Chronisch kranke und behinderte Kinder

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Geschrieben von Holzkohle am 06.04.2016, 13:41 Uhr

Erfahrungen mit ADHS im Kindergartenalter ? (lang! - also ähm SEHR)

Hi, unsere Geschichte habe ich schon mehrfach geschrieben, aber Du hast Dir auch so viel Zeit genommen und so detailiert geschrieben und man kann richtig nachempfinden, wie es Dir und Euch geht, von daher hole ich auch ein wenig aus.

Auch bei meinem Sohn wurde damals noch in der KiGa-Zeit die Diagnose ADHS gestellt. Ich sag es immer wieder, schon im ersten Lebensjahr hatte ich das Gefühl, mein Sohn ist irgendwie anders... also als die anderen Kinder. Er war schon immer sehr aktiv, hat kaum geschlafen, viel gebrüllt. Ich (damals wie heute alleinerziehend, KV hat sich nicht gekümmert, inzwischen gestorben - KV hatte übrigens als Kind ebenfalls ADHS mit epileptischen Anfällen) war relativ schnell damit überfordert. Das gebe ich auch offen zu. Das Gefühl, irgendwie dem Kind nicht gerecht zu werden oder nicht mehr Herr der Lage zu sein (liegt es an mir? andere können das doch auch???) und werden raubte mir den letzten Nerv.

Als mein Sohn ein Jahr alt war, kam er zu einer sehr liebevollen Tagesmutter. die kam auch super mit ihm klar, er war da gern. Ich musste - leider - wieder arbeiten gehen, denn das Leben als AE alleine, zum Teil ohne Unterhalt, war jetzt nicht gerade einfach.

Das Verhalten meines Sohnes wurde von Jahr zu Jahr schlimmer. Im Kleinkindalter, also ich rede jetzt von der Zeit bevor er drei wurde, wo sich so langsam das "Wesen" entwickelte, wurde mein Sohn echt zum Tyrannen. Es verging kein Tag ohne Eskapaden. Besuch des Spielplatzes war immer mit anderen heulenden Kindern verbunden. Zack, Schippe auf den Kopf. Mit Absicht durch gebaute Sandburgen getrampelt. Kinder von der Rutsche geschubst, von der Schaukel. Sozialverhalten null. Einkaufen Stress hoch 100. MIt ausgebreiteten Armen durch die Regale (GsD hatten wir damals einen sehr kleinen und sehr lieben Supermarkt!) Busfahren, Zugfahren... Sitzen im Kinderwagen. Überhaupt Kinderwagen! Mein Sohn hat den Kinderwagen regelrecht verweigert, also habe ich mir einen Tragesack gekauft. da konnte er gucken, klebte an mir und alles war gut. Dazu muss ich sagen: Körperkontakt so Kuscheln oder Umarmen - Fehlanzeige. Wollte er nie.
Und dann die Blicke, die Kommentare. Dann die guten Ratschläge und Prophezeiungen: na nun warte mal ab, das ist halt ein Junge, Jungs sind so, lass den erstmal in den Kindergarten kommen...

Und er kam in den Kindergarten mit 3 - und es wurde zum täglichen Horror. Recht schnell machte man mir klar, dass das so nicht geht. Das Kind würde sich nicht in die Gruppe integrieren, den Stuhlkreis verweigern, den Mittagssschlaf nicht mitmachen (er hat schon mit 2 keinen mehr gemacht oder machen wollen) Ich solle doch weniger arbeiten. Das Kind aus der Gruppe nehmen. Jeden Tag erwartete mich eine Predigt der Erzieherin. Heute ist wieder was kaputt gegangen, der S. wars. Das und das war auch der S. (auch an Tagen, wo er gar nicht da war)
Ebenso lobte man aber seine Kreativität. Und dass er ja irgendwie doch n helles Kerlchen sei. Er legte mit 3 Jahren 250 Teile-Puzzle ohne Vorlage in 10 min. zusammen. Er löste die Vorschulaufgaben der zwei Jahre älteren Kinder. DAs nur als kleines Beispiel.
Das vielleicht zu nutzen kam niemandem in den Sinn.

