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Geschrieben von Ralph am 03.09.2014, 9:42 Uhr

@hase67

Hallo Nicole,

ich habe konkret auch keine Idee, was zu tun ist. Angesichts der Erfahrungen aus der tragisch gescheiterten Appeasementpolitik Neville Chamberlains Ende der 30er Jahre kann sich Europa einen solchen Fehler aber nicht noch einmal erlauben.

Ich kann diese Heulerei "... aber die Nato hat sich vertragswidrig erweitert..." und allem, was damit zusammen hängt wie im Beitrag von Petra28 "... Russland hatte doch überhaupt keine Chance, sich als zuverlässiger Partner von Deutschland/der EU zu etablieren...." nicht mehr hören.
@petra28: Lt. Wikipedia hatte die Bundeswehr 1973 eine Truppenstärke von 486.000 Mann, 1985 waren es 495.000 und heute Stand August 2014 182.704. Das ist eine Verringerung um fast 65%. Der Westen hat nachweislich ganze Truppenstrukturen abgebaut. Mein Sanitätsausbildungsbataillon ist seit Jahrzehnten aufgelöst, meine spätere Truppeneinheit ebenfalls, samt Kasernen übrigens, dort stehen heute Wohnungen. Allein in Hamburg kenne ich diverse weitere Standorte/Kasernen, die aufgelöst und zum größten Teil eingestampft worden sind, wenn nicht, dann wurden die Gebäude in Wohnungen umgewandelt.
Nein, diese Nachsicht gegenüber Putin und seinen Standpunkten ist völlig unangebracht.

1. Es war von vornherein m.E. ohnehin zweifelhaft, inwiefern Rußland, die USA und Europa berechtigt waren, die künftigen sicherheitspolitischen Entscheidungen ehemaliger Vasallenstatten der Sowjetunion im Vorwege zu bestimmen. Immerhin sollte es sich künftig um souveräne Staaten handeln.

2. Soweit mir bekannt ist, wurde keines der fraglichen Länder, die jetzt als NATO-Mitglied z.T. sogar gemeinsame Grenzen mit Rußland haben, in die NATO gezwungen. Es waren unisono Entscheidungen demokratisch gewählter Regierungen, und zwar nach Wahlen, die westlichen Standards weitgehend entsprachen. Rußland mag seinen Machtverlust als Sowjet-Union beklagen, aber es hat(te) kein Recht, die Politik dieser Staaten rigoros zu bestimmen.

3. In meinem ersten Beitrag habe ich auf die vielseitige Einbindung Rußlands in diverse westliche Abläufe hingewiesen. G8, G20, NATO, EU, OSZE... überall saßen die Russen oftmals mit am Tisch - selbstredend nicht in Sicherheitssitzungen der NATO. Noch vor ganz kurzer Zeit durfte der Westen auf die Verläßlichkeit und Ausbaufähigkeit dieser Einbindungen hoffen. Diese Ebene hat Rußland nachhaltig, einseitig, vor allem aber selbstgewählt (!!!) zerstört.

4. Die Ukraine gab ihr komplettes Kernwaffenpotential ab für die Zusage, daß ihre territoriale Integrität respektiert wird. Das hat Putin verletzt, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Prinzipiell verstehe ich jeden, der gegen Waffenlieferungen und ein militärisches Eingreifen ist und/oder ein ungutes Gefühl dabei hat. Der Pazifismus an sich ist keine verkehrte Lebenseinstellung, aber ein Pazifist muß akzeptieren, daß diese Philosophie in manchen Fällen schlichtweg an ihre Grenzen stößt und nicht zum Erfolg führt.
Mein seit Jahrzehnten allerbester Freund ist Pazifist, ich war bei der Bundeswehr, er hat Ende der 70er Jahre den Zivildienst verweigert, und ich habe ihm dabei mit einer Zeugenaussage maßgeblich geholfen. Wir hatten und haben auch immer wieder Diskussionen über Sinn und Unsinn von Waffen, Kriegen, Notwehr usw., das ganze Programm. In vielen Dingen einer Meinung bildeten sich dann in den Einzelheiten aber doch immer wieder die Unterschiede heraus, die zu unseren unterschiedlichen Entscheidungen (Bw und Zivildienst) geführt hatten.
Aber, auch er mußte einräumen, daß er 1990 nach der Annektion Kuweits durch den Irak mit seinem Latein bzw. seinem Konzept am Ende war. Das war kein Triumph für mich, dennoch bin ich sicher, daß ohne das militärische Eingreifen der damaligen Allianz Kuweit heute ein Teil des Iraks und damit eine Annektion durch schlichte Faktenschaffung in der heutigen Zeit möglich wäre.

Der russische Raub der Krim ist letztlich nichts anderes, nur perfider und verlogener, weil mittels Entsendung von Kampftruppen ohne Kennung, und Putin greift eindeutig mindestens nach dem Donezbecken (Donbas). Kürzlich kam die Meldung, daß Rußland Schwierigkeiten hinsichtlich der Versorgung der Krimbevölkerung hat. Inweiweit das zutreffend ist, kann ich nicht beurteilen, wundern würde mich das allerdings nicht, denn ein Blick auf die Landkarte genügt. Eine Luftbrücke, wie sie die westaliierten Kräfte 1948 zu Berlin aufgezogen haben, traue ich Rußland weder logistisch noch technisch zu. Jetzt heißt es, daß es an der ukrainischen Küste zum Asowschen Meer zu Kämpfen gekommen ist und Putin einen Korridor zur Krim freikämpfen lassen will. Auch das natürlich letztendlich unüberprüfbare Meldungen, sie passen aber bei objektiver Betrachtung ziemlich gut ins Bild und machen aus Putins Sicht absolut Sinn, solange die Brücke von Rußland zur annektierten Krim nicht gebaut ist.

Zum Schluß noch ein Wort zum Antiamerikanismuß. M.E. muß man trennen zwischen der sehr berechtigten Verbitterung, was das Verhältnis zu den USA (Alleingänge des G.W.Bush, NSA-Affaire, törichte politische Entscheidungen auch von Obama) und den europäischen Sicherheitsinteressen angeht. Es hilft nichts, wir müssen realisieren, daß wir es seit der zweiten Präsidentenn-Ära Putins mit einem dramatisch veränderten Rußland zu tun haben. Und darauf muß schnellstens reagiert werden, notwendigerweise auch und gerade militärisch. Das widerrum funktioniert nur zusammen mit den USA.
Das bedeutet nicht, daß die diplomatischen Bemühungen eingestellt werden müssen. Ich bin kein Fan von Angela Merkel, aber dennoch im letzten dreiviertel Jahr froh über ihre zurückhaltende Art und auch über Steinmeier, mit dem wir einen erfahrenen und auch sich der Diplomatie verpflichtet fühlenden Außenminister haben.

Auch wenn es schmerzt und wir aus dem Opasesselschlaf in Europa aufgeschreckt werden, das Verhältnis zu Rußland muß auf bedauerlicherweise schlechtere Grundlagen gestellt werden. Das umfaßt m.E. auch eine erneute, massive Aufrüstung des Westens.

Putin will es so. Und leider wird die Zeche langfristig vor allem die russische Bevölkerung zahlen, unter der eine weitere Generation um ihr Glück betrogen wird.

Ralph

 
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