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Geschrieben von grieg01 am 29.11.2022, 8:23 Uhr

Hände waschen

Hallo zusammen,
bevor gleich alle auf mich einreden: ich weiß, dass ich übertriebene Ängste habe. Deshalb stelle ich auch folgende Frage:
Wie geht Ihr mit dem Thema Handhygiene um? Ich bin immer schnell mit einem Desinfektionsgel dabei, wenn ich unterwegs bin. Meine Tochter und mein Mann nutzen es vermutlich nur mir zu liebe. Heute fährt meine Tochter ins Weihnachtstheater. Mit Bus und Bahn, also das volle Programm. Solche Situationen ängstigen mich immer, weil ich nicht glaube, dass die Kinder sich die Hände waschen/desinfizieren bevor sie an ihre Brotdose gehen oder sich irgendwo einen Snack kaufen. Heute habe ich zu allem Überfluss vergessen das HandGel einzupacken.
Was ist hier normal? Was kann ich von einem 11jährigen Kind erwarten? Wie geht ihr damit um? Ich möchte gerne eine Normalität wiederfinden, die ich in den letzten Jahren verlernt habe.
Ich freue mich auf Eure (hoffentlich freundlichen) Antworten!
VG Grieg

 
11 Antworten:

Keim-Phobie versus vernünftige Hygiene

Antwort von Banu28 am 29.11.2022, 8:44 Uhr

Huhu,

wie Du selbst schon ahnst, geht es ja hier um zwei Themen. Um tatsächlich wichtige Handhygiene. Und um Deine übertriebenen Ängste.

Was die Ängste angeht: Dieser Desinfektions- und Händewasch-Fimmel gehört zu den häufigsten Zwangsstörungen überhaupt. Entscheidend ist die Ausprägung: Wenn es beginnt, Dich seelisch oder auch im Alltag einzuschränken, dann brauchst Du Hilfe. Das heißt zum Beispiel, wenn Du das ständig machen musst wider besseres Wissen, wenn Du beginnst, bestimmte Situationen zu meiden, weil‘s da Keime geben könnte. Wenn Du die Familie damit belastest.

Zwangsstörungen sind extrem häufig, und sie sind gut behandelbar. Man muss nicht jahrelang unnötig darunter leiden. Mit Zahnweh läuft man ja auch nicht Jahre herum, sondern geht nach wenigen Tagen zum Zahnarzt. Und so ist das auch, wenn die Seele einem Ärger macht oder weh tut.

Das zweite Thema ist die Frage, wie viel Hygiene im Alltag sinnvoll ist. Dazu ein paar Denkanstöße: Zu viel Hygiene und Desinfektion gilt als eine der Hauptursachen für Asthma, Neurodermitis und andere Allergien bei Kindern und Erwachsenen. Je „dreckiger“ ein Kind aufwächst, desto geringer sein Allergierisiko. Das heißt: Ein normales Maß an Sauberkeit ist richtig, aber das Immunsystem von Kindern und Teens braucht auch Bakterien, um beschäftigt zu sein. Ein unterbeschäftigtes Immunsystem fängt gern mal an, auf völlig harmlose Substanzen zu reagieren (= Allergie).

Zweiter Anstoß: Was ist das Allerschlimmste, was passieren kann, wenn man sich in Bus, Bahn, an Türklinken von Toiletten usw. holen kann? Da hast Du vermutlich völlig falsche Vorstellungen. Was man sich da holt, ist eine Darmgrippe. Nicht schön, aber auch nicht gefährlich. Und ja, vielleicht Corona, aber das ist für Kids und Teens harmlos. Etwas sehr Seltenes, aber schon gravierender ist eine Hepatitis. Hepatitis ist aber im Kindes- und Jugendalter eine völlig andere Erkrankung als bei Erwachsenen. Sie verläuft bei Kindern leicht, oft sogar unbemerkt, und sie heilt komplett aus.

Das alles heißt: Es droht keine echte Gefahr von fremden Toiletten oder Haltegriffen oder Türklinken, sondern eine gefühlt Gefahr. Im Gegenteil sorgt eine gewisse Keimbelastung für ein intaktes Immunsystem. Du darfst also gelassen sein.

