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Geschrieben von +emfut+ am 17.07.2008, 12:49 Uhr

Nein, Deine Prämissen sind falsch

Das eine wiederspricht dem anderen nicht, im Gegenteil.

Die Probleme zu einem Menschen zu packen heißt keineswegs, diesen Menschen dann mit den Problemen zu "entsorgen". Im Gegenteil: Damit ich mit meiner Mutter einen halbwegs normalen und meistens sogar liebevollen Umgang pflegen kann, muß ich sie differenziert sehen und die Dinge, die ich auf mich genommen habe, obwohl sie zu ihr gehören, zu ihr zurückgeben.

Es geht nicht um Sündenbock-Geschichten. Das verstehst Du völlig falsch. Das Prinzip: "Wir packen die Schuld zu xxx und dann können wir die Schuld loswerden, indem wir diesen Menschen loswerden" ist absolut nicht der Hintergrund dazu. Im Gegenteil.

Es geht um eine Sortierung und korrekte Einordnung.

Jetzt wird es sehr persönlich, aber es ist mir wichtig, an der Stelle nicht fehlinterpretiert zu werden:

Ich bin als junges Mädchen mißbraucht worden und habe es meiner Mutter angedeutet. Sie hat die Andeutungen nicht verstanden, oder nicht verstehen wollen.
An dem Mißbrauch ist meine Mutter nicht "schuld".
Aber sie trägt eine Mit-Verantwortung dafür, daß es weitergehen konnte und bis heute nicht "gesühnt" wurde.
Diesen Anteil habe ich aber immer zu mir gepackt ("Ich hätte mich klarer ausdrücken müssen, ich war nicht ausdrücklich genug, vielleicht hätte ich sie gar nicht damit belasten dürfen..."), weil ich meine geliebte (ja, das ist sie!!!!) Mutter mit diesem Anteil nicht belasten wollte.
Aber natürlich klappt das so nicht. Dieses "Schuld-Paket", das ich für sie trug, stand immer zwischen uns.

In der Therapie habe ich gelernt, dieses Paket wieder an sie zurückzugeben. Sie konnte es nicht annehmen, aber das war und ist auch nicht wichtig. Es wäre schön gewesen, wenn sie es hätte nehmen können, aber es ist kein Drama, daß sie das nicht kann. Ich verstehe das, denn es ist ein schweres und sperriges Paket, und wenn sie es annehmen würde, müßte sie vieles in ihrem Leben und in ihren Ansichten in Frage stellen. Die Kraft hat sie nicht.
Aber das Paket steht nicht mehr zwischen uns. Es versperrt mir nicht mehr den Blick auf die Frau, die meine Mutter ist und die sehr viel für mich getan hat und immer noch tut. Der versteckte und unbewußte Vorwurf: "Ich trage ein schweres Paket, das eigentlich Dir gehört!", der auf der Leitung zwischen uns stand, ist nicht mehr da.
Solange ich das Paket aber trug, konnte ich es auch nicht weglegen oder wegwerfen, des es war ja nicht meines. Wenn ich mir bewußt mache, daß es nicht meines ist, dann kann ich trauern darüber, daß meine Mutter es nicht nehmen will oder kann - und dann ist es gut. Ich muß nicht mehr mit dem Paket fertig werden, sondern nur noch mit meiner Trauer über die Tatsache, daß meine Mutter zu schwach ist, ihr eigenes Paket zu tragen. Aber das ist doch viel leichter, u.a. weil ich nicht mehr das Paket auspacken und mit den häßlichen Dingen, die da drin liegen, einzeln fertig werden muß. Ich kann das Paket auch gar nicht wirklich aufmachen und die einzelnen Inhalte verarbeiten. Aber dieses Unvermögen - ich habe da ein Paket, das zu schwer für mich ist, das ich aber nicht loswerde - stand eben zwischen uns - als unausgesprochener Vorwurf darüber, daß meine Mutter mir dieses Paket "aufgehalst" hat.

