Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Bindung

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: Bindung

Lisa0909

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Sehr geehrte Frau Henkes, ich sorge mich etwas um meine 15 Monate alte Tochter. Sie ist extrem auf mich fixiert. Sie möchte stets auf meinen Arm und geht nur selten zum Papa. Wenn ich doch gehe und den Raum verlasse akzeptiert sie es nach kurzem Weinen und rennt freudestrahlend auf mich zu wenn ich wiederkomme. Nun gehen mir zwei Dinge im Kopf herum weshalb sie sich noch nicht von mir loslösen kann: 1) Durch die Isolation wegen Corona? Sie kannte bis zum Sommer eigentlich nur meinen Mann und mich. Der Papa hat sich aber fast nur mit unserem 2,5 j. Sohn beschäftigt, weil dieser es vehement eingefordert hat. Aktuell habe ich aber ein paar Sozialkontakte(Oma,Tante,Onkel). 2) Ist sie vielleicht nicht sicher gebunden? Das macht mir richtig Angst. Ich habe eigentlich immer alles versucht um sie sicher zu binden. Nie Schreien lassen (wenn immer möglich, da ihr Bruder auch noch klein ist), 10 Monate gestillt, immer in der Trage, sie schläft in meinem Bett. Allerdings war das Stillen nie entspannt. Sie hat immer geweint. Vielleicht reichte es ihr nicht und ich habe sie „enttäuscht“? Ich war bei einer Stillberatung und dort meinte man alles sei gut. Ich war immer alleine mit den Kindern. Hatte gar keine Hilfe. Keine freie Zeit für mich seit fast 3 Jahren. Manchmal liegen meine Nerven blank. V.a nachts. Beide sind keine guten Schläfer. Bis vor ein paar Wochen schliefen beide noch bei mir. Sie waren dann immer abwechselnd Stunden nachts wach..


Ingrid Henkes

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Guten Tag Lisa, ganz sicher ist überhaupt nichts zu spät! Ich denke, Sie brauchen sich keine Sorgen darüber zu machen, dass Ihre Tochter nicht sicher gebunden ist. Sie geben ihr doch, was sie braucht und das von Anfang an. Durch diese frühe Zeit und das Stillen sind die Kinder dann entsprechend erstmal sehr auf die Mutter fixiert. Könnte es sein, dass Sie mehr geben, als zu schaffen ist? Dann möchte ich Sie gerne daran erinnern, dass es völlig ausreicht, eine Mutter zu sein, die sich genügend Mühe gibt. Das tun Sie gewiss. Eine perfekte Mutter kann niemand sein und das ist auch nicht notwendig. Ihre Tochter ist noch nicht in der Loslösungsphase, in der die Umgebung mit anderen Personen für die Kinder immer interessanter und wichtiger wird. Sie möchte es weiter so haben, wie sie es kennt. Es ist an Ihnen, ihr allmählich beizubringen, dass die Dinge auch mal anders sein können. Sie verkraftet es doch schon ganz gut - nur mit kurzem Weinen - beim Vater zu bleiben. Das ist ausbaufähig und das kurze Weinen nicht schlimm. Haben Sie schon mal überlegt, dass der "große" Bruder allmählich interessant für Ihre Tochter werden kann? Das ist häufig eine gute Möglichkeit, Kinder aus ihrer Fixierung auf die Mutter zu lösen. Gerade im Alter Ihrer Tochter bedeutet eine sichere Bindung nicht, dass ein Kind nicht mal schreien darf. Es geht nicht darum, ein Kind schreien zu lassen und ihm nicht zu helfen. Aber wenn ein Kind Unbehagen durch Schreien ausdrückt, bedeutet das nicht immer gleich etwas sehr Schlimmes. Wenn ein Kind die Chance bekommt, sich selber zu beruhigen z.B. durch Schnuller, Daumen, Bewegung oder Ablenkung, lernt es sich selbst zu regulieren. Das ist eine sehr wichtige Fähigkeit für das Erleben der Selbstwirksamkeit. Sie sind ja im Hintergrund und kriegen mit, ob Ihrer Tochter das gelingt oder ob Sie unterstützend eingreifen müssen (so wie in Ihrem Beispiel mit dem Vater). Ihre Tochter hat vermutlich noch nicht unter der Corona-Isolation gelitten. Für Kleinkinder sind die Eltern die wichtigsten Bezugspersonen und Sie waren ja da. Vermutlich hat es das aber für Sie viel anstrengender gemacht. Ich höre aus Ihren Worten deutliche - sehr verständliche - Erschöpfung, die Sie auch manchmal schimpfen lässt. Das verkraften Kinder in der Regel ganz gut, wenn es nicht übertrieben ist. Es ist natürlich nicht ideal aber menschlich. Kinder lernen dadurch, dass Ihre Eltern auch Grenzen haben. Und das müssen Kinder auch zunehmend lernen, denn da entstehen die Reibungspunkte, bei deren Regulierung sich das Sozialverhalten u.a. ausbildet. Warum sollte Ihre Tochter nicht erfahren, dass Sie nicht immer Lust haben sie auf dem Arm zu halten? Das hat doch nichts mit Ihrer grundsätzlich guten Bindung zu tun. Genügend gute Mütter dürfen auch an sich selbst denken. Ihnen sollte es doch möglichst gut gehen, schon damit Sie weiter gut für die Kinder da sein können. Sie schreiben, dass Sie jetzt wieder ein paar Kontakte zu anderen haben. Können Sie diese nutzen, um sich soviel Unterstützung wie möglich zu holen? Sie haben wirklich gerade eine sehr anstrengende Zeit. Das ändert sich zwar auch wieder mit dem Älterwerden der Kinder, aber jetzt können Sie Hilfe gut brauchen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese schwierige Phase mit zwei kleinen KIndern ohne zu große Belastungen bewältigen und die schönen Aspekte im Leben mit Kindern unbeschwerter genießen können. Ingrid Henkes


Lisa0909

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.. Ich war derartig müde, dass ich oft rumgemeckert habe. Eigentlich eher mit meinem Sohn, aber vielleicht hat meine Tochter es nicht verstanden. Ein paar mal auch mit ihr aber jenseits des 1. Lebensjahres. Ich habe dann immer ein so furchtbar schlechtes Gewissen. Ich halte das Theater nachts meist einige Stunden aus bis ich nicht mehr kann. Tagsüber kam es auch schon mal vor, dass ich genervter bin als ich sein möchte. Z.B. wenn ich die Kleine nicht einmal kurz absetzten darf um zur Toilette zu gehen (sie hat dort auch einen Stuhl). Dann sage ich manchmal: „boah ich hab echt keine Lust mehr dich immer zu tragen“. Habe ich vielleicht unsere Bindung zerstört? Ich mache mir riesige Sorgen! Hilfe habe ich leider keine. Ich muss das alles allein schaffen. Eigentlich meistere ich den Tag auch komplett kindgerecht. Wir lesen super viel, spielen, gehen nach draußen. Ich Kuschel den ganzen Tag mit den Mäusen und weiß gar nicht wie oft ich ihnen sage und zeige wie lieb ich sie habe. Nur wie gesagt kommt es leider immer mal wieder vor, dass ich in bestimmten Situationen schimpfe. Ich nehme schon Baldrian um mein Nervenkostüm zu entspannen aber ich hoffe es ist nicht zu spät. Entschuldigen Sie bitte den langen Text. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Mühe ! Mit freundlichen Grüßen , Lisa


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