Übertriebene oder berechtigte Sorge bzgl. Bindung zu Baby

 Ingrid Henkes Frage an Ingrid Henkes Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

Frage: Übertriebene oder berechtigte Sorge bzgl. Bindung zu Baby

Hallo Frau Henkes, ich mache mir sehr viele Gedanken um die Bindung zu meinem 6 Monate alten Sohn und bin inzwischen durch diverse Meinungen so verunsichert, dass ich nicht mehr weiß, ob meine Sorgen und Ängste übertrieben oder berechtigt sind. Generell neige ich leider zum Perfektionismus und übertrage das auch auf die Mutterrolle, obwohl ich weiß, dass niemand jemals die perfekte Mutter sein kann. Dazu kommt noch, dass ich ein schlechtes Gewissen habe, weil ich meinem Sohn nicht den Start ins Leben geben konnte, den ich mir gewünscht hätte, v.a. dass er die erste Nacht getrennt von mir verbringen "musste" bis auf die Stillzeiten, weil ich mich durch die PDA noch nicht wieder bewegen konnte. Auch die ersten Tage konnte ich ihn wegen der Schmerzen durch den Kaiserschnitt nicht so versorgen wie ich wollte und habe mir die ersten Wochen durch die für mich traumatische Geburtserfahrung sehr schwer getan in der Mutterrolle anzukommen. Momentan sind es v.a. folgende drei Situationen, in denen ich oft hadere und nicht weiß, wie ich mich "richtig" verhalten soll. 1. Mein Sohn weint häufig beim Auto fahren. Manchmal lässt er sich durch Singen beruhigen, häufig aber auch nicht. Er schreit sich dann so richtig ein, man kommt nicht mehr an ihn ran und hört erst auf, wenn man anhält und ihn rausnimmt. Da er aber wieder zu weinen anfängt, sobald es weiter geht, ist das auch nur bedingt hilfreich. Ich rede natürlich mit ihm, wenn mein Mann dabei ist und ich hinten sitze, streichle ich ihn auch, aber trotzdem tut es mir sehr weh ihn so leiden zu sehen und ich fühle mich als würde ich ihn bewusst quälen. Ich mag schon gar nicht mehr gerne fahren, was aber sein muss, da wir auf dem Land leben ohne ÖPNV. Schadet das Weinen meinem Kind oder unserer Bindung? Haben Sie Tipps, wie das Auto fahren ohne Weinen klappen kann? 2. Er schläft sowohl tagsüber als auch nachts nur durch Stillen (manchmal im KiWa) ein und weiter, tagsüber muss ich ihn dann meist für die Dauer des Schläfchens auf dem Arm halten. Da ich dadurch sehr eingeschränkt bin, da ich ja für jedes Schläfchen zu Hause seins muss und dieses im dunklen Schlafzimmer verbringen muss, wollte ich wieder vermehrt versuchen ihn abzulegen. Häufig klappt das nicht und ehrlich gesagt habe ich dabei auch immer ein schlechtes Gewissen, dass er dann Angst hat, wenn er aufwacht und auf einmal im Bett liegt statt auf dem Arm. Eigentlich würde ich mir wünschen, dass er auch ab und zu mal ohne Stillen einschläft, damit auch der Papa das Einschlafen tagsüber übernehmen kann, aber er fängt zu weinen an, wenn er müde ist und nicht die Brust bekommt und beruhigt sich dann auch lange nicht bzw. nur durch Tragen und Singen. Ist es tatsächlich so, dass das Ablegen meinen Sohn beim Aufwachen ängstigt? Kann man es einem 6 Monate alten Kind zumuten neue Wege in den Schlaf zu lernen? Ich möchte ihm ja nichts wegnehmen, was er braucht, aber die aktuelle Situation macht mir zunehmend zu schaffen, da ich nachts 6-10x geweckt werde ich tagsüber kaum Zeit für mich habe. 3. Wenn etwas nicht so klappt, wie es mein Sohn gerne hätte ( er macht aktuell Vorübungen zum Krabbeln) oder er sein Spielzeug nicht erreicht oder er nicht mehr in der Hochstuhlschale liegen will, protestiert er schnell sehr lautstark. Ich weiß, dass man ein Baby nicht verwöhnen kann und ich möchte ja seine Bedürfnisse auch so gut ich kann erfüllen, frage mich aber dennoch, ob es tatsächlich immer sinnvoll ist, ihm bspw. das Spielzeug zu geben oder ihn wieder auf den Rücken zu drehen oder eine Dauerbespaßung anzubieten. Vielen Dank für Ihre fachliche Einschätzung und viele Grüße  

von Kirschsaftlady am 15.02.2024, 11:21



Antwort auf: Übertriebene oder berechtigte Sorge bzgl. Bindung zu Baby

Guten Tag, Sie müssen kein schlechtes Gewissen haben, weil Sie Ihren Sohn nach der Geburt nicht, wie von Ihnen gewünscht, versorgen konnten. Der Kaiserschnitt war nötig, um Ihren Sohn gefahrlos auf die Welt holen zu können. Damit haben Sie das Sinnvollste für ihn getan. Das hatte jedoch Auswirkungen, die zu Ihren eingeschränkten Versorgungsmöglichkeiten geführt haben. Besser als Sie es gemacht haben, hätten Sie es unter den gegebenen Umständen nicht machen können. Für Ihren Sohn war es vermutlich ein Erschwernis, das aber durch die spätere gute Fürsorge kompensiert werden konnte. Manche Babys mögen Autofahren nicht. Das lässt sich in diesem Alter nicht ändern. Sie versuchen während der Fahrt alles, um Ihren Sohn zu beruhigen. Mehr können Sie nicht tun. Vielleicht nimmt er einen Schnuller. Zwischendurch anhalten müssen Sie nicht, da die Fahrt ja dann doch wieder fortgesetzt werden muss. Bringen Sie sie lieber rasch hinter sich. Gestillte Babys schlafen oft nur beim Stillen ein. Sie können versuchen, Ihren Sohn abzulegen, wenn er tief schläft. Ihr Sohn kann noch nicht speichern, dass er auf dem Arm eingeschlafen ist und woanders aufgewacht. Sollte er beim Aufwachen Angst bekommen, hat er die Fähigkeit, sich gut bemerkbar zu machen. Babys nutzen solche Phasen, alleine und wach im Bett, auch zunehmend, um sich ein wenig selbst zu beschäftigen. Sie können versuchen, ob Ihr Sohn sich vom Vater mit abgepumpter Muttermilch und der Flasche zum Einschlafen bringen lässt. Sie dürfen davon ausgehen, dass diese Phase - so anstrengend sie jetzt auch manchmal sein kann - nur noch begrenzt dauert. Mit einem Jahr benötigt Ihr Sohn keine Muttermilch mehr und Sie können ihn abstillen. Auch das Schlafverhalten wird sich verändern, wenn es auch noch nicht beständig wird. Babys können sich mit sechs Monaten noch nicht gut alleine beschäftigen. Dazu sind motorische und geistige Entwicklung noch nicht genügend fortgeschritten. Geben Sie Ihrem Sohn das Verlangte. Dabei können Sie jedoch zunehmend kleine Warteintervalle einbauen, in denen Sie mit ihm sprechen und ihn kurz vertrösten, z.B. so "Du willst umgedreht werden. Ich mache das gleich, ich muss nur zuerst noch ..." So fühlt Ihr Sohn sich mit Ihnen verbunden und lernt, kleine Aufschübe zu ertragen. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes

von Ingrid Henkes am 15.02.2024



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