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Geschrieben von Hase67 am 01.02.2020, 10:28 Uhr

Brexit-Vollzug

Nachdem gestern Nacht ja der Brexit-Countdown zu Ende ging und es hier irgendwie gar kein Thema zu sein schien, werfe ich einfach mal die Frage in die Runde: Was erwartet ihr, wie es mit Großbritannien und der Zusammenarbeit mit der EU weitergehen wird? Dabei würden mich vor allem differenzierte Meinungen von Leuten interessieren, die Freunde, Kollegen oder Arbeitsbeziehungen in GB haben, Medien-Kommentare kann ich selber lesen und tue ich auch zur Genüge.

Wir haben hier das Brexitgeschehen vor allem aus der Perspektive befreundeter britischer Familien verfolgt, die kurz nach ihrem Studium aus England oder Schottland nach Deutschland übergesiedelt sind und seit fast 20 Jahren in Deutschland leben. Die haben nach dem Brexit alle die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen, inklusive Einbürgerungstest und so. Aber entsprechend einseitig sind natürlich auch die Stimmen, die wir persönlich zu hören bekommen...

 
11 Antworten:

Re: Brexit-Vollzug

Antwort von Korya am 01.02.2020, 13:05 Uhr

Etliche Kunden meiner Firma - v.a. die japanischen Automobilhersteller und -zulieferer mit Basis in England - überlegen schon seit längerem laut, ob sie die Insel nicht mittelfristig verlassen. Standortentscheidungen für Folgemodelle sind bereits für andere Länder oder gar andere Kontinente gefallen.

Nissan und Toyota haben ja wenigstens noch Linien in EU-Ländern, aber Honda? Einziger Standort in Europa war UK, und wenn sie gehen, werden sie sich ganz aus Europa zurück ziehen. Selbst JLR hat eine neue Produktionsstätte in Osteuropa und somit auf EU-Boden - wenn mal die Logistik auf die Insel zu teuer kommen sollte.

Pro-Brexit-Freunde und Bekannte sagen zwar, die wären eh über kurz oder lang gegangen, weil Europa zu klein ist - mag ja sein, aber der Brexit hat diese Entscheidungen sicherlich erheblich beschleunigt.

Meine Firma selbst unterhält seit über 120 Jahren Standorte in England. Ob wir die alle halten werden, wage ich zu bezweifeln, auch wenn sie sich offiziell noch nicht dazu verlautet haben. Aber da gerade eh überall Stellen abgebaut werden, bietet der Brexit natürlich eine willkommene Entschuldigung.

Die Automobil- und Zulieferindustrie, und die ganze Ingenieurszunft zwischen Midlands und Manchester ist trotz aller Rückschläge der letzten 20 Jahre noch immer eines der wichtigsten Standbeine UKs.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass alleine Banken, Versicherungen und vielleicht noch irgendwelche dodgy trade agreements mit dem großen Bruder jenseits des Teichs die Wiesen so schnell wieder zum Blühen bringen.

Wir werden sehen.

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Re: Brexit-Vollzug

Antwort von DK-Ursel am 01.02.2020, 13:13 Uhr

Hej!

Wirtschaftilch kann ich dazu nichts aus eigener Erfahrung beisteuern. In meinen Augen werden einzig die Rechtsanwälte profitieren, da alleVerträge ja neu abgeschlossen werden müssen. Ansonsten glaube ich an viele Verlierer auf beiden Seiten, wobei die Briten sicher Übergewicht bekommen: sie schätzen sich einfach noch ein wie zu Victorias Zeiten, aber so groß sind sie eben nicht mehr, und Vertäge, die eine asiatische Firma mit der EU aushandelt, werden ganz sicher nicht, wie mal veröffentlicht, genauso für die kleinen Inselbriten kommen!
Ich glaube,die Jubler von heute Nacht werden noch böse aufwachen!

