweisen würde) Verteidigung derselben."

Es soll heißen:

"Das Kind erlebt im Idealfall also eine Mutter und einen Vater mit der ausgebildeten/immerschondagewesenen Kompetenz, die eigenen Bedürfnisse und ihre akuten Grenzbereiche im Innen zu erkennen und 'authentisch' [...] im Außen mitteilen zu können."


Liebe Grüße, Feelix (nu aber wirklich weg ;-)

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

@ felix

Antwort von BiggiMael am 07.06.2008, 23:38 Uhr

Hi, ich habe weder Jesper noch Jules gelesen :-), aber keine Probleme damit, bei mir selbst festzustellen, wo meine Grenzen sind. Wenn ich auch nicht glaube, dass ich von der Gesellschaft und Aussenwelt komplett unabhängig bin.

Ein Problem ist es eher, wenn ich 10 mal kein Problem damit habe, dass
mein Kind ein Glas Wasser ausschüttet, und beim 11. mal dann ausflippe.
Da greife ich dann eher vor und nimm' das Glas gleich weg, ansonsten stifte ich Verwirrung.

Und ich finde es persönlich für ein Kind per se besser, nicht in eine Familie geboren zu werden, in der Erbsen falsch auf dem Teller drapiert irgendwelche Ekelgefühle auslösen und die entsprechenden Reaktionen. Würde mich nicht wundern, wenn der das auch so sieht.

Mach dir nix draus, ich glaube alles in allem ist es bei Euch ganz in Ordnung :-) sofern das ein Beispiel war aus Eurem realen Leben. Den Gefühlsausbruch wegen der Erbsen kann ein Kind auch noch verkraften.

Ciao Biggi

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

@BiggiMael

Antwort von Feelix am 08.06.2008, 11:21 Uhr

Liebe BiggiMael!

Danke für Dein erfrischendes Posting. :-) Und danke auch für Deinen Verdacht, dass "es bei uns alles in allem ganz in Ordnung“ sein könnte -- ich habe ihn "alles in allem" auch. ;-)

Offen gestanden bin ich in meinem letzten Posting eigentlich weniger auf der Suche nach meinen eigenen Grenzen im Umgang mit meinen Kindern (die ich jeweils ganz gut zu finden glaube) als vielmehr auf der Suche nach den Grenzen des Juulschen Ansatzes oder der Begründung für den „Guru-Status“ von Jesper Juul (der immernoch nicht Juuls heißt *schluckundentschuldige,hase67*).

Liebe Grüße, Feelix


p.s.: Die "Erbsen-um-den-Teller-leg-Dramaturgie" war eine theoretische und sollte der Verdeutlichung eines meiner Juul-Verständnisprobleme dienen. Bisher waren unsere Kinder immer sehr daran interessiert, ihr Essen umweglos (;-) in den Mund zu befördern. Mal sehen, wie lange noch ... :-)

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

@Feelix

Antwort von hase67 am 08.06.2008, 12:57 Uhr

Liebe Feelix,

nähere Ausführungen zum "Jules" (ein netter Verschreiber, finde ich übrigens, das ist nämlich das französisische Pendant zum hierzulande gebräuchlichen "Egon") folgen demnächst, bin momentan etwas arbeitsüberlastet...

Also, aufgeschoben, aber nicht aufgehoben, versprochen!

LG

Nicole

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

@hase67: Ich freu mich drauf! :-) ...

Antwort von Feelix am 08.06.2008, 14:08 Uhr

... und möchte Dir für Deine „näheren Ausführungen“ gerne noch zwei Ergänzungen von mir mitgeben:

Ich schrieb:


„Moralisch -- sticht er deshalb nicht (automatisch).“

Damit will ich sagen: Juul (so wie ich ihn aufgrund der Rezeptionsbeschreibungen in diesem Forum bisher verstehe) läßt im Hinblick auf die „Richtigkeit“ oder die Bewertungsmaßstäbe für die Richtigkeit unseres Handels im Umgang mit unseren Kindern eine Lücke, die jede Mutter und jeder Vater anders für sich füllen kann – und darf. Das gesteht der Juulsche Ansatz, so wie Du ihn mir hier bisher vorgestellt hast, großzügig zu. Und das meine ich nun nicht als unterstellte „clevere“ Taktik Juuls, sondern soll vielmehr meine persönliche vorläufige Vermutung oder Erklärung dafür sein, weshalb es vielen Müttern so vorzukommen scheint, als habe Juuls d i e Universalantwort zum Umgang mit unseren Kindern gefunden. Denn ja, er hat tatsächlich („bloß“;-) eine Universalantwort/ein „passe-par-tout“ gefunden – und wollte vermutlich auch gar nicht mehr. Weil er – im Unterschied zu manchen Juul-Rezipienten hier in diesem Forum?? – möglicherweise ahnt, dass etwas anderes niemals nicht zu haben ist. Wenn Du so willst: ist Juul die (logische) Kehre/Volte bisheriger normativer (also normvorgebender oder auch nur normanbietender … „Sie dürfen von ihrem vierjährigen Kind erwarten, dass es die Erbsen auf dem Teller behält und sollten ihm das auch konsequent beibringen, und zwar auf xy Weise ....“) Erziehungsratgeber.

