Dezember 2024 Mamis

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Geschrieben von schroedingerskruemel am 15.05.2024, 9:44 Uhr

FTMV schwierige Entscheidung

Uffff.... das klingt nach einer ganz beklemmenden Situation. Es tut mir leid, dass du dein Baby verloren hat, auf diese Weise, mit all dem, was dazugehört. Inklusive der Erfahrung, dass ab einem bestimmten Punkt die Ärzte sagen, sie können nichts mehr tun.

Und nun kommt dieses Gefühlschaos bei der neuen Schwangerschaft dazu. Ich erinnere mich an den Beginn, als ich noch an deiner Bushaltestelle stand... du standest zwischen zwei ärztlichen Meinungen; einmal die Krankenhaus-Docs, die den frühen totalen Muttermundverschluss empfahlen, und den ambilant arbeitenden Gyns, deren letzter FTMV Jahre her ist, und die - überspitzt gesagt - fragen, ob "man" das denn heute noch so macht.

Es ist völlig egal, aus welchem Grund jemand zwischen solche gegensätzlichen Erfahrungen und Meinungen gerät: Die emotionale Last liegt immer auf dem Patienten. Das ist unfair. Manchmal vergessen die Mediziner, dass sie ihre fachlichen Meinungen woanders diskutieren sollen, aber nicht mit jemandem, der Rat und Hilfe sucht.

Trotz dieser Situation ist es dir gelungen, eine Entscheidung zu treffen, mit der du dich sicher fühlst. Vertraue mal deiner Urteilskraft. Es hat einen Grund, warum es ein FTMV werden soll und keine Cerclage. Und warum ein Pessar hier nicht zur Diskussion steht. Du hast dich belesen, damit beschäftigt und abgewogen. Diese Entscheidung ist richtig. Denn es ist deine Schwangerschaft, dein Körper und deine Seele. Egal, was du an Intervention machen oder nicht machen lässt, du entscheidest, was passiert.

Nun ist das so eine Sache mit den ärztlichen Aufklärungen... gefordert ist eine Beratung im Sinne der Patienten und deren Interessen, mit den drei Grundsätzen des Hippokrates: Nicht schaden, heilen, vorsichtig vorgehen. Es soll eine Entscheidungshilfe sein, in der dir die Vorteile und Nachteile von der Intervention als auch der Nicht-Intervention erklärt werden. Du sollst am Ende in der Lage sein, eine informierte Entscheidung zu treffen.

Nun steckt in dem Arzt ein Mensch mit allen Fehlern, u.a. begrenzten sozialen und kommunikativen Fähigkeiten, persönlichen Meinungen und Vorurteilen, die nicht zurückgehalten werden können, und einer Sichtweise auf Aufklärungsgespräche, die sich manchmal auf "ich will nicht verklagt werden" reduziert. Viele ignorieren das Recht des Patienten auf Nicht-Wissen, d.h. du kannst in einem Aufklärungsgespräch sagen, du möchtest nicht über die superseltenen Komplikationen aufgeklärt werden. Das gilt besonders bei so sensiblen Themen.

Wir gehen alle davon aus, dass Aufklärungsgespräche nicht parteiisch sind, aber in der Realität ist es oft anders. Wenn sie wollen, dann könne Ärzte einen Eingriff unter der formalen Beachtung aller Regeln so aufklären, dass der Patient ablehnen wird: Überbetonung der Komplikationen beim Durchführen des Eingriffs, Weglassen von Komplikationen beim Nicht-Durchführen, ungleiche Verteilung der Informationen, vage Informationen, Nichtbeantwortung von Fragen, Ausnutzen der asymmetrischen Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Das passiert nicht selten sehr bewusst, und oft in dem guten Glauben, das Richtige getan wird.

Auf diese ganze explosive Mischung kommt dann die Gefühlslage des Patienten, und dessen Aufmerksamkeitsfokus. Selbst wenn das Aufklärungsgespräch von ärztlicher Seite bestens läuft... was die Patienten hören und verstärkt wahrnehmen, was im Gedächtnis bleibt, das ist ein ganz eigenes Forschungsgebiet.

Wenn ich so lese, wie dein Gespäch gelaufen ist, dann höre ich: Blasensprung unter OP mit FG, muttermundswirksame Wehen mit FG, Infektion mit FG. Nun sind das alles Dinge, die passieren können, wenn jemand in der Schwangerschaft am Muttermund rumbastelt. Deine Ärztin hat dir nicht gesagt, wie oft das vorkommt. Du fragst nach dem Wiederholungsrisiko einer FG, wenn du die OP nicht machst, und hörst "kann aber muss nicht". Wie sollst du da gut entscheiden?

