Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Rüdiger Posth:

Sehr große Trennungsangst

Rund ums Baby Adventskalender 2025
Frage: Sehr große Trennungsangst

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Hallo Dr. Posth, ich hatte kürzlich schon einmal geschrieben. Nun muss ich dazu noch etwas fragen... Meine Tochter war 3 Tage im Kiga. Davon habe ich sie am ersten Tag ca. 20 min alleine gelassen, obwohl keine ausreichende Eingewöhnung vorhergegangen war. Zwar Schnuppertage - aber nicht ausreichend! Die beiden darauffolgenden Tage war ich die ganze Zeit mit ihr dort. Seit dem ersten Tag, an dem ich sie zurück gelassen hatte, ist sie nicht wieder zu erkennen. Ich kann nicht alleine in die Waschküche, sie geht nicht mit meiner Schwester mit, will ihre Babysitterin nicht mehr sehen, schreit, wenn ich im Garten nur kurz aus ihrem Blick verschwinde. Ich weiß nicht, wie ich ihr am Besten helfen kann? Sie muß und mußte niemals vorher irgendwo bleiben, wo sie nicht sein wollte. Sie kann jetzt auch immer mit mir gehen. Allerdings ist es anstrengend, weil ich noch eine einjährige Tochter habe, die immer gleich mitschreit, wenn sich meine "Große" nach mir verzehrt. Ich kann nicht mal alleine einen Parkschein ziehen, auch wenn der Automat nur 3 Meter vom Auto entfernt ist, ohne das es Tränen gibt. Wir haben sie im Kiga direkt wieder abgemeldet. Nun wollen wir es nochmal versuchen, wenn sie ca. 4 Jahre alt ist. Können Sie uns einen Tipp geben, wie wir am Besten mit der Sache umgehen? Und soll ich sie immer mitnehmen, auch wenn es nur kurz ins Bad ist, oder soll ich in diesen Fällen von ihr verlangen, daß sie 1 Minute nicht bei mir ist. Es ist allerdings schon ein klein wenig besser geworden. Die Kiga-Tage liegen über einen Monat zurück und sie bleibt z.B. wieder bei Oma und Opa, erwähnt dort aber ständig, daß wir ja gleich kommen und sie wieder abholen. Im voraus vielen, vielen Dank Gruss Sina


Dr. med. Rüdiger Posth

Dr. med. Rüdiger Posth

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Liebe Sina, lesen Sie meine Antwort zur vorigen Frage und Sie verstehen sofort, wovon ich rede. Ihre Tochter ist im Vertrauen auf ihre Mutter erschüttert worden und tut das, was jedes Kind dieses Alters in einem solchen Moment tut. Es geht in die Regression. Da Ihre Tochter in diesem Alter ihre seelische Verletzung (das Verlassenwerden, obwohl sie noch keine Ersatzbindung aufnehmen konnte) nicht verarbeiten kann, wählt sie im Verhalten eine frühere Stufe, in der sie ihren Konflikt (derselben Art)noch offen ausleben konnte. Das ist die Phase der Anhänglichkeit. Die Seele hat dadurch nun die Möglichkiet, emotional "nachzuladen", um der neuen Beanspruchung einmal wieder gewachsen zu sein. Das funktioniert aber nur, wenn die primäre Bezugsperson, die Mutter, den Vorgang versteht und "mitspielt". Sonst geht auch dieses Manöver schief, und es kommt zu einer frühen Traumatisierung mit heftiger Verdrängung ins Unterbewußtsein. Ist das Unterbewußtsein aber über ein erträgliches Maß hinaus belastet, fängt es bald oder später an, Störimpulse auf das seelische Wohlbefinden des Kindes auszuüben. Dann fangen die Eltern an, sich über das auffällige, sozial schwierige Verhalten ihres Kindes zu wundern. Was können Sie also tun. Sie müssen die neue, jetzt ja extreme Anhänglichkeit, tolerieren und zwar diesmal nicht unter dem gesunden, entwicklungspsychologischen Gesichtspunkt, sondern unter einem -sagen wir- co-therapeutischen. Die mit Spannung aufgeladene Situation in der Kita müssen Sie einstweilen unterbinden, da sie neue Ängste hervorruft. Erst wenn Sie merken, daß die Verlustangst Ihrer Tochter deutlich nachgelassen hat, können Sie erneut, die Unterbringung in der Kita ansteuern. Nur rechnen Sie diesmal mit einer sehr viel längeren Eingewöhnungszeit und beherzigen Sie diesmal den Grundsatz, daß erst mit der Akzeptanz einer Ersatzbezugsperson eine atraumatische Ablösung in die Kita in diesem Alter beginnen kann. Dieses statement möchte ich ganz allgemein verstanden wissen, denn es handelt sich hier schon um Kinderpsychotherapie. Man sieht daran deutlich, daß in der Verhinderung solcher Entwicklungen die große Chance liegt, ein psychisch gesundes Kind aufzuziehen. Und das ist doch Ihr aller erklärtes Ziel. Viele Grüße


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