Hallo Frau Höfel,
Meine Tochter ist jetzt fast 10 Monate alt, sie war 8 Monate lang ein Schreibaby, schlafen ist immer noch sehr schwierig, untertags nur unter Bewegung, nachts schlafe ich bei ihr im Familienbett, jedoch schlafen wir beide recht schlecht. Sie wird von jeder meiner Bewegungen wach, zum Beispiel, wenn ich mal einen Schluck Wasser trinken möchte, ist sie sofort wach, deshalb habe ich aufgehört nachts trotz Durst etwas zu trinken, ich bleibe immer auf der gleichen Stelle liegen bzw. Bewege mich mit ihr, sie wälzt sich nachts durchs komplette Bett, bis dass ich an der unteren Kante des Bettes seitlich liege, immer auf der gleichen Seite, ich habe dadurch enorme Rückenbeschwerden, mein gesamter Körper schmerzt, mir ist schwindelig, weil ich nichts trinke, habe Bauchschmerzen, weil ich nicht zur Toilette gehe. Meine Psychologin hat mir dazu geraten, zu versuchen, mein Baby ans Beistellbett bzw. Bettchen neben meinem Bett zu gewöhnen. Sie meinte, auch meine Bedürfnisse dürfen nicht unter der Situation leiden. Ich habe aber so eine Angst, dass sich mein Baby abgeschoben fühlt und unsere Bindung darunter leidet. Angst habe ich außerdem vor ihrem Schreien, sie war 8 Monate lang ein Schreibaby. Die nächste Frage zum Thema Bindung ist, seit einigen Wochen ist meine Tochter, wenn mein Mann von der Arbeit kommt, total auf ihren Papa fixiert. Sie möchte nur beim Papa sein. Das ist ca. 1 bis 1.5 Stunden am Tag. Er hat sie nie im Tragetuch getragen, sie nie ins Bett gebracht, wenn sie weinte, habe ausschließlich ich sie getröstet. Jetzt Frage ich mich, warum sie so Papa fixiert ist? Desweiteren verunsichern mich viele Antworten zum Thema Bindung von anderen Userinnen hier, ich komme mir oft vor wie eine Versagerin und Frage mich den ganzen Tag, ob ich nicht genug getan habe, ob unsere Bindung nicht stark genug ist, ob es ok ist, z.b. zu kochen, und meine Tochter ist auf der krabbeldecke und nicht bei mir im Tragetuch, ich habe bisschen Angst mit Tragetuch zu kochen, mein Verstand sagt mir, so lange sie glücklich auf der Krabbeldecke für die ca. 20 Minuten ist, ich gehe natürlich immer wieder zu ihr hin, sie krabbelt auch mal zu mir und ich nehme sie dann hoch, ist das ok und für mich auch eine Erleichterung, da sie 8 Monate geschrien hat, aber diese ganzen antworten zum Thema Bindung verunsichert mich so stark. Ich würde mich sehr über Ihre Antwort freuen.
MfG Fleur
von
Fleur85
am 04.03.2020, 09:42
Antwort auf:
Frage zum Thema Bindung
Liebe Fleur,
stellen Sie sich vor, Ihre Freundin A. ist jeden Tag acht Stunden bei Ihnen. Sie verstehen sich gut und wuseln tagsüber in der Wohnung herum.
Nach 10 Monaten meldet sich eine andere alte Freundin B. zurück, die lange auf Reisen war.
Mal ganz ehrlich: ist es nicht spannender den Reiseberichten der Urlauberin zu lauschen als den Abend mit der Freundin zu verbringen? Diese sehen Sie ja den ganzen nächsten Tag!
Am tollsten wäre doch, Sie würden zusammen Freundin B. lauschen! Aber vielleicht nutzt Freundin A. auch die gewonnene Zeit und geht in die Badewanne? Oder einfach eine Stunde auf die Couch?
Die Bindung zu Ihrem Kind ist sicher in Ordnung und hat nichts damit zu tun, dass das Kind abends auch Papa mag.
Ja, Ihr Kind war ein Schreikind - aber das heißt nicht, dass Sie Schuld daran waren und jetzt büßen oder leiden oder sich die Ruhe mit Rückenschmerzen und Durst erkaufen müssen!
Das Kind wird ja nicht in ein anderes Zimmer abgeschoben und nicht mehr beachtet! Und die Bindung leidet auch nicht, weil es damit zurechtkommen muss, dass auch andere Menschen Bedürfnisse haben.
Fangen Sie an einem Wochenende damit an, dann kann Ihr Mann für die Zeit übernehmen und beim Kind Händchen halten.
Liebe Grüße
Martina Höfel
von
Martina Höfel
am 04.03.2020
Antwort auf:
Frage zum Thema Bindung
Liebe Fleur,
Wenn ich dir vielleicht auch noch meine Meinung zu deinen Fragen schreiben darf:
Du warst die ersten acht Monate ihres Lebens 24/7 intensiv für deine Tochter da. Acht Monate Schreikind, die psychische und physische Belastung kann ich mir gar nicht vorstellen (und ich habe selbst zwei Kinder)... Aber du hast es durchgehalten, hast alles gegeben, bis an deine Grenzen und darüber hinaus, hast dich aufgeopfert, warst die beste Mutter, die du für deine Tochter sein konntest. Und dass sie seit zwei Monaten nicht mehr (so viel) schreit, ist doch das beste Zeichen, dass sie sich gut entwickelt, auch und vor allem aufgrund deiner beständigen Fürsorge! Darauf kannst du sehr stolz sein!
Nun darfst du tatsächlich (endlich!) mal wieder mehr an dich denken und deine eigenen Bedürfnisse berücksichtigen.
Wenn deine Tochter auf der Krabbeldecke zufrieden ist, während du kochst - freu dich darüber! Sie ist zehn Monate alt und sicher schon mobil - wenn sie nicht mehr zufrieden ist, kann sie auf sich aufmerksam machen oder zu dir krabbeln.
Wenn deine Tochter abends die Zeit mit Papa verbringen will - ist doch toll! Nutz die Zeit für dich!
Vielleicht kannst du den Papa peu à peu auch beim einschlafen und nachts mehr einbinden? So dass du mal auf Toilette gehen und was trinken kannst und sie dann auch Papa als Tröster akzeptiert? Auf jeden Fall darfst du deine Tochter guten Gewissens daran gewöhnen, in ihrem eigenen (Beistell-)Bett zu schlafen. Ich bin mir sicher, du wirst es behutsam machen und eurer Bindung damit auf keinen Fall schaden.
Es ist jetzt einfach die Zeit, dass sich der Horizont deiner Tochter immer mehr weitet, sie sich stärker für andere Personen außer Mama interessiert usw. Mit diesem Entwicklungsschritt umzugehen, ist für dich vielleicht nicht ganz leicht, weil du nicht mehr so eine exklusive Rolle für deine Tochter hast, aber ich wünsche dir, dass du eher die positiven Seiten - also die Freiheiten, die du jetzt wieder gewinnst - sehen und auch genießen kannst.
Alles Liebe euch!
von
Rotkehlchen
am 05.03.2020, 10:43