Kein Zweifel: sympathischer ist sie mir allemal :-), (logisch) „wahrer“ in Bezug auf die Frage nach d e m richtigen Handeln im Umgang mit unseren Kindern ist sie deshalb nicht. … Sie sagt dazu schlicht nichts (mehr).



Nochmal zum (logischen) Problem des Erlernenkönnens von „Authentizität“ resp. der Unterscheidung zwischen „authentischen“/“richtigen“ Grenzen und „künstlichen“/„falschen“ Grenzen:

Ich weiß nicht, ob wir uns in dem Punkt einig sind, hase67, aber Authentizität bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch und per definitionem: in Übereinstimmung von Fühlen, Denken und Sprechen und Handeln zu sein. Ich biete noch eine Wikipedia-Definition an: „Angewendet auf Personen bedeutet Authentizität, dass das Handeln einer Person nicht durch externe Einflüsse bestimmt wird, sondern aus der Person selbst stammt (wenn bei einer Person allerdings die Eigenschaft, dass ihr Handeln durch externe Einflüsse bestimmt wird, aus der Person selbst stammt, spricht man von einer authentischen Inauthentizität, auch von der Authentisch inauthentischen Persönlichkeit).“

Und wenn dieser Zustand im intrapersonalen Erleben eines Menschen gegeben ist, gibt es an der Authentizität „von Außen“ (logisch) nichts zu rütteln. Er ist dann so, wie er ist, „richtig“. ... Oder argumentiere ich hier falsch? Siehst Du es anders?

... Noch ein Versuch: wie k ö n n t e von außen beurteilt werden, ob dieser Mensch nun in Übereinstimmung von Fühlen, Denken und Sprechen und Handeln ist? Woran können wir es erkennen, hase67? Und woran können wir erkennen, dass es gerade nicht so ist? Was „darf“ mich – immer von Juul aus argumentiert! - dazu veranlassen, meinem Mann eine „Falschheit“ im Denken, Fühlen und Sprechen, Handeln zu unterstellen, wenn er beim Anblick von Erbsen auf der Tischdecke akuten Ekel verspürt? Was „darf“ mich dazu veranlassen, hier anzunehmen, es handele sich „bloß“ um eine gesellschaftliche Konvention, Erbsen und andere Bestandteile des Mittagessens auf dem Eßteller zu belassen, woraufhin mein Mann seine empfundene Grenzverletzung zu überprüfen und unserern Kindern gegenüber bestenfalls zu negieren habe?

Und dann noch: woher soll mein Mann selbst wissen, ob diese empfundene Grenzverletzung nun „echt“ oder („bloß“) das Produkt der Erziehung ist, die er selbst als Kind erfahren hat, wenn doch alles (!) So-und-nicht-anders-sein meines Mannes --- also auch noch das kritische Nachdenken darüber --- ein Produkt der Erziehung sein könnte, die er selbst als Kind erfahren hat. Inwiefern sollte das kritische Nachdenken über seine Grenzen (mit dem möglichen Konsequenz, dass er sie abbaut also „authentischer“/"richtiger" sein als das bisherige -- sozusagen "vor-Juulsche" -- Empfinden und Äußern dieser Grenzen? Wer/Wo ist die Beurteilungsinstanz?
Kannst Du das logische Problem erkennen?

Nochmal anders: Du schriebst vom „Bewussteinsprozess, der nach Juuls in Gang kommen soll …“, und ich frage: W e r könnte/darf ihn außerhalb desjenigen, bei dem er in Gang kommen soll, so anstoßen, dass das Ergebnis dieses Bewusstseinsprozesses nicht wiederum („zu“) fremdbestimmt ist?

**Was ist „Authentizität“ in Juuls Verständnis? Wie soll „Authentizität“ in Juuls Verständnis zu erlernen sein? Welche Ideen bietet er hier an? Bietet er welche an?

Oder habe ich Dich in diesem Punkt bisher falsch verstanden?


