Chronisch kranke und behinderte Kinder

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Geschrieben von Ameise am 19.08.2010, 16:39 Uhr

viele Gedanken zum Thema ADHS - vielleicht hilft es dem einen oder anderen....

Das Thema ADHS wird in vielen Foren und in den Medien sehr gerne "ausgeschlachtet". Leider verkaufen sich nur Negativmeldungen in der Presse gut. Und wenn ich mir die AD(H)S-Reportagen von Frontal etc. angucke, sind auch diese oftmals sehr einseitig recherchiert.

Sicherlich wird in der Presse hauptsächlich auf dem Symptom der Hyperaktivität herumgeritten. Aber doch selten geht es tatsächlich darum, wie sich die betreffende Person fühlt, wie sie alles erlebt, was ihr das Leben schwer macht. Meist geht es nur darum, ob eine solche Person in die Gesellschaft "passt" und darum, dass sich die Umwelt "gestört" fühlt, wenn einer "anders" ist.

Aber darum geht es ja im eigentlichen Sinne nicht.

ADHS und ADS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit bzw. ohne Hyperaktivität) bedeutet, Reize, die das komplette Sinnesorgansortiment betreffen wie Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Fühlen nicht gefiltert werden können. Alle Reize kommen gleichwertig in einer Zelle an und werden gleichwertig weitergegeben.

Es gibt kaum Selektion, ob nun etwas, das ich gerade anhöre wichtiger ist, als etwas, dass ich im Augenwinkel sehe. Ein Vogel, der am Fenster vorbei fliegt, wird gleich stark wahrgenommen wie das Gespräch mit der Mutter und die kratzende Unterhose etc. In der Schule hört das Kind den auf dem Papier kratzenden Bleistift des Nachbarn gleichwertig wie die Stimme der Lehrerin und das Hüsteln des Hintermanns. Gleichwertig kommen aber auch die Reize der rutschenden Socke, des kratzenden Größenschildchens und der irre Farbenmix auf dem T-Shirt des Vordermanns im Hirn an. Wie sollte man sich da konzentrieren können? Jedoch kann ein AD(H)Sler sich sehr wohl fokussieren und oftmals sogar einem Hyperfokus unerliegen, wenn ein Thema besonders interessiert.

Wir Nicht-AD(H)Sler gewichten alle Reize unterschiedlich. Wenn ich beispielsweise ein Buch lese, kriege ich um mich rum nichts mit. Ich kann die Reize selektieren. Auf einen AD(H)Sler prasseln sie 24 Stunden am Tag ungefiltert ein. Manchmal erlebt man so Momente, wenn beispielsweise die Kids im Auto streiten, das Radio an ist und man sich auf den richtigen Weg konzentrieren soll - was passiert? Man muss das Radio ausmachen, weil es plötzlich zu viel ist. Weißt Du was ich meine? das sind seltende Momente für uns, aber der Alltag für AD(H)Sler. Nur ein ADH()Sler kann nicht einfach einen Reiz ausschalten.

Da für ein ADHSler quasi alles im Kopf schwirrt, ist es für die meisten unumgänglich, dass sie einen sehr strukturierten Tagesabblauf haben. Strukturiert ist aber nicht gleichzusetzen mit eingegrenzt. Sie haben es einfach leichter, wenn alltägliche Dinge eben auch jeden Tag nach dem gleichen Muster ablaufen. Das gibt Sicherheit und Halt im Chaos. Viele ADHSler haben einfach keinen "roten Faden", an dem sie sich langhangeln können. Ich vergleiche es einfach so: Das Kind wacht morgens mit einem leeren Blatt Regel-Papier im Kopf auf. Über den ganzen Tag werden dort Regeln, Grenzen, Möglichkeiten, Abläufe aufgeschrieben, die helfen, den Alltag zu meistern. Am Abend geht das Kind schlafen und über Nacht wird ein neues Blatt Papier eingespannt. Somit beginnt der Morgen wieder mit einem weißen Blatt Papier. Aus diesem Grunde muss ich auch jeden Tag die gleichen Dinge anleiten. Aber es ist auch so, dass ADHSLer ganz tolle Qualitäten haben, die vielen anderen verborgen sind. Sie sind oftmals sehr kreativ, tierlieb und hilfsbereit. Sie haben den Blick für Details und Kleinigkeiten - die wir "Normalos" oft gar nicht mehr in der Eile wahrnehmen. etc.

ADHS und ADS bedeutet, permanent überreizt zu sein, weil eine Nervenzelle den empfangenen Reiz abgibt und sofort zurückerhält - nur um ihn dann wieder abzugeben und zurückzuerhalten etc. Ein Ping-Pong-Spiel. Reize werden also nicht einfach weitergegeben und verarbeitet, sondern ständig aufs Neue gesendet. Deshalb spricht man auch von einer Störung der Neurotransmitter - Botenstoffe im Hirn.

ADHS-Medikamente unterbinden quasi diesen schnellen Rücktransport. Dadurch ist die betreffende Person endlich nicht mehr reizüberflutet, sondern kann die Reize selbst selektieren. Dadurch kommt die Person endlich zur Ruhe, kann sich auf eine Sache konzentrieren, ohne ständig abgelenkt zu werden. Sie bestehen in der Regel aus dem Wirkstoff Methylphenidat. Dieser Wirkstoff ist kein Ruhigsteller, sondern ein Aufputschmittel, ein Stimulanz, um eben oben genannte Wirkung zu erzielen.

