Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Selektiver Mutismus oder Schüchternheit?

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: Selektiver Mutismus oder Schüchternheit?

Anto89

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Guten Morgen,  folgende Situation: Meine Tochter ist nun 7,5 Jahre alt und kommt in die 2. Klasse.  Schon sehr lange kann sie in bestimmten Situationen nicht reden. Das fing mit ca. 3 Jahren an, als es ihr nicht gelang ihr fremden Menschen (das konnten sowohl komplett fremden Menschen sein oder aber auch Nachbarn, Freunden und Bekannten der Familie) "hallo" oder "danke" (zum Beispiel für ein Geburtstagsgeschenk) zu sagen.  Im Kindergarten konnte sie die Erzieher nicht begrüßen, sie nahm keinen Augenkontakt auf. Dieses Verhalten zieht sich bis heute. Wenn Sie Ihren kleinen Bruder in den Kindergarten bringt, kann sie ihren damaligen Erzieherinnen nicht Hallo sagen und sie nicht anschauen. Auf Fragen (z. B. ob es ihr in der Schule gefällt) kann sie gar nicht oder nur mit einem leichten nicken und ohne Augenkotakt reagieren. Auch Nachbarn, Bekannten etc., sie kann sie nicht grüßen, Kein danke sagen wenn sie was bekommt und sie nicht anschauen. Für uns ist schon im Vorfeld klar, welche Situationen es betrifft, es sind immer die selben. Immer, in denen es eigentlich 'erwartet' wird, dass sie spricht und sie im 'Mittelpunkt' steht. Wie z. B. Grüßen, danke sagen, sie wird gefragt wie es ihr geht oder wie die Ferien sind, beim Bäcker, in der Bücherei (sie macht bei heiss auf lesen mit und soll nach dem lesen eines Buches dem Mitarbeiter ein paar Fragen zum Buch beantworten). Sie schweigt, kann keinen Blickkontakt aufnehmen und bringt kein Wort heraus, steht wie versteinert. Ich merke es, dass sie diese Situationen überfordern und  belasten. Ihr ist das auch selbst bewusst. Wenn ich mit ihr rede, sagt sie sie weiß nicht, warum sie in so einer Situation nicht reden kann. Ich merke immer an, dass es sie stark belastet und habe auch deshalb nie Druck ausgeübt sondern dann z. B. das 'Danke' für sie übernommen oder nach 5 Minuten und unter großer Mühe flüstert sie mir was zum Buch (Bücherei) ins Ohr welches ich der Mitarbeiterin dann weitersage. Bei uns zu Hause ist sie ein fröhliches, munteres, willensstarkes Kind welches viel redet und überhaupt keine Probleme mit Schüchternheit zeigt.  Es ist auch nur im Kontakt bei Erwachsenen so. Mit fremden Kindern zeigt sie für mich eine normale Schüchternheit, bis meist das andere Kind den ersten Schritt macht und sie anspricht.  Lange Zeit dachte ich es würde sich verwachsen wenn wir ihr keinen Druck machen und es nicht zum Thema machen sondern einfach so hinnehmen. Aber es entwickelt sich eher in die negative Richtung. Dass es schlimmer statt besser wird. Lange Zeit habe ich schon ein Gefühl, dass es sich nicht um eine normale Schüchternheit in sozialen Aspekte handelt sondern vielleicht etwas mehr dahinter steckt. Könnten Sie uns bitte eine Rückmeldung geben wie Sie das sehen? Aus Erfahrung weiß ich, dass es bei unserem Kinderarzt sowas anzusprechen leider nichts bringt. Es wird immer alles abgetan das sei völlig normal. So hat er bei unserem Sohn auch diverse Atemwegsinfekte immer mit das sei normal abgetan, bis er mit 4 Jahren und einer Lungenentzündung stationär im Krankenhaus landete und die Ärzte dort weitere Diagnostik einleitenden und zügig die Diagnose Asthma stellten während der Kinderarzt sagte er würde nicht weiter diagnostizieren, das seien normale Infekte wie sie jedes Kind hat. Und das ist nur ein von mehreren Beispielen. Und wir sind mit unseren 3 Kindern abseits der U Untersuchungen selten beim Kinderarzt und überhaupt nicht überängstlich. Deshalb weiß ich jetzt schon, dass auch - wenn ich dieses Thema ansprechen würde - nur ein das sei normal als Antwort bekommen würde.   Mit freundlichen Grüßen  Anto89


Ingrid Henkes

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Guten Tag, aus der Distanz kann ich nicht einschätzen, ob Ihre Tochter an elektivem Mutismus oder einer starken Schüchternheit leidet. Da sie dieses Verhalten schon lange zeigt und es sie deutlich zu belasten scheint, sollte einer weiteren Verstärkung der Problematik entgegen gewirkt werden. Ich empfehle Ihnen, sich professionelle Unterstützung zu suchen, um das Problem besser eingrenzen und bearbeiten zu können. Sie können Ihre Tochter in einem Sozialpädiatrischen Zentrum oder bei niedergelassenen Kindertherapeuten vorstellen und werden dort qualifizierte Hilfe erhalten. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes


melanie

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Hi Anto, jetzt habe ich mich hier tatsächlich angemeldet, weil mich deine Geschichte sehr berührt, das hört sich an wie bei meinem Sohn, der etwas älter ist als deine Tochter und mit 5 selektiven Mutismus attestiert bekommen hat. Ich weiß daher, wie sehr das deine Tochter belastet, da sie will (Antworten ins Ohr flüstern) aber nicht kann. Wenn ich das Verhalten deines KiA so lese, bitte suche als erstes einen neuen. Offensichtlich fühlst du dich nicht ernst genommen und hast kein Vertrauen mehr. Das ist keine Basis der Kooperation. So, was meinem Sohn geholfen hat waren 2 Jahre Therapie bei einer richtig guten Heilerzieherin. Er wird es natürlich immer etwas schwerer haben als andere, aber das wichtigste ist, dass er sich überwinden kann zu sprechen, wenn es drauf ankommt. Er ist mittlerweile in manchen Situationen mit Fremden sogar richtig offen und unbeschwert, lacht, grüßt meistens auf der Straße, sagt bitte, Danke, etc. Es kann also wirklich eine großartige Entwicklung stattfinden. Er hat in der ersten Klasse sogar schon ein kurzes Referat gehalten (wir haben geübt und seine Lehrerin hat nachmittags am Vortag auch mit ihm geübt) Du machst den Rest eh schon super. Unterstützen, zu ihr stehen und im worst case ganz locker zu den anderen sagen: "Heute ist keine Sprechstunde." Herzliche Grüße Melanie


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