Ich drösele mal auf, was ich von dir verstanden habe:

Du versuchst, mit der OP ein gewisses Szenario zu vermeiden, was du schon einmal erlebt hast. Nun brauchst du hier belastbare Daten, wie oft es vorkommt, dass du zwei Schwangerschaften hintereinander durch eine Zervixinsuffizienz verlieren kannst. Wenn jemand sagt: "kann sein, aber muss nicht", dann hört sich das nach einer grfühlten Wahrscheinlichkeit eines Münzwurfes an: Zu 50% kommt das erwünschte, zu 50% kommt das unerwünschte Ereignis. Stimmt das denn? Aus mathematischer Sicht ist es bis hierher quasi "egal", welche Entscheidung du triffst, weil beide Ereignisse gleich oft auftreten. Wenn sich das Verhältnis jetzt verschiebt, z.B. ein Wiederholungsrisiko die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes auf 75% erhöht, dann sieht die Sache anders aus. Dann zeigt deine Münze in drei von vier Würfen das unerwünschte Ereignis.

Den Teil könne wir alle noch gut nachvollziehen: Je höher das Wiederholungsrisiko, umso mehr Sinn macht es, der Intervention zuzustimmen. Das ist meist die Ausgangsbasis, mit der wir in Aufklärungsgespräche gehen.

Bis dann der Doc die Risiken auspackt: Bei einem Prozent geht es schief. Das ist eine von Hundert Schwangeren. Ist das wenig? Ist das viel? Was ist, wenn ich diejenige mit der Goldenen Arschkarte bin, die die seltene Komplikation mitnimmt? Das sind eben zwei Dinge, sie sich hier vermischen. Dein objektives Risiko ist minimal. Das bleibt bei dem eine Prozent. Aber das subjektive Risiko, d.h. was wenn ich zu dem eine Prozent gehöre, das wären für dich 100 Prozent Verlust. Das wäre der schlimmstmögliche Ausgang. Und eine menschliche Katastrophe.

Hier kann dich dich von mathematischer Seite nur einladen, bei der Bewertung des eintretende eines "seltenen" Ereignisses einen Schritt zurückzutreten. Du arbeitest hier mit bedingten Wahrscheinlichkeiten: Je mehr Ereignisse du aneinanderkettest, umso unwahrscheinlicher wird ein bestimmter Endergebnis.

Beispiel? Bitte: Du bist auf dem Weg in den Urlaub. Du kannst dein Handy und damit deine Flugtickets vergessen. Oder die Fluggesellschaft kann dein Gepäck verlieren. Oder du hast die Heizung aufgedreht gelassen. Irgendetwas davon kann passieren. Da wird jeder sagen: "Kenne ich auch!" Es wird schon seltener, wenn du sagst: "Mist, ich habe die Heizung angelassen und das Ticket vergessen." Und noch seltener: "Schöner Mist, ich habe die Heizung angelassen, das Ticket vergessen und mein Gepäck ist verschwunden."

Du siehst, du musst schon ein ganz schöner Pechvogel sein, um all diese Ereigbnisse mitzunehmen. Da werden schon weniger Leute sagen: "Das kenne ich!" als bei einem Einzelereignis.

Wenn ich mal das nehme, was ihr aus deinem Post habe: Die Chance, dass du zu den 1% derjenigen gehörst, die die Schwangerschaft im Rahmen der Intervention verlieren, liegt genau da - bei einem Prozent. Das ist das Risiko, das zu mit der OP auf dich nimmst. Das Wiederholungsrisiko einer aufeinanderfolgenden Zervixinsuffizienz ist mit nicht bekannt... sind es 1 Prozent, 5 Prozent, 35 Prozent, 50 Prozent, 80 Prozent? Das ist dein Risiko, was du auf dich nimmst, wenn du die OP ablehnst.

Das ist eine andere Denkweise, als die Idee: Es kann zu einem Prozent schief gehen, und ich will dieses eine Prozent nicht sein. Das ist emotional sehr nachvollziehbar, aber es ist keine korrekte Risikobewertung. Du schließt damit das Risiko der Intervention aus, aber kannst vor lauter Angst gar nicht sehen, welches Risiko im Abwarten liegt.

Puh. Wenn du bis hierhin gelesen hast, bekommst du den Quarkorden am Goldenen Hosenbande für das Ertragen meiner Monologe. Ich kann medizinisch nichts beitragen, aber ich kann vielleicht mit trockener Zahlentheorie helfen.

Ich stimme dem zu, was schon gesagt wurde: Ich empfehle eine medizinische Zweitmeinung. Einfach einen anderen Menschen, der die Aufklärung nochmal anders macht.

Und ich möchte dich ermutigen, die aufklärenden Ärzte festzunageln: Wie vergrößere ich die Überlebenschancen meines Babys? In dem ich die OP machen lasse, oder in dem ich sie nicht machen lasse? Bitte geben Sie mit Zahlen, keine gefühlten Meinungen. Wie groß ist das Risiko ohne OP? Wir groß ist es mit OP? Was sind die häufigsten Komplikationen, und was tun Sie, um deren Risiko zu minimieren? Was köbnen Sie tun, um die Risiken zu minimieren, wenn ich abwarten möchte?

So, nun gehe ich mit dem Hund raus, das Gehirn lüften.

 
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