Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Wutanfälle, durchgehend! 3 Jahre und 3 Monate

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: Wutanfälle, durchgehend! 3 Jahre und 3 Monate

blume2508

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Liebe Frau Henkes, meine Tochter (3 Jahre und 3 Monate alt) war, tagsüber, schon immer ein eher unzufriedenes Kind und hat ihren Frust immer lauthals rausgelassen. Sie schläft, seitdem sie 3 Monate alt ist, nachts (mindestens) 12 Stunden durch und es gab noch nie eine Ausnahme. Oft habe ich mir die Frage gestellt ob ihr Frust sie nicht nachts beschäftigen müsste aber das scheint nicht der Fall zu sein. In ihrem 1. Lebensjahr war der harte Corona-Lockdown und wir waren fast immer zu zweit (als es die gesetzlichen Regelungen erlaubten, haben wir natürlich auch Verwandte oder Freunde getroffen). In diesem Jahr hat meine Tochter mehrmals pro Stunde geweint und wollte immer in meinem Arm sein (was ok ist). Im zweiten Lebensjahr wollte sie auch alles immer mit mir machen - hinzu kamen ihre Wut-/Trotzanfälle und ihr kleiner Bruder. In ihrem 3. Lebensjahr empfand ich sie tagsüber auch als sehr sehr unzufrieden (sie konnte kaum alleine spielen, war mehrmals pro Stunde wütend etc.) Nun, in den letzten Monaten ist ihre Wut unerträglich und ich selber bin schon seit langer Zeit über meiner Grenze. Es fängt schon morgens an wenn sie sich anziehen soll. Sie kann das selber aber wird wütend wenn ich das nicht für sie übernehmen möchte (während ich ihren kleinen Bruder wickle). Ich bitte sie immer schon mal zu beginnen und versichere ihr ich würde ihr helfen sollte etwas nicht klappen. 5 min später, in der Küche angekommen, wird sie wütend wenn ihr Bruder mit etwas spielt was sie auch interessant findet. Wenn sie von der Kita heimkommt, wird sie wütend wenn ich ihr nicht SOFORT ihren Sprudel einschenke. Wenn sie ein Kuscheltier nicht sofort sieht , wird sie wütend (obwohl sie noch nicht einmal angefangen hat zu suchen). Dann möchte sie, dass Ich das Kuscheltier für sie suche und wenn ich sie bitte schon mal selber zu beginnen und ich komme gleich dazu, wird ihr Schreien nur noch schlimmer. Sie hangelt sich von einem Wutanfall in den nächsten. Oft zieht sich das so über den ganzen Tag. Ich habe auch das Gefühl dass sie keine Frustrationstoleranz hat (d.h. zb sucht sie nicht eine Minute lang nach ihrem verlorenen Spiel sondern sie wird sofort wütend wenn sie es nicht sieht). Ich habe jeden Mittag, während dem Mittagsschlaf ihres kleinen Bruders, persönliche Zeit mit ihr, in welcher ich ihr ein Buch vorlese oder mit ihr spiele. Auch vor der Kita und am Abend mache ich das (solange es der Alltag zulässt). Ich habe sie bisher, in 90% der Fälle, in den Arm genommen und ihre Emotionen benannt (zb "ich verstehe dass du wütend bist" etc). Allerdings beruhigt sie sich dabei kaum. Auch habe ich mal so getan als würde ich ihren Wutanfall nicht hören (in der Hoffnung sie lernt ihre Emotionen, zumindest ein wenig, selber zu regulieren). Auch das hilft nichts, weil sie dann mindestens 5 oder 8 Minuten am Stück schreit oder weint. Oft verstehe ich nicht einmal was sie genau sagt, weil sie von einem Moment auf den anderen plötzlich total aufgelöst weint und am Körper zittert und kein richtiges Wort rausbringen kann. In letzter Zeit wurde ich mindestens ein Mal pro Tag laut und meinte sie soll sofort damit aufhören oder habe ihr gedroht, dass wir bei diesem Verhalten ihrerseits nicht zu ihrem geliebten Turnkurs gehen können. Nach so einem Verhalten meinerseits fühle ich mich immer sehr sehr schlecht und mache mir bis spät abends Vorwürfe dafür, dass ich sie emotional so unter Druck gesetzt habe. Ich habe keine Kontrolle über ihre Laune. Selbst in ihrem geliebten Turnkurs kriegt sie alle paar Minuten einen Wutanfall. Ich bin am Ende meiner Kräfte. Ihr Bruder ist zwar "nur" 18 Monate alt (und ich weiss, dass er bestimmt auch irgendwann trotzig sein wird) aber er ist bisher irgendwie tagsüber immer zufrieden. Ich mache bei beiden Kindern alles gleich. Wenn ich einem Kind etwas vorlese, dann ist das andere dran usw. Wenn ich einem Kind auf die Rutsche helfe, ist danach immer das andere Kind dran. Ich habe das Gefühl meine Tochter will immer mehr und mehr von mir obwohl ich bereits alles gebe. Sowieso habe ich keine weiteren Reserven mehr. Ich kann einfach nicht mehr und weiss nicht wie ich mit ihrer Wut umgehen soll. Sie spielt übrigens auch so gut wie nicht alleine. Kann ihr Verhalten etwas mit dem Corona Lockdown zu tun haben, weil sie es mindestens ein Jahr lang gewohnt war mich rund um die Uhr für sich zu haben? Könnten es Gene sein? Kann sie (immernoch, nach 18 Monaten) mit der Entthronung durch den kleinen Bruder zu kämpfen haben? Soll ich ihr bei jedem Wutanfall helfen? Oder soll ich sie auch mal "alleine" mit ihrer Wut lassen damit sie eine Art Frustrations-Toleranz entwickelt? Natürlich würde ich im selben Raum bleiben. Wie soll ich mit all dem Verhalten umgehen? Vielen Dank für Ihre Hilfe und liebe Grüße