Die Sache mit der Staatsbürgerschaft kenne ich auch.
Ich habe dadurch sogar eine "Kundin" verlroen,die eigentlich gern deutsch lernen woltle,w egen der Beantragung der Statsbürgerschaft aber zu einem dän. Sprachkurs mußte - übrigens ziemlich hirnrissig, wie ich von einer dt. bekannten weiß, die ebenso lange (wie ich und diese Britin) hier lebt, beruflich internationale, aber eben auch privat dänisch integriertsnid, die Sprache wie ichfließend sprechen und sichdann mit radebrechendenden Neuankämmlingen auf die Schulbank setzen müssen ,um deutsch u lernen.
Bürokratie pur - gibt es auch im achso einfach gestrickten DK!
Aber dies nur am Rande.
ja, viele Briten haben sich auch die dänische Staatsbürgerschaft erworben,seit es die Brexitbestrebungen gibt. Einen Zuwachs vermeldeten sogar die Behörden.
Die Entscheidugn fällt leichter, seit DK als das letzte EU-Land erst vor wenigen Jahren ermöglichte, neben der neuerworbenen dänischen Staatsbürgerschaft auch die bisherige zu behalten (sofern das bisherige Land dies erlaubt).

Gruß Ursel, DK

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Re: Brexit-Vollzug

Antwort von kuestenkind68 am 01.02.2020, 13:57 Uhr

Im Bankenbenbereich sind doch schon viele Arbeitsplätze von London weg nach Frankfurt oder Irland gewandert. Die Überseebanken brauchen ja ein Headoffice innerhalb der EU und das geht in London nun nicht mehr. Sicher wird London nicht Finanzlos bleiben, aber ich glaube, die goldenen Zeiten als Finanzmetropole sind vorbei... Außer die Engländer senken jetzt massiv die Steuern und treten als Finanzoase auf... Aber ich glaube, das können die sich jetzt finanziell gar nicht leisten...

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Re: Brexit-Vollzug

Antwort von Salkinila am 01.02.2020, 14:20 Uhr

Wir waren die letzten 20 Jahre jedes Jahr in GB im Urlaub und fahren auch dieses Jahr nochmal hin. Ob wir nächstes Jahr hinfahren, wissen wir noch nicht, möglicherweise geht es dann eher nach Irland. Erst mal abwarten, wie sich das nach Ablauf der Übergangsphase entwickelt.

Die Mutter einer Freundin kam Anfang der 70er Jahre aus England nach Deutschland, weil ihr Mann Deutscher war. Das war kurz bevor GB in die EU aufgenommen wurde. Als EU-Bürgerin konnte sie dann völlig problemlos in Deutschland leben, obwohl sie nur einen britischen Pass besaß. Vor zwei Jahren hat sie dann, nach fast 50 Jahren in Deutschland, die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen, weil sie nicht wusste, ob sie weiterhin so problemlos in Dtld. würde leben können. Die Frau ist über 70 und kann nicht verstehen, in welche Richtung sich ihre alte Heimat bewegt hat.

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Re: Brexit-Vollzug

Antwort von Mehtab am 01.02.2020, 14:30 Uhr

Wie das jetzt weitergeht, wird wohl auch sehr stark von den Verträgen zwischen Großbritannien und der EU abhängen. Wenn das Ganze recht flexibel wird, so dass sich wirtschaftlich kaum etwas ändert, dann kann das schon gut werden. Wenn aber Schwierigkeiten auftreten, dann wird das sowohl auf Seiten der EU und natürlich auch auf der Seite Großbritaniens zu Einbrüchen führen. Und es kann ja eigentlich gar nicht so weitergehen wie bisher. Die Briten sind ja schließlich aus der EU ausgetreten, damit sich etwas ändert. Von einer Abspaltung Schottlands und Nordirlands will ich erst gar nicht reden, da das noch gar nicht spruchreif ist, aber trotzdem irgendwie auch im Raum steht, wenn es wirklich zu Grenzkontrollen zwischen diesen Ländern und der EU kommen sollte.

Ansonsten kenne ich auch Briten, die längst die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt haben, gleich als es mit den Diskussionen um einen Austritt Großbritanniens los ging. Diese Menschen leben aber auch bereits seit Jahrzehnten in Deutschland, ihre Kinder gingen in Deutschland zur Schule und leben auch in Deutschland. Deshalb war es gar keine Frage, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen.

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Re: Brexit-Vollzug

Antwort von Hase67 am 01.02.2020, 16:36 Uhr

Wirtschaftlich und politisch ist ja die allgemeine Befürchtung, dass GB sich stärker an die USA annähern könnte und wir dann orwellsche Zustände bekommen mit einem "Ozeanien" auf der einen und Europa und Asien auf der anderen Seite. Ob GB sich aber wirklich auf so einen Kuhhandel mit Trump-Land einlassen, das sich ja ausschließlich an den eigenen Interessen orientiert und für das Großbritannien bestenfalls das kleine europäische Anhängsel wäre, halte ich für sehr fraglich. Mit der "Freiheit", die man durch den EU-Austritt dazugewinnen wollte, hätte das jedenfalls nicht mehr viel zu tun.