Das Ganze heißt aber auch: wenn Du Deine Tochter zu übertriebener Hygiene anleitest, pflanzt Du Deine eigenen irrationalen Ängste auch in sie. Und das ist viel, viel schädlicher als jeder Darmkeim, der für drei Tage Durchfall macht. Es gibt sehr oft „Angstfamilien“, in der die Angst von einer Generation fleißig an die nächste weitergegeben wird. Das Schlimme ist, dass sich die Angst dann nicht nur auf Keime beschränkt. Sondern was Du Deinem Kind vermittelst ist: Die Welt ist ein gefährlicher Ort. Man muss ständig Angst haben, immer kann etwas Schlimmes passieren. Sogar ein Bus oder eine Toilette bedrohen Dein Leben.

Diese Botschaft ist schlimm. Denn das Kind lernt dann keine vernünftige Vorsicht, sondern entwickelt unter Umständen übertriebene Ängste, also eine Angststörung. Das ist mir selbst passiert, weil meine Mutter auch so eine Krankheitsangst und einen übertriebenen Hygienefimmel hat. Es war wirklich toxisch, und ich brauchte als Teenager mit 15 eine Therapie.

Ich wünsche Dir, dass Du es schaffst, Deine Tochter mit Desinfektionsgel möglichst ganz in Ruhe zu lassen. Händewaschen reicht. Trenne klar zwischen Deinem eigenen Problem (Keim-Angst) und der realen Gefahr für Dein Kind (so gut wie null). Das ist wichtig. Auch wenn es Dir schwerfällt: Halte Dich zurück. Sei zumindest äußerlich gelassen in Sachen Keim-Phobie. Sonst züchtest Du dieselben Ängste auch bei Deiner Tochter heran, und zwar sehr zuverlässig. Und das willst Du nicht wirklich.

LG

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Normal wäre, dass sich keiner die Hände wäscht

Antwort von Caot am 29.11.2022, 11:20 Uhr



Du musst aufhören deine übertriebenen und wirren Angstzustände auf deine Familie zu übertragen. Es ist ja das eine, das bei sich selbst zu tun, etwas anderes das auch vom Rest zu verlangen. Ganz dumm wird es, wenn man dadurch sein eigenes zwanghaftes Verhalten auf Unschuldige überträgt. Im Zweifel denkt deine Tochter, dass man das so machen müsste wie Du, überträgt es auf sich und andere Kinder und wird dadurch zum Gespött.

Eventuell holst Du Dir für Dich Hilfe. Du bist ja schon auf einem gesunden Weg, hast erkannt, dass es nicht normal ist wie Du Dich verhältst.

Meine Mutter ist chronisch krank. Hygiene war auch in meinen Kinderjahren daher sehr wichtig. Ich verlange von meinen Kindern, Hände waschen nachdem sie das Haus betraten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. So halten wir es alle. Das reichte auch meiner Mutter.

Desinfektionsgel finde ich per se nicht schlecht. Ich hab das im Auto und benutze es bei Toiletten die einfach unhygienisch sind. In aller Regel die, die nicht an einer Rastanlage angeschlossen sind. Da fahre ich auch das volle Programm.

In ein Theater würde ich es jetzt eher nicht einpacken. Da könnte ich mir die Hände waschen, sofern ich zur Toilette gehe. Wenn ich nicht zur Toilette gehe, greife ich auch ungewaschen in die Snackdose. Wie Du siehst bin ich noch da.

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Re: Keim-Phobie versus vernünftige Hygiene

Antwort von grieg01 am 29.11.2022, 13:08 Uhr

Liebe Banu28,
vielen Dank für Deine lange Antwort. Du hast mir sehr weitergeholfen. Danke, dass Du mir auch von Deiner persönlichen Geschichte erzählt hast. Ich habe dadurch nochmal einen anderen Blick auf meine Angststörung bekommen und welchen Einfluss das auf meine Familie hat. Ich arbeite dran. Ich wünsche Dir, dass es Dir heute gut geht und die Gelassenheit im Leben hast, die ich mir auch wieder erarbeiten möchte. VG Grieg

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Re: Keim-Phobie versus vernünftige Hygiene

Antwort von DK-Ursel am 29.11.2022, 15:52 Uhr

Toller Beitrag, dem ist nichts hinzuzufügen.
Und bei jeder Form der Angststörung ist es schon ein kleiner Anfang, den Du selber leisten kannst und mußt und wie ihn Banu ja auch schon anregt:
Frag Dich selbst, was das Schlimmste ist, was passieren kann - und wie oft Du wirklich je so einen schlimmen Verlauf bzw,. Ausgang erlebt hast.
Dadurch relativiert sich so einiges, glaube mir!