Am Ende gipfelte es darin, dass man ihn (nachweislich) nachteilig behandelte. Bei den Kindern war mein Sohn verhasst, weil er immer laut war und immer auf Zoff aus und seinen Willen oft auch mal mit nem Hieb durchsetzte.

Mit 3 Jahren bekam mein Sohn auf Anraten der Kinderärztin Ergotherapie einmal die Woche für ein Jahr. Rückblickend förderte die Ergo seine Motorik und auch seine.. naja ich sage mal Spezialgebiete, auf denen mein Sohn eh schon gut war.
Ich kann aber nicht sagen, dass es zu einer Verbesserung der Symptomatik geführt hat. HEUTE mit Abstand habe ich sogar das Gefühl, dass mit der positiven Ausprägung der Motorik und der "guten" Seiten meines Sohnes ist es im Verhalten dann erst recht schlimmer geworden.

Mit fünf Vorstellung in einer Spezialklinik. Dazwischen Mutter-Kind-Kur.
In der Klinik kam dann nach zwei Testtagen das Ergebnis ADHS. Man betonte aber, dass man bei den Werten (gerade, was den IQ anging, der damals schon etwas über Durchschnitt lag) nicht von der Realität ausgehen dürfe, da mein Sohn sich verweigerte in den Tests. Dass das Ergebnis wahrscheinlich ganz woanders gelagert wäre...

Dann kam die bevorstehende Einschulung. Schulamt dagegen, Schulpsychologe dagegen, ich dagegen - Kindergarten dafür mit dem Zusatz "Dieses Kind behalten wir kein Jahr länger!"

Und so kam mein Sohn mit 6 in einen heilpädagogischen Kindergarten (das nochmal ein wenig was anderes als ein Integrativkindergarten) und ich kann Dir nur raten: SUCHE danach und schicke Dein Kind dorthin. Den § für die Förderung hast Du durch das SPZ mit Sicherheit, also auch ein Anrecht drauf. Das war ein SEGEN und das beste Jahr überhaupt... Bis wir dort ankamen hatte ich aber neben dem Job rrrrrichtig Rennereien!

Dann Einschulung - mein Sohn lief als I-Kind.
Der erste Anruf von der Klassenlehrerin kam in der ersten Schulwoche.
Leistungstechnisch wäre er Spitze, besser als die Anderen - aber das Sozialverhalten ginge GAR NICHT.

Aus persönlichen Grunden sind wir dann zum 2. Halbjahr im ersten Schuljahr von München nach Berlin gezogen. Und hier kam er dann auf eine Grundschule. Erstmal ohne I-Status, da wir hier in Berlin ERNEUT ein Gutachten erstellen lassen mussten.

Also ging alles hier noch mal von vorne los. Therapie, Psychologe, Tests. Testergebnis das Gleiche. IQ weit über dem Durchschnitt.
In der Schule in Klasse 1 und 2 recht unauffällig. Hier gab es aber noch diese Mischklassen, also Klasse 1 u 2 wurden gemeinsam unterrichtet.

Und dann kam die 3. KLasse. Und ein Klassenlehrer. Und ich dachte mir so oooach ja, n Mann. Endlich mal einer der durchgreift.
Das tat er auch. Das dritte Schuljahr lief exakt drei Monate, da hatte ich meine erste Schulhilfskonferenz mit dem Direktor, dem Jugendamt, den Hauptlehrern... besagter Klassenlehrer war nicht dabei. Schulrauswurf stand auf dem Radar. Es ginge so nicht mehr. Leistungen Bombe, Klassenbester - Sozialkompetenzen und an REgeln halten: keinerlei. Es gäbe nur Stress, nur Streit, Kind liegt unterm Tisch, sitzt im Flur, macht was es will.
Nimmt "es" denn schon Medikamente? Nein? Gut, dann fangen wir jetzt damit an.