Mir ist noch ein anderer Aspekt eingefallen, der jetzt sicher sehr anders wird für Großbritannien: Mein Mann ist an einer Hochschule beschäftigt und in einige internationale Forschungsprojekte involviert. Die britischen Hochschulen fallen ja nun auch automatisch aus der EU-Förderung heraus, meines Wissens sind gerade an die "besseren" Unis auch nicht wenige EU-Gelder geflossen, und Anträge auf Drittmittel, die über EU-Anträge laufen, fallen nun automatisch auch unter den Tisch. Im akademischen Bereich hängt sich GB damit also ziemlich ab, zumindest auf Europa-Ebene...

Unsere Freunde, die die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt haben, haben das übrigens auch relativ bald nach dem Brexit-Votum getan...

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Re: Brexit-Vollzug

Antwort von tonib am 01.02.2020, 17:46 Uhr

Wir sind eng mit UK Verbinden, beruflich und privat. Einer meiner Verwandten hat als Uniprofessor ein signifikantes Drittmittelproblem, ein anderer Professor fürchtet, dass seine Professorenstelle ganz wegfällt, weil die Studenten aus Europa fehlen.
Auch die Anwälte blicken eher mit Sorge in die Zukunft (dass alle Verträge neu gemacht werden müssen, stimmt natürlich nicht) wegen der unklaren Folgen für die Wirtschaft.
In der ZEIT war ein guter Artikel der ehemaligen FAZ-Wirtschaftskorrespondentin, und der einfachste Weg zum Verständnis ist immer noch Billy Bragg’s „Full English Brexit“.

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Re: Brexit-Vollzug

Antwort von Benedikte am 01.02.2020, 23:03 Uhr

man muss schauen, wie es sich entwickelt

die Schotten wollen mit MAcht in der EU bleiben und verlangen ein zweites Referendum. Sturgeon sagt, die Verhältnisse haben sich so massiv geändert seit dem knapp verlorenen, dass es ein zweites gibt. Johnson verweigert das- bislang. Das weiss ich nicht, wie das weitergeht.

irland-Nordirland fürchtet eine harte Grenze, Wiederaufleben von gewalt, Süaltung usw

Wenn die Briten den Brexit wirtschaftlich gut gestalten können, folgen andere eurokriische Staaten. Dänemark. Frankreich vielleicht-und dann ist sie irgendwann platt wenn die Nettozahler gehen. Ungarn und Polen bleiben bis zuletzt.

ich keinne einen deutsch-Briten bei der Eu, der schrieb mir "I switched nationalities and now I am a German EU Beamter"

mal schauen- mE hängt alles davon ab, wie es den Briten wirtschaftlich geht. Ob sie gewinnen-oder verlieren.

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Re: Brexit-Vollzug

Antwort von KKM am 02.02.2020, 7:33 Uhr

Ich beschäftige mich auch beruflich mit dem Brexit.

Für die EU - Bürger, die bereits im Vereinigten Königreich, VK, leben, ändert sich nichts.
Sie haben eine Art Bestandsschutz.
Leben, arbeiten, studieren ist weiterhin möglich.

Die EU betrachtet das VK bis zum 31.01.2020 weiterhin als Mitgliedstaat. Bis dahin läuft wirtschaftlich alles normal weiter.

Und dann wird es spannend.....

Der verrücktetste und vielleicht für das VK schlechteste Part ist wahrscheinlich das Präferenzrecht der EU.
Zur Erklärung: die EU hat viele, viele Abkommen mit anderen Ländern, z.B. Japan, Tunesien, Marokko, Kanada... die besagen, wenn eine Ware in einem Land ihren Ursprung hat, also dort hergesetellt wurde, darf sie zollfrei oder zollermäßigt in das andere Land importiert werden.
Was genau der Ursprung ist, ist immer etwas anders definiert.
Man darf z. B. oft Waren herstellen, in denen weniger als 30 % "Inhaltsstoffe" aus nicht Vertragsstaaten kommen. (Maschine wird in der EU gebaut, in Deutschland zu 20%, Polen zu 20%, Österreich zu 20%und VK zu 20 %, aber alle Schrauben mit einem Wert von 20% kommen aus den USA). Diese Maschine gilt als EU - Maschine.
So, künftig wird aber auch alles im VK Erarbeitete als schädlich angesehen..... also, der im VK erarbeitete Teil wird wertmäßig zu den 20% Schrauben hinzugerechnet. Insgesamt sind es dann 40 %. Und schon gilt die Maschine nicht mehr als Ware mit Ursprung in der EU.

