Liebe Biggi,
mein Sohn ist neun Wochen alt und das Stillen ist von Beginn eine Herausforderung für mich, obwohl es ein Herzenswunsch ist. Im Krankenhaus hat mein Sohn sehr stark abgenommen, weil er sehr schlapp war (kein Frühchen, aber zierlich auf die Welt gekommen mit 2819 gr.) und so gut wie nie aufgewacht ist zum stillen. Aufwecken geling mir auch nicht wirklich. Im Krankenhaus wurde mir direkt das Stillhütchen in die Hand gedrückt. Auch das hat nicht geholfen. Leider stieg der Gelbsuchtwert immer mehr an und das war für meinen Mann der ausschlaggebende Punkt, an dem wir ab Tag 3 angefangen haben über Fingerfeeding im Krankenhaus zuzufüttern. Nach der Schwangerschaft hatte ich einen Beckenschiefstand, mit höllischen Schmerzen, was sieben Wochen lang ging. Die Cluster-Phase war sehr schwer für mich und es ging zwei Tage lang so, dass ich den ganzen Tag und die Nacht nicht aufstehen konnte, weil ich am stillen war und mein Becken und Rücken noch schlimmer wurden. Daraufhin meinte meine Hebamme, dass es das beste für uns alle wäre, wenn ich meinen Sohn die Flasche gebe. Seither füttere ich mit der Flasche zu. Vor jedem Zufüttern lege ich konsequent an (seit Tag 5). Bis vor 10 Tagen war es so, dass ich alle zwei bis drei Stunden erst angelegt und dann 120 ml pre Milch mit der Flasche gegeben habe. Gott sei Dank klappt das bisher ohne Saugverwirrung. Vor 10 Tagen habe ich mich dazu entschlossen, das Zufüttern zu reduzieren und mehr anzulegen, um irgendwann vollzustillen. Hierzu habe ich mir auch von einer Stillberaterin Rat geholt. Sie hat sich das Kind und mein anlegen angeschaut und sah kein Problem bei uns. Wobei sie das nur von der Distanz (1,5 m) aus begutachtet hat und nicht von ganz Nahem. Aber auch der Arzt hat bestätigt, dass er ein starker Sauger ist, weil er es an den Lippen sehen konnte :)
Seit zehn Tagen versuche ich also die Flaschenmenge zu reduzieren (2-3 mal am Tag) und lege stundenlang an. Eigentlich bin ich fast nur am anlegen. Der Kleine wird aber meiner Ansicht nach nicht satt. Anzeichen, die für mich nach Hunger sprechen sind folgende: Ganze Faust in den Mund nehmen, schmatzen, Zunge rausstrecken, Brust anschauen, starkes Strampeln und Weinen. Er schläft auch seither nur an der Brust ein, nachdem er gesaugt hat und will gar nicht mehr runter vom Arm und wacht sofort auf, sobald ich ihn ablege. Er bekommt zwei bis drei mal die Flasche am Tag mit überwiegend 90 ml und manchmal mit 120 ml. Wenn er die Flasche austrinkt weint er ebenfalls und will noch mehr.
Ich kann nicht wirklich deuten, ob das nur eine erneute Cluster-Phase ist, oder die Milchbildung sich einfach nicht steigern lässt. Eine andere ehrenamtliche Stillberaterin in der Ausbildung meinte zu mir, dass es sehr lange dauern kann, bis sich die Milchmenge wieder steigert. Ich würde nur zu gerne wissen, was sehr lange bedeutet. Und habe ich noch eine Chance, die Milchbildung anzukurbeln. Ich will meinen Kleinen auch nicht hungern lassen. Ich habe mir auch bereits eine Waage ausgeliehen und wiege ihn jeden Tag. Bisher hat er zum Glück nicht abgenommen aber auch nicht viel zugenommen (130 gr.). Was aber vermutlich der Pre-Nahrung zuzuschreiben ist.
Laut einer App hat er seit dem 9.11 und bis Ende der Woche einen Schub. Also kann ich nicht deuten, ob er clustert oder einfach nicht satt wird. Es wäre sehr lieb, wenn Sie mir helfen würden. Insbesondere, wie lange dauert es im schlimmsten Fall bis die Milchmenge steigt und was kann ich noch tun, um sie zu steigern.
Ach und zum Pumpen: ich habe vor den zehn Tagen versucht immer regelmäßig zu pumpen und auch hin und wieder power pumping gemacht. Es kam aber nicht mehr als 30-60 ml raus. Ich habe auch bis vor kurzer Zeit immer Bockshornklee Kapseln und Piulatte eingenommen und oft Vitamalz getrunken. Die Stillberaterin hat mir jedoch davon abgeraten, Bockshornklee weiter einzunehmen. Da ich Ihre Beiträge seit längerem intensiv lese, habe ich viele Ihrer Ratschläge beherzigt: Wechselstillen, oft anlegen. Das mit der Milchsahne werde ich auch so schnell wie möglich umsetzen, sobald ich die Möglichkeit bekomme wieder zu pumpen.
Ich hoffe Sie können mir weiterhelfen.
Liebe Grüße
von
SediSa
am 19.11.2021, 22:26
Antwort auf:
Mein Kind bekommt nicht ausreichend Muttermilch
Liebe SediSa,
leider kenne ich dein Baby nicht, ich sehe nicht, wie es trinkt und wie es aussieht, deshalb könnte ich leider niemals sagen, wie Du weiter vorgehen kannst.
