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Geschrieben von wolke76 am 28.10.2015, 19:47 Uhr

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Falsche Patrioten Wie kleinmütig die schlecht gelaunten Retter des Abendlandes sind! Wem Deutschland wirklich am Herzen liegt, der hilft jetzt mit, dass wir über uns hinauswachsen
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Von Alan Posener
Korrespondent für Politik und Gesellschaft
Alan Posener
Angela Merkels Kritiker auf der Rechten haben sich auf eine Parole geeinigt: "Wir schaffen es nicht!" Die Losung einigt alle, von den östlichen Wutkleinbürgern, die von der Islamisierung des Abendlandes delirieren, bis zu den westlichen Großbürgern, die schon immer wussten, dass Kohls Mädchen es nicht kann, aber seit 2005 den Mund gehalten haben. "Mutti, wir schaffen es nicht!" Was für ein Armutszeugnis! Wie unpatriotisch!



Als Großbritannien im Zweiten Weltkrieg einer wirklich existenziellen Bedrohung ausgesetzt war, gab die Regierung die Losung aus: "Keep calm and carry on." Ruhig bleiben und weitermachen wäre auch jetzt die angemessene Reaktion auf die Flüchtlingskrise. Wir haben sie nicht gemacht, wir haben sie uns nicht gewünscht, wir reden sie nicht klein, wir wissen, dass es schlimmer wird, bevor es besser wird, und wir wissen nicht, wann das sein wird. Aber wir sind 80 Millionen, und wir werden weder islamisiert noch überflutet. Die Flüchtlinge sind Zeugnis einer Krise der muslimischen Welt, nicht des Abendlandes.

Vor zehn, zwanzig Jahren war es gerade die Rechte in Deutschland, die den Defätismus kritisierte. Die Vertreter der "selbstbewussten Nation", ihre Zuträger und Nachbeter meinten, Deutschlands Probleme – wir galten als "der kranke Mann Europas" – seien Ergebnis eines mangelnden Selbstvertrauens. Weil die herrschenden linken Ideologen die Geschichte des Landes auf die zwölf Jahre der Naziherrschaft reduzierten und auch da die Schuld nur bei uns suchten, könnten die Deutschen kein gesundes Nationalbewusstsein entwickeln und seien wegen dieser Beschädigung ihres Egos nicht in der Lage, mit Zuversicht die anstehenden Probleme anzugehen und zu lösen.

Nun, es kam anders. Eine linke Regierung mobilisierte nicht nur die Erinnerung an die Vergangenheit als Ressource, um die ersten Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zu legitimieren, sondern führte auch ohne Zutun der konservativen Revolutionäre Reformen durch, die dazu beitrugen, Deutschland vom kranken Mann zum Musterknaben Europas zu machen. Merkel erbte 2005 ein Land, das sich einiges zutraute, und machte dort weiter, wo Rot- Grün aufgehört hatte. "Deutsche! Ihr könnt wieder stolz sein auf euer Land!" Der Wahlslogan Willy Brandts aus dem Jahr 1972 könnte auch die Parole Merkels sein, und aus ähnlichen Gründen: Das Land ist unter ihrer Ägide bunter und sozialer und weltoffener geworden, hat an Macht und Ansehen gewonnen.

Das festzustellen, heißt nicht, in jene unkritischen Lobeshymnen auf die Kanzlerin zu verfallen, die vor der Flüchtlingskrise fast überall gängig und noch heute in den Staatsmedien üblich sind. Merkel hat viel Glück gehabt. Ihre Neigung zu einsamen Beschlüssen und plötzlichen Kursänderungen ist fatal, ihr Handeln in der Euro-Krise war falsch, ihre Politik des Abwartens war dem Ernst der Situation in Syrien und der sich seit Jahren abzeichnenden Flüchtlingskrise nicht angemessen. Würde sie heute abtreten, sie hinterließe – wie Brandt – kein Werk, sondern lauter Baustellen.

