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Geschrieben von otter am 08.09.2006, 10:31 Uhr

Aus einem anderen Forum (laaang)

Hab heute was in einem anderen Forum gelesen und fand es einfach zu süß.

Vor meiner Mandel-OP war ich mit meiner Frau und meine kleinen Sohn im Schwimmbad Olympiastadion in Berlin (die Architektur, Adolf und das tausendjährige Reich lassen grüßen).

Da stehe ich nun zum ersten Mal in meinem Leben vor einer Sprungplattform mit 1, 3, 5, 7,5 und 10 Meter. Mein Kleiner sieht die Leute da alle rumspringen und schaut mich mit seinen Kulleraugen groß an, zeigt auf das 1er Brett, lächelt mich an und sagt: "Papa, Du auch spingen". Nein, er ist kein Chinese, und er will oft noch kein R sprechen.

Na ja, denke ich so bei mir, es gibt ja nichts schöneres, als ein Kind zum Lachen zu bringen, gut, macht sich Papa halt zum Affen, und hüpft ein paar Mal hin und rum, der Kleine lacht, alles klar, Mission "Kind glücklich machen, Papa ist der Held" beendet.
Doch was macht das kleine Sadist? Natürlich hatte er beobachtet, daß die Mehrzahl vom 3er springt. Wieder die großen Kulleraugen und der Fingerzeig auf den 3er.

Ok, denke ich mir so bei mir, warum nicht? Das schaffe ich auch noch, gut stelle ich mich halt an die lange Schlange an. Meine Kleiner stellt sich, damit die Sicht gut ist, direkt mit Mama neben die Plattform, wild hüpfend und mit dem Finger auf mich zeigend und lachend rufend "Papa". Jaja, lach Du nur. Aber wie gehabt, auch kein Problem.

Der Kleine freut sich wieder, und nichtsahnend aus dem Wasser steigend, kommt plötzlich ein Bademeister und öffnet die 5er Plattform. Natürlich deutet mein kleines Ungeheuer sofort auf die jungen Menschen, die in Scharen hochpilgern und fragt: "Papa, Du da auch runterspingen?".

Wieder dieses verdammte Kulleraugenlächeln, dem man nicht widerstehen kann, irgendwie ist die Natur verdammt raffiniert, denke ich mir so dabei, während ich den Turm erklimme. Natürlich sind da die ganzen kleinen und jungendlichen Hüpfer, und ich komme mir fast so alt wie alle anderen zusammen auf der Plattform vor. Und sie springen in Saltos und sonstigen akrobatischen Verrenkungen, das es mir ganz bange wird. Nene, ich begnüge mich mit dem simplen Füßevorraussichterheitsmacheschnelldieaugenzusprung. Warum mach ich noch so ein Scheiß, denke ich so bei mir, schließlich bin ich schon lange nicht mehr von so hoch gesprungen (a war ich 15-16?), und in unserem Ortsumkreis gab es nur ein Freibad mit einem 5er. Na gut Tribut an die Jugenderinnerung taste ich mich vorsichtig an den Rand der Plattform vor.

Scheiße, so hoch hatte ich es noch gar nicht in Erinnerung!

Kurz hole ich tief Luft, nimm meinen Mut zusammen, während mich die 6-10 jährigen beimitleidenswert ("was will der alte Sack hier oben") ansehen, schaue gerade aus, und springe. Auch kein Problem. Wieder hangle ich mich an den Beckenrand aus dem Wasser heraus, doch oh Schock, wo ist der Kleine mit Mama? "Er wollte unbedingt ein Eis", ruf meine Frau, während sie mit meinem Stammhalter eisleckend mir entgegenwackeln. Sein eisverschmierter Mund formuliert die anerkennenden Worte: "Papa, Du bist gespungen", und er grinst mich dabei an.

Während ich noch so hadere mit dem verpaßten Sprung zugunsten eines Eises bannt sich eine weitere ultimative Herausforderung an, der Bademeister öffnet den 7,5er! In Zeitlupe sehe ich das kleine eisverschmierte.Monster auf die paar Jugendlichen zeigen, die erfreut nach oben steigen und sein Mund formulieren die Worte (tieffrequente und verzögerte Artikulation: PPPPAAAAAPPPPPAAA, DUUUUUHHH DAAAAA AAAAUUUUCCCHHH SPPPPIIINNNGEN BIIIIITTTTÄÄÄÄ!