Eben so wenig wie ein Arzt, dem Du am Telefon sagen „mir tut mein Rücken weh" eine Ferndiagnose stellen kann, kann eine Stillberaterin bei Saugproblemen aus der Ferne sagen „genau das ist es".
Ich kann hier am PC aus dem, was mir die Frauen schildern, bestimmte Rückschlüsse ziehen und mehr oder weniger allgemeine Tipps geben, doch das ersetzt in vielen Situationen niemals die direkte Beratung durch eine Stillberaterin vor Ort. Ja, es wäre sogar fahrlässig, wenn ich behaupten würde, die Stillberatung über Internet kann alle Probleme lösen.
Bitte wende Dich noch einmal an eine gute Kollegin vor Ort!
Adressen von Stillberaterinnen findest Du im Internet unter:
http://wwwlalecheliga.de (Stillberaterinnen der La Leche Liga), http://www.afs-stillen.de (Stillberaterinnen der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen) oder http://www.bdl-stillen.de (Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC).
Sie kann Dich beim Stillen sehen und kann so feststellen, ob Dein Baby korrekt an der Brust saugt oder vielleicht ein Saugproblem vorliegt, das behandelt werden müsste.
Auch wenn Du weiter fahren musst, lohnt sich ein Termin bestimmt!
Welche Pumpe benutzt Du denn?
Es hat sich bewährt, nach dem Schema 7 Minuten pumpen unterbrechen zum Massieren der Brust 5 Minuten pumpen massieren der Brust 3 Minuten pumpen, vorzugehen. Eine Brustmassage kann auch dazu beitragen den Fettgehalt der abgepumpten Milch erhöhen.
Die besten Erfahrungen habe ich mit vollautomatischen, elektrischen Pumpen mit Doppelpumpset gemacht. Diese Pumpen sind von den Firmen Medela und Ardo erhältlich und können auch in Apotheken und Sanitätshäusern ausgeliehen werden.
Dein Arzt kann Dir ein Rezept ausstellen mit dem Zusatz Doppelpumpset. So kannst Du Deine Milchmenge sicherlich erhöhen.
Da eine Pumpe nicht die gleichen Gefühle auslöst wie ein Baby, musst Du vor allem anfangs Deinen Milchspendereflex anregen. Dazu kannst Du einige der folgenden Methoden der physischen und psychischen Stimulation einsetzen:
Abpumpen in einer vertrauten und angenehmen Umgebung, vielleicht immer am gleichen Platz, im gleichen bequemen Sessel (ideal wäre ein Stuhl, der Deine Arme in einer bequemen Haltung stützt und es Dir ermöglicht den ganzen Körper zu entspannen).
Störungen so gering wie möglich halten. Du solltest z.B. das Telefon aushängen, etwas entspannende Musik anschalten und alles was Du brauchen könntest bei der Hand haben. Dazu können ein Glas Wasser oder Saft, ein gesunder Imbiss oder etwas zu lesen gehören.
Einhalten eines Rituals vor dem Abpumpen. Das Einhalten eines bestimmten Ablaufs vor dem Abpumpen, kann Deinen Milchspendereflex anregen und auch als psychologischer Auslöser dafür wirken. Einige der folgenden Vorschläge können eventuell auch Dir helfen:
• Wärmeanwendungen auf den Brüsten, entweder trocken oder feucht. Dazu können feuchte, warme Kompressen oder ein Heizkissen verwendet werden, oder aber Du duschst warm.
• Da Wärme entspannend wirkt, solltest Du Dir eine Decke oder eine Jacke über die Schultern legen, oder Dich in die Nähe einer Heizquelle setzen.
• Sanfte Brustmassage, entweder in der Dusche oder direkt vor dem Abpumpen. Das hilft besonders dann, wenn Du angespannt bist.
• Brustwarzenstimulation, durch sanftes Reiben oder Rollen der Brustwarzen.
• Fünf Minuten Entspannung. Die Anwendung der Atemübungen aus der Geburtsvorbereitung oder einfach nur ruhiges Dasitzen und sich dabei etwas Angenehmes vorstellen (einen warmen Sandstrand mit Wellen, die ans Ufer plätschern, ein Gebirgsbach oder eine tropische Brise).
Das Abpumpen mehrmals unterbrechen um die Brust zu massieren. Es sollte möglich sein, den Milchspendereflex mehrfach stimulieren, indem Du das Abpumpen nach etwa zehn Minuten unterbrichst, Deine Brust massierst und dann wieder pumpen. (Bei der La Leche Liga Deutschland kannst Du das Infoblatt „Die Marmet Methode" über das Handausstreichen und Massieren der Brust bestellen)
Um die Milchproduktion richtig in Gang zu bekommen, solltest Du häufiger als fünf Mal pro Tag pumpen.
Iss genügend und ausgewogen (ausreichend kohlenhydrathaltige Nahrung) und trinke entsprechend Deinem Durstgefühl. Eine zu hohe Flüssigkeitsaufnahme wirkt sich nicht positiv auf die Milchmenge aus. Viel trinken mach NICHT viel Milch, im Gegenteil. Solange Du Dich nicht ausgedörrt fühlst, Dein Urin hell ist und Du keine Verstopfung bekommst, trinkst Du genug. Es gibt keinen wirklichen Beweis für die Wirksamkeit von Milchbildungstees. Wenn Du Milchbildungstee trinken möchtest, dann bitte nicht mehr als zwei bis drei Tassen täglich, mehr kann Bauchprobleme beim Kind verursachen.
Liebe Grüße, ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig weiterhelfen.
Biggi
von
Biggi Welter
am 20.11.2021