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Geschrieben von maleja am 16.07.2014, 16:10 Uhr

Warum ich dieser Mannschaft den Titel gönne wie selten zuvor einer Mannschaft

geklaut aus fb, bzw einem Blog. Aber ich fand es so nett und mir aus dem Herzen geschrieben, dass ich es Euch nicht vorenthalten möchte:

Selten habe ich einer Mannschaft so sehr den Weltmeister-Titel gegönnt wie dieser deutschen Nationalelf. Fragt sich nur: Warum eigentlich?

Wenn man ein bisschen aus dem Weltmeisterschafts-Rausch auftaucht (ich gebe zu: ich tue das ungern) und darüber nachdenkt, warum diese Weltmeisterschaft mit dieser deutschen Mannschaft etwas Besonderes war, dann komme zumindest ich zu dem Schluss: Natürlich weil wir (!) Weltmeister geworden sind, natürlich weil wir (zum Teil) schönen und effektiven Fußball gespielt haben; vor allem aber auch: weil diese Mannschaft Haltung gezeigt hat.

Klingt etwas altmodisch, ist es vermutlich auch. Aber tatsächlich glaube ich, dass (neben Technik und Taktik auf dem Platz, neben Sieg und Niederlage und allen Emotionen, die damit verbunden sind und Fußball so schön machen) die Protagonisten vom Trainer bis zum Reservisten deshalb so viele Sympathien gewonnen haben, weil sie für etwas standen und stehen: für eine Mischung aus kompromisslosem Siegeswillen, empathischer Bescheidenheit und humorvoller Gelassenheit.

Diese Fußball-Diven und Multi-Millionäre: bescheiden? Geht’s noch, Christian??

Trost für die Brasilianer

Bescheidenheit heißt, zugunsten anderer auf etwas zu verzichten. Am deutlichsten wurde diese Haltung, als wir im Halbfinale die brasilianischen Hoffnungen pulverisiert haben. Spätestens seit dem 3:0 hielt sich der Jubel bei den deutschen Spielern in Grenzen. Nach dem 5:0 war man sich einig, dass das keine Demütigung und Demontage der brasilianischen Gastgeber werden sollte, weil sie das einfach nicht verdient hatten. (Man hatte nur vergessen, das auch dem Einwechsel-Joker Schürrle mitzuteilen, der das tat, was er als Einwechsel-Joker immer tat: rennen wie ein Verrückter, Tore schießen und sich wie ein Kind darüber freuen.) Und nach dem Abpfiff waren die deutschen Spieler mehr damit beschäftigt, die Brasilianer zu trösten als ihren Sieg zu feiern.

Die Grundlage für solche Empathie und Bescheidenheit (in diesem Fall also: den Verzicht darauf, den Sieg zu vergrößern und bis ins Letzte auszukosten) ist in der Biographie der Spieler zu suchen. Viele von ihnen haben selbst erlebt und erlitten, wie es ist, bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land vorzeitig auszuscheiden. Und manche von ihnen haben darüber hinaus erlebt und erlitten, wie es ist, das Champions League-Finale in der eigenen Stadt und im eigenen Stadion zu verlieren. Diese Erlebnisse haben nicht den Siegeswillen gedämpft, im Gegenteil: Die Projekte Champions League und Weltmeisterschaft wurden danach noch zielstrebiger angegangen als zuvor. Aber ohne Arroganz, Weltherrschaftsdrang oder die Illusion, “auf Jahre hinaus unbesiegbar” zu sein.

Jogis Understatement

Der perfekte Trainer für Spieler mit einer solchen Haltung ist übrigens Jogi Löw, der Meister des Understatements, der nach dem Brasilien-Spiel zu Protokoll gab, dass sich die Spieler “jetzt natürlich schon auch ein bisschen freuen” und dessen högschder emotionaler Ausbruch nach dem gewonnenen Titel vor allem in einem verschmitzten Lächeln bestand.

Das alles wirkte natürlich und nicht einstudiert und damit glaubwürdig und authentisch. Das passte zu anderen Bildern, etwa von Jogi Löw, der am Strand mit brasilianischen Jungs kickt, oder von Lukas Podolski, der nach dem Finale, als im Stadion schon wieder Ruhe eingekehrt ist, mit seinen Kindern seinem Kind ein paar Elfmeter schießt. Das passt sogar zu den vielen Fußballer-Selfies (ein neues Phänomen in der WM-Historie), mit und ohne Bundeskanzlerin, die ich mehr als Schnappschüsse denn als Selbstinszenierung wahrgenommen habe. Nicht auszuschließen, dass hinter solchen Bildern auch eine clevere Marketing-Strategie steckt. Aber cleveres Marketing heißt eben auch, die vorhandenen Markenwerte positiv zu verstärken.