Meine Frau atmet sehr tief an und schaut mich vorwurfsvoll an nach der Parole: "Du bist zu alt für so einen Scheiß, laß es!". Als Feigling und Versager vor der Frucht meiner Lenden dastehen? Niemals! Mein Ehrgeiz ist gepackt! Der kleine Alien weiß genau, daß er schon gewonnen hat, und grinst mich entsprechend listig an.

Langsam steige ich die Stufen rauf. Hmm, das sieht doch vom 5er nicht so hoch aus, das ist doch kein Problem. Oben stehen feixend die Jungendlichen und Kinder und hüpfen ohne Probleme runter. Nach einer ersten vorsichtigen Rundumschau kommen mir die ersten Zweifel und überlege ernsthaft, wieder runterzugehen, man muß nicht alles machen. Jedoch macht die kleine Ausgeburt der Hölle unten freudiger Erwartung meinen Plan einen Strich durch die Rechnung, indem er nach oben zu mir deutend laut ruft: "Das ist mein Papa. Papa spingt gleich!". So viele Zeugen meiner Schande, wenn ich aufgebe. Panisch sehe ich, wie die Schlange auf der Plattform immer mehr abnimmt. Der Bademeister winkt souverän alle durch, und ich merke, wie die Zeit immer schneller vergeht. Ich schließe Frieden mit meinem Schöpfer, und will noch ein letztes Gebet gen Himmel schicken, als der Bademeister mich schon durchwinkt? Was, die zwei kurzen wollen noch warten, und lassen mich alten Mann vor. Mist, keine Zeit für ein Gebet mehr. Mein Körper wird nur doch durch die sich durch das Alter angesammelten Fettmassen zusammengehalten, und mein Blick wandert nach unten.

"UUAAAAA, PANIK, HILFE, SCHEISSE SCHEISSE SCHEISSE)", saust mir nur so durch den Kopf, "auf was habe ich mich da eingelassen?".
"Wieso ist das sooo hoch?", und sehe wieder mal, alles ist relativ, von unten sah es nicht so hoch aus. Ein letztes Mal wandert mein Blick nach hinten, ein gelangweilter Bademeister und erwartungsvolle Jugendliche warten hinter mir. Wieder geht mein Blick nach unten, und das Herz rast wie wild. "Warum muß ich so etwas noch machen, ich gebe lieber auf, lieber Schade als Tod?" und will schon zurückweichen, aber die aufgefüllte Schlange verhindert einen schnellen Abgang und führt nur zu einem schmachvollen Spießroutenlauf. Unten sehe ich, wie meine Frau nur den Kopf schüttelt und der kleine Satansbraten will hüpfend mit dem Eis schlotzend auf mich zeigt und allen klarmacht: "Das ist mein Papa, Papa spingt gleich!"

Ängstlich, wie schon lange nicht mehr, rasen die Gedanken durch meinen Kopf. Was mache ich nun? Soll ich mich der Schande hingeben und einfach aufgeben? Wie wird sich das auf die Entwicklung meinen Sohnes auswirken, wenn ich nun nicht mehr der Held für ihn bin? Und so stehe ich oben und starre nur fassungslos in die Tiefe.

Mit blanken Nervenflattern stehe ich Depp nun oben am Turm! Erwartet hatte ich Ruhm und Ehre, bekommen habe ich nackte Angst. So konnte ich wirklich verstehen, wenn Männer voller Begeisterung in den Krieg gezogen sind, und dann leibhaftig die Schrecken und der hohe Blutzoll in einer Schlacht miterleben mußten. Nein, hier war kein Ruhm, kein gloreicher Sieg zu holen. Und meine Krieg war der uralte Konflik Vater gegen Sohn, Thronfolger gegen den herrschenden König. Alle Augen des Schwimmbades lasteten auf mir. Mache ich mir vor Angst etwa in die Badehose? Schnell runter, damit es keiner sieht. Mit panischem Blick nach unten springe ich ab und fliege nach unten, und mir stellt sich die philosophische Frage, ab wann man eigentlich die Luft anhalten muß? Wann ist der richtige Zeitpunkt? Blöde Frage, das fällt mir aber sehr früh ein. Pffflatsch, schon schlage ich auf!