Die EU hat die ganzen Vertragsstaaten gebeten, bis zum 31.12.2020 Waren aus dem VK weiterhin als EU - Waren zu sehen.
Soweit ich weiß, hat dem noch kein Partnerstaat zugestimmt.

Man wird sich als Unternehmen künftig überlegen müssen, ob man noch Waren aus dem VK zur Produktion einsetzen will, kann und darf, damit die eigene Waren weiterhin EU - Ursprungsware bleibt.
Der Kunde im Vertragsstaat will schließlich die EU - Ware, um Zoll zu sparen...

Das könnte böse für das VK ausgehen..... weniger Aufträge aus der EU

Informationen dazu gibt es auch auf www.zoll.de

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Re: Brexit-Vollzug

Antwort von Hase67 am 02.02.2020, 11:30 Uhr

"Wenn die Briten den Brexit wirtschaftlich gut gestalten können, folgen andere eurokriische Staaten.

Über Dänemark weiß ich politisch zu wenig, bei Frankreich beobachte ich mit Sorge, dass Macron (mal abgesehen davon, dass er ein Liberaler ist, mit denen ich es eigentlich nicht so habe) so massiv an Zustimmung verliert. Wer, wenn nicht er, sollte die Rassistin und "La France d'abord"-Predigerin Le Pen dann noch von einem Wahlsieg abhalten? Dann rückt ein Frexit tatsächlich in greifbare Nähe. Bisher ist Frankreich für mein Dafürhalten nicht per se als "eurokritisch" zu bezeichnen. Der Prozentsatz der Leute, die nicht vor der Wahl von Rechtspopulisten zurückschreckt, ist aber deutlich höher, ja. Das liegt aber wie in anderen Staaten weniger daran, dass diese ein so überzeugendes Programm oder echte Ideen hätten, als daran, dass Frankreich so zentralistisch organisiert ist und sich weite Teile der französischen "Provinz" von Paris abgehängt und vergessen fühlen. Das ist noch mal eine ganz anderre Größenordnung als hier. Andererseits ist die deutsch-französische Freundschaft ja noch immer der innere Kern der EU, weil das historisch so gewachsen ist. Und darauf sind auch viele Franzosen stolz. Die Gelbwesten-Demonstranten und Le-Pen-Anhänger gehören vielleicht weniger dazu, aber da ist es hüben wie drüben: das Geschichtsbewusstsein und die Bereitschaft, sich ernsthaft mit den Zusammenhängen auseinanderzusetzen nimmt ab, die ungerichtete Wut auf das Establishment und die angeblichen "Bedrohungen und Gängelungen von außen" nimmt zu.

Ungarn und Polen hätte ja auch nichts Besseres passieren können als ein EU-Beitritt, weil die EU für sie wie ein Selbstbedienungsladen funktioniert. Ohne dafür etwas zurückzugeben.

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Re: Brexit-Vollzug

Antwort von Hase67 am 02.02.2020, 11:48 Uhr

"Sie haben eine Art Bestandsschutz."

Ja, das habe ich auch gehört. Mir stellt sich aber auch die Frage, wie es "danach" sein wird. Zum Beispiel haben ein paar Kinder im Bekannten- oder Kollegenkreise Auslandsjahre oder -semester in UK gemacht. Für unseren Sohn (meine Tochter möchte eher auf dme Festland bleiben) hätte ich mir das auch gut vorstellen können. Wie sieht es dann mit den Studiengebühren, Ansprüchen auf Scholarships oder Grants für EU-Bürger aus?

Wie sich Unternehmen zukünftig im Hinblick auf UK verhalten werden, bin ich auch gespannt. Einer der besten und erfolgreichsten Arbeitgeber in unserer Region (die Firma Sick aus Waldkirch, die Sensortechnik herstellt) ist vermutlich auch vom Brexit betroffen, wobei sie generell sehr international aufgestellt ist und meines Wissens auch nicht in UK produziert.

Deinen Link sehe ich mir mal an, danke!

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