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Sehr geehrte Frau Henkes, meine Tochter wird nächste Woche vier Jahre alt und sie zeigt in den letzten Wochen ein Verhalten, das mir Sorgen bereitet. Ich würde erst einmal die Verhaltensweisen aufzählen und dann die Veränderungen, die damit eventuell zu tun haben. - seit ein paar Wochen haut sie uns (Mama und Papa), wenn sie etwas machen soll, was sie nicht möchte (z.B. ins Bett gehen, sie kommt dann für das Hauen wieder raus) - vor ein paar Tagen kam sie gezielt auf mich zu und biss mir in den Oberarm - seit ein paar Tagen brüllt sie mich an, dafür kommt sie meinem Gesicht ganz nahe und brüllt auf einmal los. Entweder sagt sie dabei etwas, was sie nicht machen möchte oder sie schreit einfach Und nun die Veränderungen. Anfang des Jahres kam sehr viel zusammen, wir sind umgezogen, womit auch ein Kita-Wechsel einher ging und kurz danach wurde ihr kleiner Bruder geboren. An sich hat sie sich auf alle drei Dinge total gefreut. Insbesondere den Kita Wechsel hat sie sehr gut mitgemacht und sie hat auch viel mehr Freude in der neuen Kita und ist ausgeglichener. In der alten Kita gab es diverse Probleme mit wechselnden Erziehern und einer sehr großen Gruppe. Wie schlecht es ihr in der alten Kita ging, wurde erst richtig deutlich, als sie in der neuen anfing. Der Umzug beschäftigt sie immer mal wieder, wenn sie an ihr altes Zimmer denkt, sie fühlt sich hier aber grundlegend wohl und freut sich über mehr Platz und einen Garten zum Spielen. Sie hatte sich schon einen kleinen Bruder gewünscht, noch bevor ich schwanger war, von daher hat sie sich wie verrückt gefreut. Ich weiß natürlich, dass all das sehr viel für sie war und war darauf eingestellt, dass es eine schwierige Zeit für sie wird. Aber nun ist ihr Bruder vier Monate alt und auf einmal tritt dieses veränderte Verhalten bei ihr auf. Sie sagte mir inzwischen auch mehrmals, dass sie es nicht schön findet, dass ich immer für das Baby da sein muss. Ich habe inzwischen eigentlich wieder mehr Zeit für sie und kann auch viele Rituale mit ihr durchführen, deshalb wundere ich mich, dass sich ihr Verhalten erst jetzt so stark ändert, obwohl die richtig "harte" Zeit schon überstanden ist. Ich verzweifle langsam daran, wie ich richtig mit ihr umgehen soll. Sie war schon immer sehr willensstark und temperamentvoll, das führt aber auch dazu, dass sie stundenlang schreien und brüllen könnte, ohne mit sich reden zu lassen. Schon in den schlimmsten Zeiten der Autonomiephase konnte sie 1,5-2 Std. durchgängig schreien. Ich war immer bei ihr und habe ihre Gefühle begleitet, die Länge des Schreiens wurde aber immer mehr. Nun frage ich mich, wie ich insbesondere in solchen Situationen reagieren kann. Sie kündigen sich selten an, oft schlägt mit einem Mal die Stimmung um, sie fängt an gezielt mit ihrem Verhalten zu provozieren, weil sie weiß welche Reaktion darauf folgt und innerhalb von Sekunden eskaliert die Situation. Wir haben schon versucht, in Ruhe mit ihr darüber zu reden, das Verhalten zu ignorieren oder ihr die Konsequenzen aufzuzeigen. Es hilft nichts. Das letzte Mal habe ich ihr Schreien und vor Wut toben unterbrochen, indem ich angefangen habe mit ihr zu spielen. Aber ist das eine hilfreiche Reaktion? Lernt sie so damit umzugehen? Ist so ein Verhalten in ihrem Alter normal oder müssen wir darüber nachdenken, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen aufgrund der Heftigkeit ihrer Reaktionen? Es macht mir teilweise wirklich Angst, wie sie reagiert, weil es so wirkt als würde sie jederzeit explodieren und nur noch um sich schlagen. Sie kann eigentlich ihre Gefühle schon lange gut einordnen und spricht auch schon lange sehr gut. Theoretisch ist sie also in der Lage dazu, sich zu äußern, wird aber scheinbar von der Stärke ihrer Gefühle übermannt. Ich würde ihr gerne helfen, mit ihren Gefühlen umzugehen, aber ich weiß nicht mehr weiter und habe inzwischen in vielen Situationen Angst, dass es gleich wieder losgeht. Bitte entschuldigen Sie den langen Text, ich finde es schwer, herauszufiltern, was relevant ist. Ich würde mich sehr über Ihre Hilfe und Einschätzung freuen.