"Das ging aber schnell, schon vorbei?", wundere ich mich, während ich mich versuche, aus der vermeidlich endlosen Tiefe nach oben zu kämpfen. Wieder bin ich fasziniert vom vermeidlichen Zeitgefühl in einer hektischen Situation, in welcher die Zeit so viel schneller zu vergehen scheint. Als Beobachter hat man immer den Eindruck, die Menschen schweben so lange nach unten, ich erlebte daß wie ein Fall einer schweren Kanonenkugelm, kurz und schmerzlos.

AAABBBER, ich habe es getan, ich bin gesprungen. Ganz euphorisch und triumphierend (und nein, ich habe nicht in die Basehose gepinkelt ), schwimme ich zum Beckenrand. Mein kleiner Sonnenschein ist jedoch mit dem Eis beschäftigt, welches nun durch die sengende Hitze auf seine Hand tropfte.
"Papa, Eis topft auf Hand", flehlt er mich verzweifelt an. Vergessen die Heldentat, die sein Vater für ihn beging. War die ganze Mühe nun umsonst, war der Kampf um meine Angst schon wieder vergessen? So lecke ich seine eisverschmierten Hände sauber, und er strahlt mich wieder an, und ich merke, daß ich durch diese Tat wieder sein Held bin. Vergessen der tollkühne Sprung, die Angst, das Leid, der Aufwand, nein, die wahre Heldentat war das geschmolzene Eis von seinen Fingern zu lecken.

Meine Frau möchte gerne nach Hause gehen, und ich erwarte noch Besuch, Mylene aus dem Forum hier ist gerade in Berlin und hat sich zum Abendessen bei mir zu Hause angekündigt. "Papa, nehmen", steckt das kleine zauberhafte Wesen seine kleinen Arme entgegen, und ich nehme ihn auf meinen Arm und trage ihn. So machen wir uns auf den Weg, und ich schaue nochmals zurück zum Turm, wo ich die Jugendlichen und Kinder mit tollkünen Posen und Sprüngen bewundern kann. Der Bademeister macht nun den 10er auf, und ich schaue meine Frau nur fragend an, und mein Blick wandert zu meinem Ein und Alles. Aber der ist mittlerweile damit beschäftigt, auf mir rumzuhopsen und den Rest der Eiswaffel zu verspeisen, glückliche kleine Kinderwelt, noch nichts wissen von den Gefahren der Welt.

Sollte ich noch den Sprung vom 10er wagen? "Nein, laß den Scheiß", fährt mich meine Frau an, "genug Mut bewiesen für heute, man muß es ja nicht übertreiben!"

Alles umsonst, alles vergeblich? Na ja, zugegeben, ich war schon ein bißchen stolz auf mich, daß ich mich doch noch getraut habe. Und der 10er muß nicht mehr sein, vielleicht gar nicht mehr in meinem Leben.

Auf dem Heimweg, wo alles schon vergessen und vergangen zu sein scheint, fängt mein kleiner Stammhalter plötzlich an. "Papa, Du bist gespungen!"
"Ja, mein Sohn, ich bin für Dich gesprungen", entgegne ich.
"Das hast Du gut gemacht Papa", und drück mich fest. Meine Frau schaut nur gerührt drein und für mich ist das eines der schönsten Komplimente, die ich je gehört habe.

10er, I'll be back!!!

 
3 Antworten:

schnief. schön LG MEL

Antwort von Big Mamma am 08.09.2006, 10:49 Uhr

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ja, kenn ich :-)))))) gut geschrieben ! o.T.

Antwort von Schwoba-Papa am 08.09.2006, 11:02 Uhr

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Re: Wirklich klasse geschrieben o.T.

Antwort von faya am 08.09.2006, 14:19 Uhr

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