Ingrid Henkes

Ingrid Henkes

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Guten Tag, Ihre Tochter fordert mit ihrem Verhalten Ihre Aufmerksamkeit ein. Wutanfälle und Schreien sind dazu besonders geeignet, weil man sich ihnen kaum entziehen kann. Vermutlich hat Ihre Tochter noch mit der Entthronung durch den Bruder zu kämpfen. Die Rivalität und die Angst, vom Bruder in Ihrer Gunst verdrängt zu werden, beschäftigen sie unbewusst noch. Solange sie sich Ihrer nicht sicher genug ist, sucht sie intensiv nach Ihrer Aufmerksamkeit als Beweis für Ihre Liebe. So möchte sie Sie vom Bruder ablenken und von Ihnen angezogen werden, obwohl sie das schon alleine kann. Zudem scheint die Trotzphase bei Ihrer Tochter gerade sehr intensiv zu sein. Sie ist frustriert, wenn sie ihren Willen nicht durchsetzen kann. Frustrationstoleranz müssen Dreijährige mit der Unterstützung der Eltern erst lernen, so wie sie auch die Regulierung ihrer Emotionen erst erlernen müssen. Versuchen Sie, in solchen Situationen möglichst gelassen zu bleiben. Ihre Tochter braucht die Sicherheit, dass Sie stark genug sind, ihre Kinderwut auszuhalten. Trösten Sie sie, damit sie sich von Ihnen verstanden fühlt. Ich denke, es ist auch noch zu früh zu erwarten, dass Ihre Tochter schon längere Zeit alleine spielen kann. Das Verhalten Ihrer Tochter ist nicht in den Genen angelegt. Es ist auch nicht auf den Lockdown zurückzuführen, denn im ersten Lebensjahr sind Kleinkinder in der Regel gewohnt mit einem Elternteil zusammen zu sein. Sie machen in Ihrem Schreiben deutlich, dass Sie durch die aktuelle Situation sehr belastet sind. Das ist verständlich, denn die Betreuung von Kleinkindern ist sehr aufwendig, zumal wenn eines der Kinder sich in einer heftigen Trotzphase befindet. Ich empfehle Ihnen daher, sich Unterstützung zu suchen. Möglicherweise finden Sie in einer Familienberatungsstelle oder in einer Kleinkindambulanz Hilfe. Außenstehende haben es oft leichter, eine bestehende Problematik zu erkennen und bei der Auflösung zu helfen. Vielleicht gibt es bis dahin, Hilfe von Familie oder Freunden, die Ihnen eines der Kinder mal abnehmen, damit Sie Zeit für sich haben. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes


Beany1692

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Ich wollte mal fragen, wie es sich bei euch entwickelt hat. Unser Großer ist im ähnlichen Alter und zeigt genau das gleiche Verhalten. Es ist einfach super anstrengend ..


Chris10000

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Bei uns genauso, Mädchen 3 Jahre 1 Monat... trifft nahezu alles aus dem Text zu 


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