Doch von der Rechten kommt eben keine positive Kritik. Gerade diejenigen, die immer ein positives Verhältnis zur Nation gefordert haben, ein Besinnen auf die eigenen Kräfte, ein gesundes Selbstbewusstsein, eine Überwindung des Blicks zurück im Zorn – gerade sie ziehen sich nun zurück auf die mürrische Position: "Wir schaffen es nicht!" Die Merkel mutet uns zu viel zu, das wird böse enden.

Absurderweise wird dabei der Kanzlerin und ihrer Parole die Schuld am Flüchtlingsstrom in die Schuhe geschoben. Glaubt denn irgendjemand ernsthaft, die Menschen hätten sich nicht aus Syrien, dem Irak und Afghanistan aufgemacht, wenn Merkel geschwiegen oder gesagt hätte, "Leute, wir schaffen das nicht"? Oder wenn gar Horst Seehofer, Wolfgang Schäuble oder – nebbich – Frauke Petry im Kanzleramt gesessen hätten? Das ist absurd. Niemand in Deutschland, schon gar nicht die intellektuellen und politischen Stichwortgeber derjenigen, die mit Worten und Taten gegen Flüchtlinge und Migranten vorgehen, hat in den vergangenen fünf Jahren positive Vorschläge vorgelegt, wie mit den Migrationsströmen umzugehen wäre. Ihre Position besteht im schlecht gelaunten Geraune, es müsse doch Grenzen geben – Außengrenzen, Obergrenzen; man könne nicht jeden aufnehmen.

Dieses Murren wird als Realismus verkauft. Wie aber zu verhindern wäre, dass sich Millionen aufmachen; wie also im Mittleren Osten Sicherheit, an der Küste Libyens wieder staatliche Ordnung herzustellen, wie Europas Außengrenze zu bewachen und innerhalb Europas eine solidarische Lastenverteilung zu erreichen wären – dazu kommt von rechts nichts (und von links herzlich wenig); nicht zuletzt deshalb, weil man weiß, dass diese Aufgaben nur mit den USA und im europäischen Verbund zu lösen wären, während man rechts wie links einen dumpfdeutschen Antiamerikanismus und eine kleindeutsche Europaskepsis pflegt.

Der Patriotismus, sofern er nicht, wie Samuel Johnson schon 1775 meinte, "die letzte Zuflucht eines Schurken" ist, müsste aber bedeuten, die Kräfte der Nation zur Bewältigung einer gemeinsamen Aufgabe zu mobilisieren. Und nicht gemeinsam den Kopf in den Sand zu stecken und so zu tun, als ob die Aufgabe durch theoretische Obergrenzen wegzuwünschen oder durch Zäune an den Außengrenzen auszusperren wäre; als ob ein Ohnemichel- Deutschland im 21. Jahrhundert noch eine realistische Perspektive wäre.

Der Patriotismus war, ist und bleibt eine Kraft, die es den Bürgern ermöglichen soll, über sich hinauszuwachsen; deshalb taugt er nur für außergewöhnliche Lagen und nicht für den Alltagsgebrauch. Er ist keine Anleitung zum Kleinerwerden, zum Wegducken, zur Einigelung. Im Zweiten Weltkrieg lächelte von amerikanischen Plakaten, die zur Steigerung der Rüstungsproduktion aufriefen, die Werftarbeiterin "Rosie the Riveter" herunter. "We can do it!" rief sie ihren Kollegen zu. Wir schaffen es. Klar, dass es damals auch Defätisten gab. Aber Rosie – und Roosevelt – behielten Recht.

Angela Merkel mag keine Rosie sein; ein Franklin D. Roosevelt ist sie bestimmt nicht. Aber allemal besser als das Heer der miesepetrigen Defätisten mit ihrer traurigen Losung: "Wir schaffen es nicht!"

 
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