Oft wird ja von ruhig gestellten Kindern geschrieben, von Kindern, die nur noch ein Schatten ihrer selbst wären. Sofern ein Kind unter der Gabe von Methylphenidat wie ruhig gestellt, apathisch oder gar depressiv wirkt, dann ist entweder die Dosierung viel zu hoch oder es verträgt das Medikament nicht. Eine Wesensveränderung sollte auf jeden Fall nicht stattfinden.

Nicht alle betroffenen Personen müssen medikamentös behandelt werden, nicht jeder Hirnstoffwechsel ist gleich. Aus diesem Grunde gibt es ja auch die unterschiedlichsten Ausprägungen und Schweregrade dieser Krankheit. Weiterhin kann man auch durch gezieltes Training und Therapien der betreffenden Person Hilfestellung geben. Viele sind allerdings erst durch die Medikation therapiefähig.

Natürlich kann sich ein Arzt bei der Diagnose irren - wie bei vielen anderen Diagnosen auch. ADHS ist eine Ausschlussdiagnose, da man ja nicht den Schädel einfach mal öffnen kann, um Proben zu entnehmen. Daher liegt es eindeutig daran, wie intensiv der Ausschluss anderer Faktoren angetrieben wird, ob eine Diagnose nun als sicher oder nicht bezeichnet werden kann.

Bislang habe ich noch keine Familie mit ADHS-Problematik getroffen, die sich die Diagnose schnell eingeholt und auf dieser ausgeruht haben. Ich habe bislang auch nur einen Fall kennen gelernt, wo leichtfertig Medikamente gegeben wurden. Viele haben erst jahrelang alles mögliche Alternative ausprobiert, haben viele Therapien hinter sich gebracht und viele "Spezialisten" aufgesucht.

Aber natürlich gibt es "schwarze Schafe" - unter den Ärzten, Lehrern und Therapeuten genauso wie unter den Eltern. Nicht umsonst liegt die Misshandlungsrate von Kindern durch ihre nächsten Angehörigen bei über 90 %. Diese sind natürlich auch immer wieder gefundene Fressen für die Presse - denn nur solche Schlagzeilen verkaufen sich. Leider prägt dies dann auch das Bild der Gesellschaft zum Thema ADHS.

Aber worum geht es nun? Es geht doch darum, wie ein Kind sich und die Umwelt selbst erlebt. Weißt Du, wie es sich anfühlt, wenn ein Kind im Vorschulalter schon depressiv ist, weil es noch nie ein Spiel bis zum Ende gespielt hat - egal, ob gewonnen oder verloren? etc. Natürlich ist es so, dass die Betroffenen mit Hyperaktivität viel mehr anecken als die Träumer-Variante ADS. Diese werden für viele Außenstehende sogar als recht „angenehm“ empfunden, weil sie ja eben „nicht stören“ (wie vielleicht Deine Nichte?).

Früher gab es diese Erkrankung auch - nur hat es keiner gewusst. Früher haben diese Personen sicherlich viele Schläge und Ausgrenzungen einstecken müssen. Früher wurden diese Personen nicht therapiert, sondern immer wieder bestraft und als schlecht hingestellt. Ich denke, nicht umsonst haben heute nun so viele Erwachsene Depressionen, Borderline oder sonstige psychische Auffälligkeiten.

Man sollte sich auf jeden Fall auf der Diagnose nicht ausruhen. Aber wenn ein Kind tatsächlich davon betroffen ist, sollte man es auch nicht als Erziehungsfehler oder Temperament abtun.

Weiterhin gibt es diese Erkrankung ja nicht nur bei Kindern - immer mehr Erwachsene lassen sich nunmehr auf ADHS testen, um endlich zu verstehen, weshalb sie so viele Probleme im Leben haben. Es ist also keine kinderspezifische Erkrankung, die sich irgendwann "auswächst".

Aber ja, es gibt sie. Es gibt leider auch diese vielen selbst gemachten Problemkinder, die durch zu wenig Bewegung, schlechte Erziehung, wenig Zuwendung und falsche Ernährung den ADHS-Stempel, wie es viele so gerne nennen, aufgesetzt. Und ja. Das ist auch der Grund, weshalb die Diskussion um ADHS jedes Mal so ausartet. Wegen dieser schwarzen Schafe haben es die anderen oftmals noch schwerer im Leben, als ohnehin schon.

Und das ist sicherlich auch der Grund, weshalb viele, die seit Jahren mit dem Thema kämpfen, viele Therapien, Trainings, Studien etc. hinter sich gebracht haben, sehr empfindlich auf das Thema reagieren.

Viele behaupten, dass die Medis - wie sie schon so liebkosend genannt werden - gerne gegeben werden. Aber was soll ich sagen? Nein. Aber wir haben gelernt, unsere Kraft nicht mehr an solchen Anschuldigungen zu vergeuden. Heute erkläre ich es dem einen, morgen kommen aber zehn neue mit der gleichen Anschuldigung. Das macht müde.

Vielleicht können nun einige besser verstehen, um was es geht und warum die Diskussionen oft so aggressiv verlaufen. Vielleicht wird nun auch etwas differenzierter darüber nachgedacht. Ja, es gibt sie, die selbst gemachten Problemkinder und die schwarzen Schafe unter den Eltern und Ärzten.
Aber auch ja, es gibt sie, die wirklich darunter erkrankten Menschen.

 
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