Guten Tag, es ist nicht ungewöhnlich, dass Kinder auf die Geburt eines Geschwisters mit heftiger Wut reagieren. Für Ihre Tochter ist die "harte" Zeit noch nicht vorüber. Für sie zeigt sich täglich immer deutlicher, dass der Bruder tatsächlich bleibt und seinen Platz in der Familie einnimmt. Auch wenn Ihre Tochter sich schon länger einen Bruder gewünscht hat, hat sie nicht wissen können, was das psychisch für sie bedeutet. Der Bruder hat sie entthront, d.h. er hat ihr den Platz als Einzige in den Herzen der Eltern weggenommen. Diese Entthronung hat Ihre Tochter noch nicht bewältigt. Sie befindet sich in ständiger Rivalität mit dem Bruder, weil sie unbewusst befürchtet, dass er sie von ihrem Platz verdrängt und alleine Ihre Liebe und Aufmerksamkeit bekommen könnte. Auch Vierjährige spüren schon sehr gut, dass sie sich durch negatives Verhalten die Aufmerksamkeit der Eltern sichern können. Auch Ihre Tochter verhält sich derzeit nach dem Muster, dass negative Aufmerksamkeit besser ist, als die Angst vor dem Verlust von Liebe und Aufmerksamkeit der Eltern. Für Ihre Tochter ist es jetzt wichtig, dass Sie ihr deutlich zeigen, dass Sie sie weiterhin genauso lieben wie zuvor. Sie können versuchen, Situationen zu schaffen, in denen Ihre Tochter sich besonders von Ihnen gesehen fühlt und ihre Stärken betonen kann. Gleichzeitig sollten Sie Ihre Tochter effektiv daran hindern, Sie zu schlagen oder anzugreifen. Diese Grenze fordet Ihre Tochter ein. Bei Vierjährigen helfen in solchen Situationen klare Handlungen besser als Worte und Appelle. Halten Sie Ihre Tochter auf Distanz und lassen Sie sie nicht so nahe an Ihr Gesicht kommen, dass sie Sie anbrüllen kann. Sie können Ihre Tochter auch in ihr Zimmer bringen, wenn sie körperlich aggressiv reagiert. Diese Grenzsetzung Ihrerseits ist nicht nur unter erzieherischemAspekt bedeutsam. Wenn Sie die Aggressionen Ihrer Tochter nicht eingrenzen, wird Ihre Tochter unbewusst fürchten, dass Sie sie wegen dieses Verhaltens erst recht ablehnen und den Bruder bevorzugen. Sie schützen Ihre Tochter damit also vor den belastenden psychischen Folgen Ihre heftigen Impulse. Wenn Sie bei einem Wutanfall mit Ihrer Tochter spielen, lernt sie, dass ihr Verhalten belohnt wird und kann nicht verstehen, dass Sie eigentlich möchten, dass Ihre Tochter mit Ihrer Unterstützung lernen soll, ihr Wut sozial angemessener abzuführen. Lassen Sie sich von Ihrer Tochter nicht einschüchtern. Zeigen Sie ihr, dass Sie die Wut einer Vierjährigen gut aushalten können und damit souverän umzugehen wissen. Ihrer Tochter hilft es, Sie als stark zu erleben. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes
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