Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Ludger Nohr:

Umgang mit sensiblem Kind

Dr. med. Ludger Nohr

Dr. med. Ludger Nohr
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Frage: Umgang mit sensiblem Kind

Bine.30

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Lieber Dr Nohr, vielen Dank für Ihre tolle Arbeit hier! Meine Tochter wurde gerade fünf Jahre und ist schon immer sehr sensibel. Genau wie mein Mann kann auch sie überhaupt nicht mit Stress umgehen. Z.b. Hat sie wochenlang vor Weihnachten, ihrem Geburtstag, dem Musikauftritt im Kiga Schlafprobleme, weint wegen jeder Kleinigkeit völlig hysterisch und kann sich nicht mehr beruhigen. Sie flippt dann z.b. Total wegen ihrer Kleidung aus weil alle Socken wehtun und kann keine Socken anlassen. Zwingen wir sie wird sie völlig panisch. Heute wäre ihre Geburtstagsfeier im Kiga gewesen. Das ganze hat sie so aufgeregt, dass sie komplett dicht gemacht hat und sich nur noch an mir festgeklammert hat, um nicht im Kiga im Mittelpunkt stehen zu müssen. Deswegen fiel die Feier dann leider aus, obwohl sie sich vorab gefreut hatte. Mittlerweile versuchen wir solche Aufregungsphasen einfach nur vorübergehen zu lassen und ihr Ruhe zu verschaffen, indem wir sie ein paar Tage zuhause lassen, in denen sie spielt, CD hört und Zeit mit uns verbringt. Mein Mann sagt für sich (schwierige Kindheit) er muss alles stressige vermeiden, da er sonst die Selbstkontrolle über sich verliert (rumschreien). Ich denke aber, dass unsere Tochter schon lernen muss, auch mit aufregenden Situationen umzugehen z.b. In der Schule. Entwickelt sich das von selbst? Können wir sie irgendwie unterstützen? Vielen Dank.


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Hallo, ja, wie sieht sensibler (verstehend und trotzdem entwicklungsfördernd) Umgang mit einem sensiblen Kind aus? Zuerst ist es wichtig zu sehen und zu verstehen, was dieses Verhalten mit einem selbst macht. Was löst ängstliches Verhalten des Kindes bei einem selbst aus? Ablehnung, Mitleid, Enttäuschung, Unverständnis, mitfühlende Identifikation usw. ? Das ist wichtig, weil es der (für das Kind spürbare) Hintergrund all unserer Handlungen ist. Die gleiche Handlung hat bei verschiedenen Haltungen ganz andere Wirkung. Das vorweg. Grundsätzlich ist das Ermöglichen von Erfolgserlebnissen für selbstunsichere Kinder wesentlich ("Ermutigung"). Wenn dies noch auf dem Hintergrund des so Angenommenseins passiert, ist der Weg (die Technik) dahin gar nicht so entscheidend. Wenn sich das Kind gedrängt fühlt, weil die Mutter/der Vater/die Oma endlich ein sicheres Kind will (ich pointiere extra), wird es den "Erfolg" oft gar nicht wahrnehmen. Man sollte also bei dem Ziel (Geburtstagsfeier) vorher über das Schöne und das Ängstigende sprechen, damit das Kind merkt, dass das Problem gesehen wird. (Auch hier ist natürlich die eigene Haltung bedeutsam). Und dann kann etwas schubsen auch angenommen werden, das Kind überwindet eine Hürde und erfüllt nicht nur "Mamas Wunsch". Ich habe versucht etwas grundsätzlicher zu schreiben, weil das Problem noch länger bestehen wird und deshalb die Haltung wichtiger ist als die Einzel-Handlung. Dr.Ludger Nohr


Bine.30

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Sie hat ein sehr geringes Selbstbewusstsein und hat immer Angst zu scheitern und blockiert dann komplett. Vielleicht misst sie sich auch an ihrer älteren Schwester, die sehr leistungsstark ist. Ich versuche ihr in solchen Phasen soviel Entlastung zu verschaffen, wie es geht. Gewisse Dinge verlange ich aber von ihr. So möchte ich, dass sie ihren Geburtstag im Kiga nachfeiert, damit sie auch für sich das Gefühl hat, es zu schaffen. Da sie große Angst hat, haben wir jetzt vereinbart, dass sie nachfeiern muss und der Papa dafür zur Unterstützung mitkommt. Halten Sie unser Vorgehen so für sinnvoll?


cube

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Hi Bine. Ich gehe mal auf deine Frage bzw. "Vorgehen so richtig" etwas konkreter ein: nein, ich finde die Vorgehensweise nicht schlüssig. Einerseits nehmet ihr sie tageweise aus dem KiGa heraus, damit sie sich entspannen kann. Anderseits verlangt ihr aber von ihr, dass sie sich ausgerechnet der für sie stressigsten Situationen stellt wie die geb.-Feier im Kiga. Heißt: ihr nehmt sie genau aus dem Alltag, in dem sie merken könnte, das dieser ganz normal weiter verläuft und dadurch auch Ängste abbauen könnte, heraus. Ihr schützt sie genau vor dem Normalzustand, den sie eigentlich bewältigen lernen soll um sie dann dem größten Stress auszusetzen in der Erwartung, dass sie "wenigstens" das schaffen soll. Aber dieses "wenigstens" ist doch für sie gerade das Schlimmste. Das macht für mich keinen Sinn bzw. signalisiert ihr doch, nach oder vor einer Aufführung findet ihr es zu stressig für sie, aber die Aufführung selbst kann doch nicht so schlimm sein? Meiner Meinung wäre der umgekehrte Weg der sinnigere. Den Alltag (also das davor/danach) sollte sie erleben können als etwas, mit dem sie klarkommen kann und in dem eigentlich nicht schlimmes passiert. Zum Geburtstag feiern selbst würde ich sie dann aber eben nicht zwingen. Wie soll sie das als etwas Schönes empfinden können, wenn die Zeit vorher als etwas "zu stressiges" für sie deklariert wird? Lasst sie doch lieber erleben, dass der Alltag keine "Gefahren" birgt und schützt sie aktuell lieber vor dem, was für sie das eigentlich Problem ist. Sie ist doch so aufgeregt aus Angst genau vor diesem Termin.Warum ihr nicht vermitteln, es ist ok, wenn du dieses Jahr noch nicht feiern möchtest? Du kannst also unbesorgt zum KiGa gehen. Es ist übrigens nicht so irre selten, dass Menschen (auch Erwachsene) große Hemmungen haben, vor einer Gruppe zu sprechen bzw. anderweitig im Mittelpunkt zu stehen. Zwingen bringt da aber nur noch mehr Stress und Angst. IdR weiß man, das die ganze Sache nichts gefährliches ist - aber man eben gerade noch nicht aus seiner Haut. Man muss erst über kleine Schritte Sicherheit erlangen, um dann den großen Auftritt leisten zu können. Sie könnte doch auch statt zu feiern mit Krönchen und dem ganzen Zipp und Zapp einfach Muffins oä mitbringen, hinstellen und fertig. Kleiner Schritt. Sie sagt damit ha auch "ich hab heute Geburtstag", muss aber eben nicht die ganze Krönchen und Spiele-Nummer gleich auch noch bewältigen. Das kommt dann vielleicht im nächsten Jahr.


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