Einen schönen Sonntag, hase67, und liebe Grüße, Feelix :-)

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

@Feelix

Antwort von Mama Heike am 09.06.2008, 9:43 Uhr

Liebe Feelix,

aus Zeitgründen nur kurz:

***Wer/Wo ist die Beurteilungsinstanz?
Kannst Du das logische Problem erkennen?***

Es ist nicht nur ein logisches Problem, sondern auch ein gefühltes. Wer möchte schon gerne von einem anderen Menschen erzogen werden. :-)

Liebe Grüße
Heike

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Komm mir nicht wieder so, Mama Heike ... :-))))

Antwort von Feelix am 09.06.2008, 11:44 Uhr

... (D)Ein Gefühl ist kein Argument. Denn ich werde es Dir niemals (!) widerlegen – können.


Liebe Grüße, Feelix


p.s.: (Auch "nur kurz" :-): Ich nehme sowohl für „Authentizität“ als auch für „intrapersonales Erleben“ und noch für die zwischenmenschliche Verständigung darüber bei meinen Kindern bis zu einem gewissen Alter andere Zustände, Umstände und Anforderungen an mich als Mutter an als ich bei mir und anderen Erwachsenen als Ehefrau/Freundin/Forenuserin etc. annehme ... Und möglicherweise meint mein Begriff von „Erziehung“ im Umgang mit meinen Kindern deshalb – gedacht und gefühlt ;-) – etwas anderes als Deiner.

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

So, Feelix, ich stehle mir jetzt mal ein bisschen Arbeitszeit...

Antwort von hase67 am 09.06.2008, 23:48 Uhr

... um auf deine Fragen zu antworten.

Diesen Authentizitätsbegriff, den du da formulierst, würde ich nicht so absolut sehen. Authentizität ist für mich nichts in Stein gemeißeltes, sie verändert sich in dem Maße, wie wir uns selbst verändern, Und natürlich sind wir da durch unsere Erziehung, durch Wertmaßstäbe der Gesellschaft o.ä. geprägt. Authentizität beginnt aber m. E. erst an dem Punkt, wo man etwas außen "Erlebtes" wirklich verinnerlicht hat, sprich: es nicht nur kognitiv als richtig und vertretbar einsortiert hat, sondern auch gefühlsmäßig damit übereinstimmt. Ich finde, die berühmte "innere Stimme" oder das "Bauchgefühl" ist da die ausschlaggebende Instanz.

Was dein "Erbsenbeispiel" betrifft (ich hoffe im Übrigen nicht, dass dein Mann zu den Erbsenzählern gehört, meiner ist einer, und ich habe oft genug meine liebe Not damit) - hier würde ich es, glaube ich, gelten lassen, wenn jemand das Herumspielen mit Essen bei einem Kind über drei als unappetitlich empfindet. Mir persönlich ist das zwar egal, aber ich finde auch nicht, dass man ein Kind im Kindergartenalter allzusehr in seiner persönlichen Entfaltung einschränkt, wenn es das Essen nicht mit den Fingern auf dem Teller herumschieben darf. Generell geht es dir aber wohl um das Problem mit den Erwachsenen, die grundsätzlich "sehr enge", aber eben leider Gottes auch persönliche, authentische Grenzen haben. In mancher Hinsicht ist mein Mann wohl leider so ein Typ. Ich denke aber, hier geschieht das Ausloten und Hin- und Herverschieben der Grenzsetzungen im täglichen Miteinander, meine Kinder sind da auch recht dezidiert und selbstbewusst. Ich weiß nicht, ob ihnen das unbedingt zum Nachteil gereicht, denn sie lernen dabei, ihre Interessen auch gegen Widerstände zu verteidigen, und das ziemlich gut. Dass mein mütterliches Herz da manchmal blutet und ich denke, das müsst doch alles gar nicht so kompliziert sein, sei mal dahingestellt ;-)

Noch mal zu deinen eingangs gemachten Beobachtungen: Ja, Juul lässt bewusst eine Lücke, die mit Persönlichkeit zu füllen ist, denn er will keine Normen verhängen - er wünscht sich ein menschliches Miteinander, kein willkürliches Grenzenziehen nach bestimmten theoretischen Vorgaben. So gesehen ist er natürlich der ideale Erziehungsratgeber für jedermann, da hast du wohl Recht!

LG

Nicole

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Die letzten 10 Beiträge
Mobile Ansicht

Impressum Über uns Neutralitätsversprechen Mediadaten Nutzungsbedingungen Datenschutz Forenarchiv

© Copyright 1998-2024 by USMedia.   Alle Rechte vorbehalten.