Großes Pathos, schlechte Tricks

Dass es auch ein paar andere, für meinen Geschmack Identifikation eher erschwerende Haltungen gab, haben zum Beispiel Brasilien und Holland gezeigt. Brasilien mit diesem überzogenen Pathos, dieser anfangs kuriosen, dann schon bald nervtötenden Alles-oder-Nichts-Einstellung, für 200 Millionen Brasilianer, für Neymar, für den lieben Gott (was aber ungefähr dasselbe ist) … Die Hymne brüllen als ginge es um Leben und Tod, jedes Tor tränenreich zum Schicksalsmoment verklären – das wird spätestens dann zur Karikatur, wenn die gezeigte Leistung so gar nicht mit dem vorgetragenen Pathos mithalten kann.

Und Holland: Louis van Gaal, der alte Haudegen, Besserwisser und Griesgram, macht es einem nicht gerade leicht, zum Holland-Fan zu werden. Taschenspieler-Tricks wie ein Torwart-Wechsel vor dem Elfmeterschießen nötigen mir auch keinen Respekt ab, schon gar nicht wenn der eingewechselte Torwart die tapferen Schützen aus Costa Rica in überflüssige Dialoge zu verwickeln sucht. Da passt dann auch ein Arjen Robben ins Bild, den ich sehr schätze, der aber gelegentlich doch zu leicht abhebt und zu theatralisch landet und damit den Verdacht erhärtet, hier wolle ein Team unbedingt Weltmeister werden – zum Teil mit gutem Spiel, zum Teil mit schlechten Tricks.

Fußball-Pessimisten

Und so sprach sehr viel dafür, diese deutsche Mannschaft und ihren Trainer zu mögen und ihnen größtmöglichen Erfolg zu wünschen, auch wenn ihr Spiel nicht ganz so leichtfüßig und zauberhaft war wie in den Turnieren davor. Dass es natürlich in Deutschland immer Menschen geben wird, die grundsätzlich alles schwarz sehen, damit müssen wir halt leben. Ein solcher saß jüngst beim Spiel Deutschland vs. Ghana beim Public Viewing neben mir: Er fand im Prinzip jede Aktion der deutschen Mannschaft schlecht und wusste natürlich alles besser. Die Geräusche, die er von sich gab, waren vor allem entrüstetes Schnauben, unterbrochen von ebenso prägnanten wie fachmännischen Kommentaren (“So wird das nix.” – “Der kann nix.” - …). Jeder Satz wie in Stein gemeißelt. Am Ende war er, glaube ich, ein bisschen beleidigt, dass die Deutschen nicht so hoch verloren haben wie er das erwartet hat.

Adressat seiner Fußballmeinung war übrigens seine Frau, die während des gesamten Spiels kein Wort sagte und keine Miene verzog. Wahrscheinlich nach 27 Jahren Ehe in vollständiger innerer Emigration (oder vollständig lobotomisiert). Ich überlegte mir am Schluss, ob ich ihm kurz kumpelhaft auf die Schulter klopfen und sagen soll: “Na, das war ein Spiel, was? Klasse! Tempo, Chancen ohne Ende, starke zweite Halbzeit. Klose! Schweini! Donnerwetter! Klar, wir müssen noch besser werden, aber Hauptsache, wir hatten Spaß beim Zuschauen, stimmt’s?” Aber bevor ich das in die Tat umsetzen konnte, war er schon weg.

Elitäre Gesinnungs-Euphoriker

Noch schlimmer als der Fußball-Pessimist ist übrigens der Gesinnungs-Euphoriker, wie Gregor Keuschnig diejenigen Herrschaften nennt, die nicht nur schwarz sehen, sondern gegen alles sind, insbesondere gegen deutsche Erfolge:

Gesinnungs-Euphoriker gestatten allen anderen das, was sie bei Deutschen missbilligen. Sie finden es gut, wenn Franzosen oder Brasilianer die Hymne mitsingen und verab­scheuen es, wenn dies die Deutschen tun. Sie sehen über Gesichtsbemalungen bei Argentiniern hinweg, finden sie aber bei Deutschen gräßlich. Sie schämen sich für die biersaufenden und grölenden deutschen Fans, goutieren dies aber anderswo als lustig und originell. Gesinnungs-Euphoriker finden österreichische und englische Boulevard-Zeitungen gut, die das deutsche Fußballspiel im Weltkriegs- oder Nazi-Duktus aufbereiten. Zuhause schreiben sie Briefe, dass ihnen die “Bild” nicht in den Briefkasten gesteckt wird. Gesinnungs-Euphoriker fühlen sich besser, weil sie auf andere herabschauen. Sie sind elitär bis in die Knochen. Es gibt sie aber glücklicherweise fast nur in Deutschland. In anderen Ländern würden sie ausgelacht.

Ein Sommermärchen

Wie dem auch sei. Vergessen wir diese anstrengenden Zeitgenossen. Mich hat diese Haltung beeindruckt: Höchste Ziele stecken und erreichen, dabei aber weder tricksen noch über Leichen gehen, sondern freundlich bleiben. Klingt wie ein Märchen. Ist es auch: ein Sommermärchen 2014 …

 
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