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Geschrieben von Zweizahn am 21.08.2008, 21:16 Uhr

An alle Lehrerinnen / Dozentinnen, die freiberuflich arbeiten

Hallo,

gibt es unter Euch jemanden, die freiberuflich als Dozentin (Fremdsprachen) arbeitet? Wie funktioniert das bei Euch? Kann man davon leben?

Ich bin in Festanstellung und habe einen kleinen Sohn. Es fallen aber so viele Extra-Aufgaben in der Schule an, dass der Unterricht fast zur Nebensache wird. Und es ist keine wirkliche Teilzeitstelle mehr (hab ja schon weiter unten meinen Senf dazugegeben). Das macht so keinen Spass.

Ich würde mich sehr über Eure Antworten freuen.

Viele Grüße
M.

 
2 Antworten:

Re: An alle Lehrerinnen / Dozentinnen, die freiberuflich arbeiten

Antwort von Alema am 22.08.2008, 13:36 Uhr

Hallo,
bin zwar keine freiberufliche Dozentin, wollte aber nur mitteilen, dass ich deine Situation absolut nachempfinden kann. Hilft dir zwar nicht weiter, aber geteiltes Leid = halbes Leid, oder nicht?
LG Alema

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Re: An alle Lehrerinnen / Dozentinnen, die freiberuflich arbeiten

Antwort von fiammetta am 22.08.2008, 14:26 Uhr

Hi,

Extra-Aufgaben fallen bei Freiberuflern auch mehr als genug an - nur werden diese dann überhaupt nicht bezahlt. Beispiel: Programmplanungen, Angebote erstellen, Rechnungen schreiben, geeignete Lehrmittel auftreiben, Unterrichtsvorbereitung, usw.

Ob man davon leben kann hängt zum einen vom Umfeld ab (Land / Großstadt = unterschiedliches Durchschnittsbildungsniveau, unterschiedliche Bildungsbedürfnisse) ab, wobei die Chancen in der Stadt wesentlich höher sind. Auf dem Land herrscht immer noch die Einstellung "des hob i nu nia ned g`braucht, i kimm mit Händ und Füß a durch" vor. Hier Überzeugungsarbeit zu leisten ist mühselig.

Du wirst Dir einen Kundenstamm aufbauen müssen, d.h. Du kannst Deine Dienstleistung publik machen, das heißt aber noch nicht, dass Du dann auch gleich Interessenten hast. Du mußt also mindestens zwei Jahre Vorlaufzeit kalkulieren, weil die Erwachsenenbildung nach Semestern funktioniert. Mehrere Standbeine oder ein gut situierter Gatte (kleiner Scherz) sind also sinnvoller.

Du solltest auch herausbekommen, welche Honorare gezahlt werden, denn auch hier gibt es große Unterschiede. Beispiel: VHS zahlen mitunter miserabel, andere abhängig vom Ausbildungsniveau der Dozenten, d.h. ein Uni-Absolvent mit Unterrichtserfahrung verdient dort mehr als die Gattin des Pizzabäckers, die auch `mal einen Kurs geben möchte. Gottlob wird letztere Gruppe immer weniger, weil die Profis in der Erwachsenenbildung mehr werden. Konzerne zahlen erfahrungsgemäß relativ gut, man muss aber `rein kommen und das ist nicht immer leicht. Es gibt Eltern, die für die Nachhilfe ihrer Sprößlinge tüchtig blechen und andere wollen nur 5.- Euro / 60 Minuten zahlen. Du wirst Dich also auch mit einer Menge Leute gewaltig herumärgern.

Mundpropaganda hilft Dir beim Aufbau eines Kundenstamms. In Großstädten inserieren manche Anbieter in den Tageszeitungen. Eine Kumpeline von mir gab Kurse über Schulen wie Inlingua etc.

Du mußt kalkulieren, dass die Mäuse nicht nur für Deine üblichen Lebensausgaben reichen müssen, sondern auch für Unterrichtsmaterial, das Du zusätzlich benötigen wirst. Außerdem darfst Du dann Deine KK selbst zahlen (und die langt zu ...), Altersvorsorge und Notgroschen aufbauen. Bei Krankheit trägst Du das Risiko. Ich kannte zwei Dozentinnen, die bis in die Woche, in der sie an Krebs starben, ihre Kurse hielten, weil sie das Geld brauchten. Weitere Beispiele gibt es wie Sand am Meer.

Es gibt immer wieder Saure-Gurken-Zeiten wie z.B. in den Sommerferien. Du trägst auch alleine das Risiko, wenn Kurse nicht zustande kommen, d.h. Du hast dann auch kein Einkommen und zwar für diese Uhrzeit für die Dauer eines Semesters. Du wirst Dich daher auch über die Unzuverlässigkeiten der lieben Kursteilnehmer auf Deine Kosten gewaltig ärgern.

Unterrichtsvorbereitung findet bei guten Dozenten nicht weniger als an anderen Schulen statt, bei bestimmten fachspezifischen Themen eher noch mehr, weil Du nicht nach Lehrplan, sondern maßgeschneidert unterrichten mußt. Die Zeit mußt Du Dir dann tagsüber oder am Wochenende dafür nehmen. Der klassische Frontalunterricht, der bis heute an vielen Schulen noch üblich ist, funktioniert mit Erwachsenen nicht, weil Du auch Entertainer sein mußt. Sie sollen ja gerne und wieder kommen. Wenn Du also eine komische Ader hast, gut beschreiben kannst, wirklich motivierend sein kannst, einen Hang zum Dauerenthusiamus hast, Dich mit einem breiten Methodenrepertoire auskennst und das auch noch anwenden kannst, gleichzeitig Dein Unterrichtshandeln permanent reflektierst, dann kannst Du den Job machen (grundsätzliche Fachkenntnis durch ein Studium + Auslandsaufenthalt vorausgesetzt). Du hast nämlich keine Druckmittel wie in der Schule, die das Leben durchaus erleichtern, wie Noten / Sitzenbleiben / Verweise. Du agierst also als Lernorganisator, aber gleichberechtigt mit Deinen Kunden und eben nicht als "Friß-Vogel-oder-stirb"-Pauker (wie so manche - Gruß an meine alten Mathelehrer).

Vormittagskurse sind eher rar, weil - das belegen auch Studien - Hausfrauen und Rentner, also Leute, die da mehr als genügend Zeit hätten, maximal lernunwillig sind. Freitage sind relativ unbeliebt (Wochenende!), Wochenendseminare dürfen nur zu bestimmten Zeiten stattfinden, sonst kommt keiner (nicht vor Weihnachten, nicht vor Fasching, nicht nach Mitte Juni). Es gibt auch eine Menge Themen, bei denen Lernbedarf bestünde, weil die Masse definitiv bestimmte Fähigkeiten nicht hat - nur erlernen wollen sie sie auch nicht.

So, das war die Kurzversion. Trotz allem macht der Job den meisten Spaß, weil man relativ selbstständig und selbstbestimmt ist und auch das Feedback wesentlich positiver ist als im klassischen Schuldienst mit pubertierenden Revoluzzern und erfolgsgeilen Eltern, die die Schuld für das Versagen ihrer Sprößlinge nur bei den Lehrern sehen. Erwachsene lernen meisten deshalb, weil sie das selbst wollen - Jugendliche, weil sie müssen. Das schafft natürlich ein anderes, harmonischeres Klima. Nervige Kursteilnehmer (99,8% sind lieb) sieht man auch nicht jeden Tag.

Was wolltest Du denn anbieten?

Solltest Du noch weitere Fragen haben - nur her damit.

LG

Fiammetta

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