Alles GUte - Ursel, DK

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Re: Hände waschen

Antwort von kirshinka am 01.12.2022, 20:07 Uhr

Hä???????

Ich benutze kein desinfektionsgel normalerweise (während Corona ja - jetzt nicht mehr), aber mein Mann ist auch so ein phobiker

Von meiner Tochter erwarte ich das überhaupt nicht. Wozu?

Du solltest Dich bezüglich dieser Phobie behandeln lassen - das ist weit über das Normalmaß hinaus und pflanzt deiner Tochter unnötige Ängste ein!

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Re: Keim-Phobie versus vernünftige Hygiene

Antwort von fritzi3 am 04.12.2022, 17:12 Uhr

Von der Grundtendenz hast du sicher recht.
Was aber in dieser Extremheit sicher nicht stimmt, ist die Aussage:
" Je „dreckiger“ ein Kind aufwächst, desto geringer sein Allergierisiko."

Da haben viele Studien gezeigt, dass es um ganz bestimmten "Dreck" geht, der vor Allergien schützt, nämlich z.B. die Vaginalflora der Mutter, die bei der Geburt auf das Kind übertragen wird oder bestimmte Keime, die man z.B. in Kuhställen (und da möglichst nicht in industriell bewirtschafteten Großställen) findet, eher nicht um solche, die man den Türgriffen in öffentlichen Toiletten findet.

Gerade ein Magen-Darm-Infekt kann aber - wie ich kürzlich in einem längeren Artikel gelesen habe - z.B. durchaus den Grundstein für eine Nahrungsmittelallergie legen, nämlich dadurch dass man zufällig zu Beginn der MD-Grippe irgendetwas gegessen hat und das durch entsprechende Botenstoff-Kaskaden aufgeputschte Immunsystem einen Stoff dieses Nahrungsmittels dadurch ab da sensibilisiert ist und diesen fälschlicherweise auch als schädlich erkennt.

Auch können MD-Infekte in der frühen Kindheit über Veränderungen des Mikrobioms Allergien fördern

https://www.allergieinformationsdienst.de/news/article/magen-darm-erkrankungen-in-der-kindheit-beguenstigen-allergien.html

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Re: Keim-Phobie versus vernünftige Hygiene

Antwort von Jomol am 07.12.2022, 23:01 Uhr

Ich gehe da fast voll mit, aber Deine Einschätzung zu Hepatitis ist nicht richtig. Da gibt es einfach unterschiedliche Formen und die einzige, die man sich überhaupt (wenn auch nur mit sehr viel Pech) bei uns in einer Toilette besorgen könnte, ist die Hepatitis A und die wird in keinem Alter chronisch. Außerdem sind die allermeisten Leute (insbesondere Kinder) geimpft.
Corona wird nur über die Atemluft nennenswert übertragen, da schützt eine FFP2-Maske, Händedesinfektion hilft nicht.
Grüße,
Jomol

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Re: Keim-Phobie versus vernünftige Hygiene

Antwort von Jomol am 07.12.2022, 23:07 Uhr

Es gab Ärzte, die sind in die Favelas in Brasilien gegangen und haben die Kinder entwurmt. Mit dem Erfolg daß die dann Asthma bekamen. Das mit dem "dreckiger" macht weniger Allergien stimmt schon ganz gut. Das Problem ist dann halt, daß auch Infektionen eine größere Rolle spielen und man zwischen Teufel und Beelzebub wählt.
Industrielle Großställe haben das Problem, daß durch großzügigsten Einsatz von Antibiotika Problemkeine gezüchtet werden. Für die Allergien ist das womöglich egal, aber wenn man sich da eine Infektion holt, ist das nicht unbedingt so prickelnd.
Grüße,
Jomol

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Re: Keim-Phobie versus vernünftige Hygiene

Antwort von fritzi3 am 08.12.2022, 9:02 Uhr

Ja, dass Würmer das Potenzial haben die Allergierate zu senken, ist bekannt.
Aber das ist eben auch nur eine Form von "Dreck" und nicht unbedingt die Hauptkeime, die man sich auf öffentlichen Toiletten hierzulande holt.