Es hat unsere Beziehung nicht zerstört, daß ich das Paket dahin gepackt habe, wo es hingehört. Im Gegenteil: Wenn ich es NICHT dahin gepackt hätte, wäre unsere Beziehung auf Dauer wirklich kaputt gegangen.

Grundlage der Theorie ist folgendes: Um ein psychologisches (oder irgendein) Problem zu bearbeiten, muß ich wissen, wo es liegt.

Ich bin IT-Fachfrau. Wenn ich einen Bug in einem Computerprogramm beheben will, muß ich wissen, wo er ist. Es ist nutzlos, wenn ich stundenlang an Unterprogramm A herumdoktore, wenn der Bug eigentlich in Unterprogramm B zu finden ist. Nur: Wenn ich mich an Unterprogramm B nicht herantraue, weil das ein "Respektprogramm" ist, weil es mir zu kompliziert und tabuisiert und überhaupt ehrfuhrchterregend vorkommt, dann baue ich tausend Unterroutinen in Unterprogramm A ein, um die fehlerhaften Daten aus dem Unterprogramm B wieder "geradezubiegen". Das funktioniert aber nicht auf Dauer.

Und deswegen sind wir gar nicht so weit auseinander. Wenn Du Ghandi zitierst: Im Grunde tu ich doch nichts anderes. Wie oben gesagt: Es ist egal, ob der Mensch, zu dem ich etwas packen will, das annimmt oder nicht. ICH verändere mich UND meine Umwelt, indem ICH die Pakete für MICH richtig verteile. Etwas was ICH ALLEINE tue - die Auseinandersetzung mit diesem Schuldpaket und die damit verbundene richtige Zuordnung - verändert zunächst mal MICH, aber weil ich in Kommunikation mit meiner Umwelt stehe, werändert es auch meine Umwelt. Denn: Wenn ich mit meiner Mutter anders umgehe, weil das "Schuld-Paket" nicht mehr zwischen uns steht, dann geht sie auch anders mit mir um. Sie spürt meine neue Offenheit, mein neues Vertrauen - und reagiert darauf.

Das TUN findet alleine in MIR statt - und es verändert meine Umwelt.

Und dann noch zur Allgemeingültigkeit:
Den Anspruch habe ich nie erhoben. Das ist Deine Interpretation.
Meine Eltern führen seit inzwischen fast 55 Jahren eine Ehe, in der beide Partner sehr glücklich und zufrieden sind - mit einer Kommunikation, die ich für absolut verquer halte. Das ist kein Problem es paßt ja für beide.
Aber wenn jemand hier postet, dann paßt es eben nicht mehr. Gemeinhin werden hier ja nicht die "alle sind glücklich, alles läuft gut"-Dinge gepostet, sondern die Punkte, an denen es hakt. Und dann hilft es einfach, die "Haken" näher anzuschauen und sie - um sie zu lösen, nicht um sie einem Sündenbock aufzuhalsen und diesen dann wegzujagen - dahinzusortieren, wo sie hingehören. Sozusagen eine Bestandsausnahme der Probleme.

So wie man ein Zimmer nicht wirklich ordentlich bekommt, wenn man den Saustall in Schubladen und Schränke wirft. Eine wirklich Ordnung stellt man doch viel besser her, wenn man die Gläser un den Gläserschrank und das Besteck in die Besteckschublade räumt.

Wenn man glücklich und zufrieden mit dem Besteck im Gläserschrank ist, wenn der Gläserschrank eine geschlossene Tür hat, so daß man die Unordnung nicht sieht, oder wenn es einen nicht stört, daß man es sieht - dann postet man hier nicht.

Aber wenn man hier postet, dann wäre ein "hänge ein hübsches Tuch vor den Gläserschrank und ignoriere die Tatsache, daß da lauter Zeug drinliegt, das da nicht reingehört" doch der falsche Rat.

Gruß,
Elisabeth.

 
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