Seitdem nimmt mein Sohn Medis. Ein Retard immer morgens. Wir mussten zwischendurch wechseln, weil das erste zu schnell ausschlich. So doof das klingt, man muss sich da tatsächlich probieren. Nebenwirkungen hatten wir, bis auf Appetitverlust, keine.

In der vierten Klasse bekam er wieder eine neue Klassenlehrerin. Ich nenne sie mal "Superwoman"
In diesem Schuljahr wurde mein Sohn Klassensprecher.
In diesem Schuljahr wurde mein Sohn Schulsprecher und war, seit Bestehen der Schule, der jüngste Schulsprecher überhaupt!
Er wurde mit Stimmenmehrheit gewählt.

Superwoman hat selbst ein ADHS-Kind und konnte sich sofort in die Lage meines Sohnes, aber auch in meine, reinfinden. Sie drehte ihren eigenen Film. Hielt nicht störrisch an Mustern und Rahmen fest. Wo andere Lehrer meinen Sohn auf den Flur stellten, weil er störte, suchte Superwoman ihm Sonderaufgaben (das konnten Schulaufgaben sein oder aber auch die Reparatur eines kaputten Buches, das Einordnen von Arbeitsblättern, wenn er wollte konnte er malen usw.)
Wir hatten sofort einen Draht zueinander.

Heute ist mein Sohn 12.
Er hat für das nächste, siebte, Schuljahr eine von allen Fachlehrerin einstimmig ausgesprochene Gymnasialempfehlung bekommen.
Ich habe ihn an einem musisch-künstlerischen Gymnasium angemeldet, da (neben Mathe und Deutsch) die Stärken von S definitiv in diesem Bereich liegen. Wir werden sehen was passiert.

So doof das klingt (ich sollte langsam mal zum Ende kommen.. ) ich sehe meinen Sohn nicht oder nicht mehr als typischen ADHSler. Dazu ist er zu ... ruhig. Vielleicht hat sich das über die Jahre auch verwachsen?! Vielleicht hat sich meine Einstellung verändert? Liegt es daran, dass das Kind (und ich auch) nicht mehr nur Kritik empfängt sondern auch viel Lob, viel Anerkennung? Weil er mit den "richtigen" Leuten zusammen ist?

Inzwischen, und das war vor zwei Jahren noch undenkbar, läuft mein Sohn am WE und auch in den Ferien KOMPLETT ohne Medis. In der Schule gehts leider nicht anders. Das wird sicher dann auch auf dem Gymi sehr interessant und noch mal schwer - die Medikamente schleichen nämlich mittags aus. Die Lehrer erzählen mir auch heute, dass gerade in den letzten Unterrichtsstunden (je nach Fach) die Konzentration von S rapide nachlässt.

Was Medis mit vier angeht. Da wird ja eigentlich von abgeraten. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich in dem Alter schon Medikamente geben würde. Das ist keine leichte Entscheidung, denn wir reden ja hier wirklich nicht nur von einer Multivitamintablette. Die Medis wirken sich ja auf Entwicklung, Wachstum und zum Teil ja leider auch auf die Seele des Kindes aus. Wie gesagt, wir hatten GsD keinerlei Nebenwirkungen, wie ich es von anderen Kids kannte.
Ich würde mir mehrere Meinungen einholen, mit anderen Betroffenen reden, ein wenig im Internet lesen. Letztendlich bleibt es ja Deine persönliche Entscheidung und die fällst Du ja dann zum Wohle des Kindes!
Lass Dich auch nicht verunsichern. Und im Übrigen habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht, die Leute gar nicht darauf hinzweisen, dass das Kind ADHS hat ;) Das habe ich aber auch erst "gelernt" nach dem Umzug, nachdem ich hier Kinder erlebt habe, die definitiv aus dem Rahmen fielen aber nicht diagnostiziert waren... Klingt jetzt bislein komisch, aber ich weiß nicht, wie ich das anders beschreiben soll.

Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du für Euch einen Weg findest. Alles Gute!
Sue

 
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