Was soll ich ihm sagen?

hallo sunny,

deine reaktion, dein verhalten die ganze zeit über kann ich nicht so ganz nachvollziehen - wo du doch sonst immer so darauf bedacht bist, "richtig" zu handeln.

ist denn der vater und sein leben - auch wenn kein kontakt besteht - nicht ab und thema zwischen deinem sohn und dir?
bei meiner großen ist es ja so, dass der vater sich gelegentlich mal meldet, aber der kontakt vater - kind ist aufgrund der sprachbarriere ja auch nicht intensiv sondern läuft meist über mich, und die ersten jahre fand ein direkter kontakt zwischen den beiden überhaupt nicht statt. trotzdem tauchten beim kind immer mal wieder fragen auf, die auch wahrheitsgemäß beantwortet wurden, die fragen sind selten, aber auch heute fragt sie noch gelegentlich nach dingen, die ich ihr dann auch nach bestem wissen beantworte.
und die tatsache, dass es eine ältere halbschwester gibt, ist da immer mal wieder eingeflossen.

bei meiner kleinen verhält es sich ja etwas anders, zu dem vater besteht kein kontakt, ich weiss nur anhand von FB, wo er sich in etwa rumtreibt, die informationen sind mehr als spärlich... trotzdem kamen bei ihr auch schon fragen nach ihrem papa, meist kommen solche dinge ja aus heiterem himmel. ihr muss ich dann sagen, dass ich ihr eben leider nicht viel sagen kann... aber wir haben schon am pc fotos von ihm angeschaut, da war sie sehr interessiert - und auch bei ihr mache ich aus dem anderen elternteil kein geheimnis. ob es halbgeschwister gibt kann ich nur vermuten, meine kleine wird von mir also ein ehrliches "ich weiss es nicht" erfahren.

bei mir selbst ist es so, dass ich nicht davon ausgehe, neben meinen (bekannten) brüdern noch unbekannte halbgeschwister zu haben.
aber auch in unserer familie wird viel totgeschwiegen. so wissen z.b. meine brüder und ich nicht wirklich, was genau unser vater beruflich gemacht hat. wir haben eine ungefähre vorstellung davon, aber wenn beispielsweise das gespräch auf sein studium und ein mögliches diplom kam, reagierte er äusserst heikel. vielleicht (und das ist was ich aktuell vermute) hat er die selbstgesteckten ziele nicht erreicht - aber das ist doch kein grund, es seinen kindern zu verschweigen.
ein anderes beispiel ist die homosexualität meines onkels. uns kindern wurde das von meinen eltern immer so verkauft, als würden er und sein partner aus kostengründen ("das leben in der stadt ist ja sooo teuer") zusammenleben. ich hab das auch nie hinterfragt, als kind vertraut man seinen eltern schließlich. aber als auszubildende habe ich ihn dann besucht - unser verhältnis ist immer etwas herzlich-distanziert geblieben - und am nächsten tag auf der arbeit naiv-fröhlich erzählt, dass ich bei meinem onkel und seinem freund war. was meinst du, wie die kollegen sich über meine schilderung beömmelt haben. und in dem moment habe ich die zusammen-wohnen-theorie dann zum ersten mal hinterfragt und mich vor den kollegen ob meiner blauäugigkeit ziemlich geschämt...
oder der halbbruder meiner mutter. der wurde noch unter den tisch gekehrt, da war ich schon erwachsen. meine oma hat irgendwann mit mir darüber geredet, vermutlich, weil sie mich als erwachsene als 'vollwertige' gesprächspartnerin ansah, aber es war ihr im alter wohl auch ein immer größeres bedürfnis, über ihre jugend und erlebte traumata zu reden.
lustigerweise weiss ich über unsere familie am meisten durch sie. nicht durch meine eltern...

du kannst dir sicher vorstellen, dass mein verhältnis zu meinen eltern nicht wirklich vertrauensvoll ist. es ist wesentlich leichter für mich, mit freunden über dinge zu reden, die mich bewegen und beschäftigen, als mit meinen eltern. daher versuche ich, mit meinen kindern ehrlich zu sein. fragen werden ehrlich beantwortet. und es kann auch sein, dass sie eine unwissende, oder verwirrte, traurige, ängstliche mama erleben. aber authentisch. und nicht jemand, der sein eigenes süppchen kocht wie meine eltern, und sich nicht in die karten blicken lässt.

lg, martina.