Ich habe auch irgendwann eine Studie gelesen, wo man die Keime in einem Kuhstall eines "altmodisch" wirtschaftenden Kleinstbetriebs mit denen in einem Kuhstall moderner Massentierhaltung bezüglich Allergieprophylaxe-Potenzial verglichen hat. das Ergebnis war ernüchternd für den modernen Stall.
Insofern schwingt m.E. in der Hygiene-Hypothese oft ein bisschen Nostalgie mit, die der Realität des "Drecks", dem wir heute in den Großstädten, aber auch in der von Antibiotika- und Desinfektionsmitteleinsatz geprägten Massentierhaltung ausgesetzt sind, nicht mehr so wirklich entspricht.

Es gibt z.B. auch Proben aus Geschirrspülern, die ja einerseits das Geschirr keimfreier machen als das Handspülen. Dafür sitzen an Dichtungen etc. umso mehr echte Problemkeime.
Sich denen auszusetzen, in der Hoffnung, dadurch ein bisschen mehr positive Keimvielfalt in den Körper zu bekommen, ist sicher auch nicht gesund.

Insofern sollte man wahrscheinlich ein gesundes Mittelmaß walten lassen und nicht jedes Erdkrümel unter den Nägeln sofort entfernen wollen, andererseits aber gerade nach Kontakt mit scharf gereinigten "Problemflächen" im öffentlichen Raum oder mit Tieren/Tierexkrementen (z.B. wegen EHEC u.a. im Streichelzoo) das Händewaschen und u.U. auch die Handdesinfektion nicht ganz beiseite schieben oder sogar als schädlich darstellen.

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Re: Keim-Phobie versus vernünftige Hygiene

Antwort von fritzi3 am 09.12.2022, 7:10 Uhr

Noch als Ergänzung. In folgendem Artikel sind die Zusammenhänge und das gängige "Missverständnis" Hygiene mit "Hände waschen" gleichzusetzen ganz gut beschrieben:

https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.1700688114

Darin:

"In February 2016, Rook, Bloomfield, and four other infectious and allergic disease experts gathered to come up with a consensus view on the shift in thinking since the hygiene hypothesis was proposed 27 years ago. They decided the name has to go (15).
“The trouble is, as soon as you use the words ‘hygiene hypothesis,’ the word hygiene prejudges what the cause is,” says Bloomfield. To the public, “hygiene” is interpreted as personal cleanliness: washing hands, keeping food clean and fresh, sanitizing the home. However, because the hypothesis has been largely uncoupled from infections, the idea that we need to be less hygienic is wrong. Relaxing hygiene standards would not reverse the trend but only serve to increase the risks of infectious disease, says Bloomfield. The term “hygiene hypothesis” also fails to incorporate all of the other factors now linked to the increase in immunoregulatory diseases.
But the call to abandon the original simplistic theory has fallen on deaf ears. Several researchers interviewed for this article said the issue was semantics, and they didn’t care what name is used. That makes Bloomfield crazy. “I don’t know what to do about it. I’ve tried and tried and tried,” she says. Bloomfield has taken to calling it the “hygiene hypothesis misnomer” or the “so-called hygiene hypothesis.”
Various research teams have proposed alternate names: microbiome depletion hypothesis, the microbial diversity hypothesis, and, of course, the old friends hypothesis."

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Re: Keim-Phobie versus vernünftige Hygiene

Antwort von fritzi3 am 11.12.2022, 13:05 Uhr

Und jetzt ist mir noch ein Artikel untergekommen, wonach Infektionsschutz durch Hygienemaßnahmen sogar Schutz vor Leukämien darstellt:

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7099337/

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